Parlamentskorrespondenz Nr. 1412 vom 15.12.2023

Nationalrat verabschiedet zweiten Teil des Startup-Pakets

FlexKapG als neue Rechtsform für Unternehmen, Mindeststammkapital für GmbHs wird auf 10.000 € herabgesetzt

Wien (PK) – Schon gestern hat der Nationalrat mit dem "Start-Up-Förderungsgesetz" abgabenrechtliche Begünstigungen für Mitarbeiterbeteiligungen an Unternehmen beschlossen. Heute folgte der zweite Teil des Startup-Pakets. Mit der Flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKapG) wird eine neue Rechtsform für Unternehmen geschaffen, die den spezifischen Bedürfnissen von Start-ups und Gründerinnen Rechnung tragen will. Außerdem wird das Mindeststammkapital für GmbHs auf 10.000 € herabgesetzt. Für das Gesetz stimmten 83 Abgeordnete – bei 65 Nein-Stimmen –, die Opposition zeigte sich wie schon im Justizausschuss skeptisch.

Ebenfalls grünes Licht gab der Nationalrat für das " Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023". Geschäftsführer:innen und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften, die wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte wie Untreue, organisierte Schwarzarbeit oder Betrug zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden, werden demnach künftig für drei Jahre von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen. Dieses Vorhaben, mit dem Österreich eine EU-Vorgabe umsetzt, erhielt die Zustimmung von ÖVP, Grünen und NEOS.

In der Minderheit blieb ein Entschließungsantrag der NEOS. Er zielte unter anderem darauf ab, Unternehmensgründungen ohne Notariatsaktpflicht und in englischer Sprache zu ermöglichen und Mitarbeiter:innenbeteiligungen zu vereinfachen.

SPÖ und FPÖ kritisieren Wegfall der Notariatspflicht

Die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG), die sich auch Flexible Company (FlexCo) nennen wird dürfen, ist an die Rechtsform einer GmbH angelehnt, allerdings werden auch einige Bestimmungen – in adaptierter Form – aus dem Aktienrecht übernommen. So können etwa Mitarbeiter:innen durch die Ausgabe von "Unternehmenswert-Anteilen" am erwarteten Unternehmenserfolg beteiligt werden können, wobei damit keine Stimmrechte verbunden sind und das Ausmaß derartiger Anteile 24,99 % des Stammkapitals nicht überschreiten darf. Ebenso wird die Übertragung von Unternehmensanteilen durch einen Wegfall der Notariatspflicht erleichtert. Darüber hinaus sieht das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 vor, das Mindeststammkapital für GmbHs von 35.000 € auf 10.000 € abzusenken.

Kritik am Wegfall der Notariatspflicht übten sowohl SPÖ als auch FPÖ. Zugunsten von mehr Flexibilität werde auf Sicherheit und Transparenz verzichtet, bemängelten etwa die beiden SPÖ-Abgeordneten Selma Yildirim und Ruth Becher. Für Becher ist das – gerade vor dem Hintergrund der Signa-Pleite – "ein falsches Signal zu einer falschen Zeit". Yildirim befürchtet außerdem eine steigende Gefahr von Geldwäsche, zumal künftig auch ausländische Anwält:innen, etwa aus Zypern oder Liechtenstein, Anwaltsurkunden aufsetzen können sollen.

Ähnlich argumentierte FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan. Es werde ohne Not eine neue Form von Urkunden eingeführt, meinte er. Die bisherige Übertragung von Geschäftsanteilen in Form eines Notariatsakts habe auch den anderen Gesellschafter:innen Sicherheit geboten. Künftig könnten nun auch zypriotische, maltesische oder rumänische Anwält:innen Einträge im Firmenbuch vornehmen.

Auch sonst kann Stefan keinen Mehrwert von Flexiblen Kapitalgesellschaften erkennen. Das Gründen werde dadurch nicht leichter, und für die steuerliche Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen hätte man keine eigene Gesellschaftsform einführen müssen, meinte er. Stefan rechnet außerdem damit, dass viele schon bestehende GmbHs ihr Stammkapital herabsetzen werden, was Steuerausfälle von rund 80 Mio. € bewirken werde.

Diskussion um weibliche Sprachform

Als "eigenartiges Experiment" wertete der FPÖ-Abgeordnete darüber hinaus den Umstand, dass das Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz als erstes Gesetz überhaupt für natürliche Personen ausschließlich die weibliche Form verwendet. So ist durchgängig etwa von Gründerinnen, Mitarbeiterinnen oder Gesellschafterinnenbeschlüssen die Rede, wobei in einem eigenen Passus ausdrücklich festgehalten wird, dass sich diese Bezeichnungen auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen. Gesetze seien nicht dazu da, Experimente zu machen, sagte Stefan, zumal sich Gender-Kennzeichnungen ständig änderten und dabei verwendete Zeichen wie Sternchen oder Doppelpunkte nicht barrierefrei seien.

