Parlamentskorrespondenz Nr. 890 vom 30.08.2023

Sondersitzung: SPÖ drängt im Nationalrat auf umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz

Bundeskanzler Nehammer kündigt Maßnahmenpaket der Koalition samt Mietpreisdeckel an

Wien (PK) - Trotz eines der SPÖ zufolge evidenten Marktversagens an immer mehr Stellen und der höchsten Inflation in Westeuropa weigere sich die österreichische Bundesregierung, dieser Situation mit Markteingriffen zu begegnen. Stattdessen halte sie an ihrer gescheiterten Politik der Einmalzahlungen fest, kritisieren die Sozialdemokrat:innen. Sie drängten in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats, die sie gemeinsam mit der FPÖ initiiert hatten, mit einem Dringlichen Antrag auf ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz.

Es brauche umgehend ein Einfrieren aller Mieten bis Ende 2025 und danach eine Begrenzung des Mietanstiegs mit maximal zwei Prozent pro Jahr, so die SPÖ. Ein sofortiges temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs zählt ebenso zu den von ihr geforderten Sofortmaßnahmen wie das Einsetzen einer Anti-Teuerungskommission und eine Regulierung des Energiemarkts, um Übergewinne der Energiekonzerne hintanzuhalten. Zudem brauche es ein Zinsregulierungsgesetz für einen Mindestzinssatz für Spareinlagen und einen Höchstzinssatz für Wohn- und Überziehungskredite. Auch auf die Einführung einer befristeten zielgerichteten Übergewinnbesteuerung für all jene Konzerne, die sich aufgrund der aktuellen Teuerung zu Lasten der Menschen in Österreich bereichern würden, pocht die SPÖ.

Bundeskanzler Karl Nehammer kündigte demgegenüber ein Maßnahmenpaket der Koalition gegen die Teuerung an. Unter anderem soll ein Mietpreisdeckel etwa im Bereich der gemeinnützigen Wohnungen einem dort bevorstehenden dramatischen Anstieg der Mietpreiskosten von 15 Prozent entgegenwirken. Außerdem soll die Übergewinnsteuer im Energiebereich nochmalig erhöht werden. Mit einem "Gebührenstopp" soll es unter anderem zu einer Entlastung für Pendler:innen kommen, indem kommendes Jahr weder die Preise für das Klimaticket noch für die Mautvignette erhöht werden sollen. Den Gemeinden sollen 150 Mio. € zur Verfügung gestellt werden, damit entstehende Mehrkosten nicht an die Bürger:innen weitergegeben werden, so Nehammer.

Krainer zu Maßnahmen der Bundesregierung: "Danke für gar nichts"

Eine "vernichtende Bilanz" zeige die Regierungsarbeit von ÖVP und Grünen bei der Teuerung, meinte SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Seit nunmehr fast zwei Jahren würden seitens der SPÖ Vorschläge auf dem Tisch liegen, um die Inflation zu bekämpfen. Die Bundesregierung habe nichts dagegen getan, dass die Preise in Österreich steigen. Krainer wies etwa auf SPÖ-Forderungen zu Energiekosten und zu Übergewinnen der Konzerne sowie zu Lebensmittelpreisen, Banken und Mieten hin. "Danke für gar nichts", bekräftigte er seine Kritik an der diesbezüglichen Untätigkeit der Bundesregierung aus seiner Sicht.

Was heute seitens der Koalition angekündigt werde, sei "kein Mietpreisdeckel, sondern ein Schmähdeckel", so Krainer. Haushalte mit freien Mietverträgen würden, soweit bekannt, "nichts davon haben". Für die anderen Haushalte sei unklar, ob die Deckelung etwas bringe - weil man davon ausgehe, dass die Inflation nächstes Jahr zumindest nicht wesentlich mehr betragen werde als die angekündigte Deckelung der Mieterhöhung von fünf Prozent.

Eine andauernde von der SPÖ geforderte befristete Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel sei "x-fach" abgelehnt worden, obwohl die Lebensmittelpreise "durch die Decke gehen", ließ Krainer wissen. Auch hinsichtlich der Rekordgewinne der Banken müsse Schluss sein mit "Zuschauen und Showpolitik". Mehr als ein Drittel der Menschen in Österreich habe aufgrund der Teuerung massive Geldprobleme. Darüber hinaus verliere aber auch die Wirtschaft durch die Inflation an Wettbewerbsfähigkeit. Als "besonders perfide" bezeichnete es Krainer, dass die ÖVP daran arbeite, in den Lohnverhandlungen "gerechte Lohnerhöhungen" zu verhindern. Die SPÖ stehe zu 100 % hinter den Gewerkschaften, es könne nicht sein, dass die Menschen um einen gerechten Lohn gebracht werden.

Nehammer: In Zeiten der Krise das Einende suchen

Eine "dunkle Welt" darzustellen sei zwar das Recht der Opposition, löse aber keine Herausforderungen, meinte dazu Bundeskanzler Karl Nehammer. In Zeiten der Krise gelte es, nicht das Trennende, sondern das Einende zu suchen. Es gebe die Möglichkeit, jetzt den Vorschlag der Koalition gemeinsam umzusetzen, damit die notwendigen Maßnahmen rasch greifen. Dabei gehe es unter anderem um einen Mietpreisdeckel, damit im geförderten Wohnbau von den Bewohner:innen nicht eine drohende Erhöhung von 15 Prozent zu tragen sei. Zudem werde mit den Maßnahmen nochmalig die Übergewinnsteuer erhöht und die Pendler:innen entlastet sowie ein "Gebührenstopp" eingeführt. Was andere Länder betrifft, die als Beispiele genannt würden, wies Nehammer darauf hin, dass etwa die eingeführten "Deckel" in Ungarn zu einer Mangelversorgung beim Treibstoff und bei Lebensmitteln geführt hätten. Spanien wiederum habe zwar eine niedrige Inflation, aber eine Rekordarbeitslosigkeit unter Jugendlichen und Erwachsenen sowie eine dramatisch schwindende Kaufkraft der Haushalte.

Der Bundeskanzler betonte, dass man in Österreich heuer ein bisher herausragendes Jahr im Tourismus erlebe, der für den Standort eine besondere Rolle habe. Die Inflation sei zwar noch immer hoch, werde aber ab September weiter sinken. Zudem seien in Österreich 2022 weniger Menschen von Armut betroffen gewesen als etwa im Jahr 2017. Auch die Arbeitslosenrate sei die niedrigste seit zehn Jahren. Vielmehr gelte es aufzupassen, dass nicht durch Personalmangel das Wirtschaftswachstum gedämpft werde.

Natürlich belaste die Teuerung die Menschen, so Nehammer. Die Bundesregierung habe sich dafür entschieden, die Kaufkraft zu erhalten und gegen die Teuerung bis 2026 40 Mrd. € in die Hand zu nehmen. Das stelle alles andere als Untätigkeit dar. Für die Gehaltsverhandlungen halte er die von Krainer angesprochene Sozialpartnerschaft als das beste Modell mit qualitativen und sachlichen Verhandlungen. Überforderungen von Branchen seien aber ebenso wenig im Interesse der Sozialpartnerschaft, sondern es gehe um ein Zusammenwirken, so der Bundeskanzler. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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