Parlamentskorrespondenz Nr. 827 vom 12.07.2023

Bundesrat verzögert Kundmachung des ORF-Reformpakets

Antrag, keinen Einspruch zu erheben, verfehlt wegen entschuldigter Mandar:innen erforderliche Mehrheit

Wien (PK) – Die Kundmachung des ORF-Reformpakets wird sich um einige Wochen verzögern. 29 zu 29 lautete das Ergebnis einer namentlichen Abstimmung dazu heute im Bundesrat . Damit verfehlte der Ausschussantrag, keinen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats zu erheben, die erforderliche Mehrheit. Grund dafür war, dass sich zwei Mandatar:innen der Koalitionsparteien für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet haben, während die ebenfalls entschuldigte FPÖ-Bundesrätin Andrea Michaela Schartel an der Abstimmung teilnahm. Nun kann der Gesetzesbeschluss des Nationalrats erst nach Ablauf der achtwöchigen Einspruchsfrist des Bundesrats kundgemacht werden.

Den Bundesrat passiert haben dagegen das neue Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz und eine Novelle zum Privatradiogesetz. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass Hostingdienste, wie von der EU gefordert, Terrorpropaganda und andere terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde löschen, wenn eine entsprechende Behörden-Anordnung vorliegt. Zudem müssen sie vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung von Terrorinhalten zu unterbinden. Zum anderen sind Lockerungen für Privatradio-Betreiber vorgesehen, um den Ausbau des Angebots an digitalen Radioprogrammen zu beschleunigen.

Morgen wird die neue Bundesratspräsidentin Claudia Arpa ihre Antrittsrede halten. Zudem hat der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser eine Erklärung unter dem Titel "Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen" angekündigt. Kärnten hat am 1. Juli sowohl im Bundesrat als auch in der Landeshauptleutekonferenz den Vorsitz übernommen.

Haushaltsabgabe ersetzt ab 2024 GIS-Gebühr

Das ORF-Reformpaket sieht unter anderem vor, die GIS-Gebühr ab dem Jahr 2024 in eine Haushaltsabgabe umzuwandeln und das digitale Angebot des ORF auszuweiten. So wird der ORF künftig etwa reine Online-Angebote bereitstellen und Sendungen länger als bisher in der ORF-Mediathek verfügbar halten dürfen. Im Gegenzug wird der Sender zu Sparmaßnahmen und Werbebeschränkungen im Radio- und Online-Bereich verpflichtet. Auch ist er angehalten, die Textmeldungen auf der Überblicksseite von orf.at deutlich zu reduzieren und stärker mit den Privatsendern zu kooperieren, sofern diese das wünschen. Sowohl der Spartensender Sport+ als auch das Radiosymphonieorchester sollen bis zumindest Ende 2026 erhalten bleiben. Die Höhe der neuen ORF-Haushaltsabgabe wurde für die Jahre 2024 bis 2026 mit monatlich 15,3 € festgelegt.

FPÖ kritisiert "Zwangssteuer"

Scharfe Kritik am vorliegenden Gesetzespaket übte Christoph Steiner (FPÖ/T). Für ihn und seine Fraktion ist die ORF-Gebühr eine "Zwangssteuer", wie er auch mit einer Tafel unterstrich. Es sei "eine Schande", in Zeiten der Teuerung Haushalte, die sich nicht einmal Schulausflüge ihrer Kinder leisten können, zusätzlich zu belasten, meinte er.

Steiner vermisst außerdem "echte" Reformen beim ORF. Seiner Ansicht nach kommt der Sender weder seinem Bildungsauftrag nach, noch gewährleistet er eine objektive Berichterstattung. Vielmehr sei der ORF "von linkslinken Marxisten" durchsetzt und verbreite "Regierungspropaganda", wie sich auch in Corona-Zeiten gezeigt habe. Der ORF sei außerdem ein Millionengrab, so Steiner.

Der Kritik Steiners schlossen sich seine Parteikolleg:innen Marlies Doppler (Sbg) und Klemens Kofler (NÖ) an. Auch von jenen Personen, die keinen Fernseher haben, einen ORF-Beitrag einzuheben, sei genauso absurd, wie Klimakleber:innen ohne Auto eine KFZ-Steuer vorzuschreiben, meinte Doppler.