Ausdrücklich begrüßt wurde die weibliche Formulierung des Gesetzes hingegen von SPÖ-Abgeordneter Selma Yildirim und NEOS-Abgeordneter Henrike Brandstötter, wobei Brandstötter bedauerte, dass man einen solchen Schritt gerade bei einem "so unambitionierten Gesetz" setze. Ihrer Meinung nach ist das Paket vor dem Hintergrund der Bedürfnisse und Wünsche von Startups mehr als enttäuschend. Es brauche mehr Möglichkeiten, Unternehmen digital und ohne Notariatsakt zu gründen, mahnte sie. Auch englischsprachige Gründungsurkunden sollten möglich sein. Außerdem drängte Brandstötter darauf, die Rahmenbedingungen für Risikokapital zu verbessern und die Rot-Weiß-Rot-Karte so zu reformieren, dass sie innerhalb einer Woche ausgestellt werden kann.

Seitens der ÖVP betonten Bettina Zopf und Christian Stocker, dass es ihrer Partei nicht um die Form, sondern um den Inhalt gehe. Die ÖVP nehme die Art der Formulierung "in Kauf", da das Ziel des Gesetzes, Unternehmensgründungen zu vereinfachen und Mitarbeiterbeteiligungen zu erleichtern erreicht werde, erklärte Zopf. Künftig brauche man 25.000 € weniger für die Gründung eines Unternehmens, Mitarbeiterbeteiligungen seien schon ab einem Euro möglich. Abgeordneter Stocker ist überzeugt, dass die Herabsetzung des Stammkapitals sowie der Abbau von Bürokratie und Formalismen den Wirtschaftsstandort Österreich stärken werde.

Grünen-Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze hielt fest, dass sich die Gesellschaftsform der GmbH sehr bewährt habe. Man müsse aber auf aktuelle Entwicklungen reagieren. So sei es etwa in anderen Ländern leichter, Mitarbeiter:innen am Erfolg eines Unternehmens zu beteiligen. Götze zufolge hat sich eine Arbeitsgruppe mehr als drei Jahre lang intensiv mit der Materie auseinandergesetzt. Mit der Senkung des Stammkapitals für GmbHs liege Österreich ihr zufolge nunmehr im internationalen Schnitt.

Zadić: Gesetz ist bewusst in rein weiblicher Form geschrieben

Justizministerin Alma Zadić gab zu bedenken, dass Mitarbeiterinnenbeteiligungen bisher ein wenig im rechtsfreien Raum gestanden seien. Sie hält es aber für wichtig, dass Startups auch in Österreich gegründet werden. Gleichzeitig hob sie hervor, dass das strenge Erfordernis eines Notariatsakts nur bei Anteilsübertragungen gelockert werde.

Zur Kritik der FPÖ an der Verwendung der weiblichen Sprachform merkte Zadić an, das Gesetz sei bewusst in rein weiblicher Form geschrieben, es werde nicht gegendert. Man wolle damit zum einen Ungleichbehandlung aufzeigen, schließlich seien in dieser Gesetzgebungsperiode schon mehrere Gesetze in rein männlicher Form verabschiedet worden. Zum anderen gelte es, Geschäftsführerinnen und Gründerinnen sichtbarer zu machen, es gebe ja auch viele Frauen in der Wirtschaft.

Das Ergebnis der Abstimmung musste übrigens nachträglich korrigiert werden: Im ersten Anlauf gab Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures nur 73 Ja-Stimmen (statt 83) bekannt.

"Disqualifikation" verurteilter Geschäftsführer:innen

Was die vorübergehende "Disqualifikation" verurteilter Geschäftsführer:innen betrifft, begrüßten Elisabeth Götze (Grüne) und Johanna Jachs (ÖVP) den Gesetzentwurf. Die Umsetzung der EU-Richtlinie sei absolut notwendig und dringlich, sagte Götze. Jachs betonte, dass man ungeeigneten Personen den Zugang zur Geschäftsführung verwehren müsse. Die Bedenken der Opposition teile sie nicht, meinte sie.

Seitens der SPÖ begrüßte Muna Duzdar zwar die EU-Vorgaben, sie kritisierte aber die aus ihrer Sicht "lasche" Umsetzung der EU-Richtlinie. Anders als in Deutschland, wo "disqualifizierte" Geschäftsführer:innen mit einer Verurteilung ex lege abberufen würden, könnten diese in Österreich – je nach Verfahrensdauer – noch monatelang im Firmenbuch eingetragen bleiben und damit tätig sein.

In die gegenteilige Stoßrichtung ging die Kritik der FPÖ. Er verstehe nicht, dass die Vorgaben der EU "einfach durchgewunken werden", sagte Abgeordneter Philipp Schrangl. Damit könnten künftig andere EU-Länder entscheiden, wer in Österreich als Geschäftsführer bzw. als Geschäftsführerin eingetragen werden dürfe, zumal die betroffenen Straftatbestände im Gesetz nicht abschließend geregelt seien. Sogar eine Verurteilung wegen Homosexualität könnte seiner Meinung nach zu einer Abberufung führen. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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