SPÖ und NEOS vermissen Gremienreform

Stefan Schennach (SPÖ/W) meinte demgegenüber, es sei richtig, den ORF mit einer Haushaltsabgabe zu finanzieren und nicht aus dem Budget. Der Sender gehöre schließlich den Österreicher:innen und nicht der Politik, meinte er. Auch mit dem Ausdruck "Zwangsgebühren" kann er wenig anfangen. Der ORF liefere "ungeheuer wichtige Leistungen", sowohl im Bereich Unterhaltung als auch im Informationsbereich, machte er geltend.

Warum die SPÖ trotzdem gegen die Gesetzesvorlage stimmte, begründete Schennach unter anderem mit der fehlenden sozialen Staffelung der ORF-Gebühr und einer fehlenden Gremienreform. Seiner Meinung nach wäre es notwendig, die Zivilgesellschaft verstärkt in den Gremien zu berücksichtigen. Zudem kritisierte er die "Zerstörung" der "blauen Seite" und plädierte dafür, Kettenverträge beim ORF zu beenden und das Radiosymphonieorchester über das Jahr 2026 hinaus abzusichern.

Auch der Wiener NEOS-Abgeordnete Karl-Arthur Arlamovsky bedauerte, dass mit dem vorliegenden Gesetz die Gremienstruktur beim ORF "einzementiert" werde. Auch sonst würden keine Schritte zur Entpolitisierung des ORF unternommen, beklagte er. Die Politik werde weiterhin die Möglichkeit haben, sich über den Stiftungsrat in den ORF einzumischen. Ebenso ist ihm die Einbindung der Landeshauptleute in die Bestellung von ORF-Landesdirektor:innen ein Dorn im Auge. Arlamovsky sprach sich überdies dafür aus, die gemeinsame Einhebung von Landesabgaben mit dem ORF-Beitrag zu unterbinden.

ÖVP und Grüne heben Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor

Seitens der ÖVP hob die niederösterreichische Bundesrätin Sandra Böhmwalder hervor, dass es für alle Menschen, "die bisher brav die Gebühr gezahlt haben", billiger werde. Gleiches gelte für Personen mit Zweitwohnsitz. Gleichzeitig werde der ORF mehr Programm zur Verfügung stellen. Für Böhmwalder ist außerdem klar, dass der ORF für Qualitätsjournalismus steht. Überdies sorge die Novelle dafür dass der Wettbewerb gegenüber privaten Medienhäusern nicht unfair werde. Ihr Fraktionskollege Matthias Zauner wies ergänzend darauf hin, dass der ORF ein erheblicher Wirtschaftsfaktor sei. Allerdings sei auch die ÖVP "nicht immer mit allem happy", was vom ORF geboten werde.

Marco Schreuder (Grüne/W) warf der FPÖ vor, darauf hinzuarbeiten, dass der ORF nur noch die Meinung der FPÖ verbreite. Einer solchen Medienpolitik würden sich die Grünen mit aller Kraft entgegensetzen, betonte er. Bedauern äußerte Schreuder über die Ablehnung des Pakets durch die SPÖ: Seiner Meinung nach wäre es wichtig gewesen, ein gemeinsames Zeichen zu setzen und die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu unterstreichen. Gerade in Zeiten wie diesen sei unabhängiger Journalismus und ein Sender, der sich nicht am Markt ausrichten müsse, wichtig. Der ORF sei auch ein wichtiger Motor für die österreichische Kulturlandschaft, etwa als Co-Produzent von Filmen, unterstrich Schreuder.

Medienministerin Susanne Raab wies neuerlich darauf hin, dass die Regierung vom Verfassungsgerichtshof den Auftrag bekommen habe, die "Streaminglücke" zu schließen. Mit dem neuen ORF-Beitrag habe man ein Modell gewählt, das für 3,2 Mio. Menschen günstiger sein werde als das bisherige. Gleichzeitig werde der ORF zu Sparsamkeit und zu Transparenz verpflichtet. Die sozialen Befreiungen würden so bleiben wie sie sind, versicherte Raab, auch über das Jahr 2026 hinaus. (Fortsetzung Bundesrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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