Parlamentskorrespondenz Nr. 1435 vom 20.12.2023

Verschärfte Bestimmungen im Verbotsgesetz zu Verharmlosung des Holocaust

Zustimmung des Bundesrats auch zu neuer Unternehmensform und zu Sperren für verurteilte Geschäftsführer:innen und Vorstände

Wien (PK) - Mit breiter Mehrheit haben die Mandatar:innen des Bundesrats die Reform des Verbotsgesetzes gebilligt. Somit können künftig auch Österreicher:innen, die vom Ausland aus NS-Propaganda im Internet verbreiten, zur Verantwortung gezogen werden. Massive Einwände gegen die Novelle erhob nur die FPÖ.

Die neue Unternehmensform "flexible Kapitalgesellschaft" (FlexKapG) soll den spezifischen Bedürfnissen von Start-ups und Gründerinnen Rechnung tragen. Zu diesem Zweck wurden Änderungen des Gesellschaftsrechts initiiert, die heute den Bundesrat mehrheitlich passierten.

Ebenfalls grünes Licht gab der Bundesrat für das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023. Damit wird es möglich, wegen schwerwiegender Wirtschaftsdelikten verurteilte Geschäftsführer:innen und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften für drei Jahre von diesen Tätigkeiten auszuschließen.

Verbotsgesetz soll bei geringfügigeren Delikten leichter zu handhaben sein

Die neuen Bestimmungen im Verbotsgesetz betreffen nicht nur NS-Propaganda im Internet. Strafbar wird auch jegliches, und nicht mehr wie früher nur "gröbliches", Verharmlosen des Holocaust. Auch das Einziehen von NS-Devotionalien wird erleichtert. Für Beamt:innen und Vertragsbedienstete bedeutet eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz künftig den sofortigen Amtsverlust. Gegen das Gesetz sprach sich auch im Bundesrat die FPÖ aus. Den Freiheitlichen gehen die neuen Bestimmungen in einigen Punkten zu weit.

Neu ist auch die Herabsetzung des Strafrahmens für "Grunddelikte" auf sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe, um auch Delikte im niederschwelligen Bereich, zu erfassen und eine Diversion zu ermöglicht. Für diesen Zweck wird es spezielle Sensibilisierungsprogramme mit Kostenbeteiligung der Beschuldigten geben. Der Strafrahmen für die Verwendung bzw. Verbreitung von in Österreich verbotenen Symbolen wird hingegen auf 10.000 € bzw. 20.000 € im Wiederholungsfall hinaufgesetzt. Das gilt nicht nur für nationalsozialistische Symbole, sondern etwa auch für jene der Hamas, der Grauen Wölfe, der Identitären und der PKK. Kurzfristig hat der Nationalrat auf Basis eines Abänderungsantrags der Koalitionsparteien außerdem beschlossen, die "gehässige" tätliche Herabwürdigung einer Fahne oder eines Hoheitszeichens unter Strafe zu stellen.

Der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat Arthur Spanring erinnerte an den Zweck des Verbotsgesetzes und betonte, dass seine Fraktion selbstverständlich die nationalsozialistische Ideologie, jede Form der Wiederbetätigung und verharmlosenden Aussage zum NS-Regime ablehne, ebenso wie Judenhass, Rassismus und Krieg. Obwohl diese Haltung eine Selbstverständlichkeit sei, würden andere Parteien immer wieder die Freiheitlichen unbegründet mit extremistischen Haltungen in Verbindung bringen. Die Änderung des Verbotsgesetzes lehne die FPÖ unter anderem deshalb ab, weil sie ihren Zweck nicht erfülle. Bedrohungen für die jüdische Bevölkerung würden heute in erster Linie vom Islamismus ausgehen. Die Novelle reagiere nicht auf diese Bedrohung, sondern auf einen vorgeblichen Antisemitismus, der bei den Demonstrationen gegen das Corona-Regime in Österreich aufgetreten sein soll. Er selbst habe dort keinerlei NS-Verherrlichung festgestellt. Die Demonstrationen hätten sich vielmehr gegen "totalitäre Tendenzen" und Zwangsmaßnahmen der COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung gerichtet. Die Gesetzesnovelle enthalte auch einige verfassungsrechtlich bedenkliche Regelungen. Das betreffe auch die Regelung zu NS-Devotionalien, da hier eine Beweislastumkehr erfolge. Das sei auch von Seiten der Justiz scharf kritisiert worden.

Eine von Spanring in Richtung von Bundesrat Adi Gross (Grüne/V) getätigte Aussage, in der er auf dessen Vornamen Bezug nahm und meinte, "Herr Gross, Sie werden auch nicht umsonst Adi heißen, wer hat Sie denn so getauft, denken Sie einmal darüber nach", wurde von den anderen Fraktionen als unangemessen kritisiert. Da er eine Entschuldigung verweigerte, erteilte Bundesratspräsidentin Claudia Arpa Bundesrat Spanring einen Ordnungsruf.

Der steirische FPÖ-Bundesrat Markus Leinfellner bekräftigte die Kritik seiner Fraktion an der Novelle. Sie erleichtere die Anzeige nach dem Verbotsgesetz auch in Fällen, in denen keinerlei NS-Verharmlosung vorliege. Die Novelle schaffe tatsächlich die Voraussetzungen, um Proteste gegen Maßnahmen der Bundesregierung zu kriminalisieren, das sei das bedenkliche und "die wahre NS-Verharmlosung".

Der Wiener Bundesrat der Grünen Marcus Schreuder sagte, die Ablehnung der Regelung zu NS-Devotionalien sei gut begründet. Es gehe darum, zu verhindern, dass über das Internet ein Handel mit solchen Objekten erfolgen könne. Daher habe er kein Verständnis dafür, dass die FPÖ diese Regelung ablehne. Seine Fraktion stelle sich klar gegen Antisemitismus, von welcher Seite er immer komme, von muslimischer Seite, von linken oder rechten Gruppierungen, sagte Schreuder in Reaktion auf Äußerungen von Bundesrat Spanring, der den Grünen vorgeworfen hatte, "auf einem Auge blind" zu sein. Das Gesetz sei unter breiter Einbeziehung der Zivilgesellschaft erarbeitet worden. Richtig sei aus seiner Sicht auch, dass eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz für öffentlich Bedienstete einen Amts- bzw. Funktionsverlust bedeute. "Erschütternd" sei für ihn, dass der Beschluss nicht einstimmig fallen werde.

Mit dem Gesetz reagiere man insbesondere auf die Entwicklungen im Internet, wo der Handel mit NS-Devotionalien heute in erster Linie stattfinde, und wo Hass und Hetze verbreitet würden, stellte Barbara Prügl (ÖVP/O) fest. Die Zunahme judenfeindlicher und antisemitischer Äußerungen sei eine Tatsache. Dagegen trete die Bundesregierung klar auf. Die Identifikationssymbole extremistischer Organisationen würden daher verboten, denn Symbole würden klare Botschaften aussenden. Das Gesetz differenziere deutlicher als bisher bei der Schwere der Delikte und ziele damit vor allem auf Jugendliche ab. Bei einfacheren Delikten, wie Schmierereien, solle damit eine Diversion möglich werden und eine Sensibilisierung erfolgen. Damit wolle man einer weiteren Radikalisierung entgegenwirken.

Stefan Schennach (SPÖ/W) erinnerte daran, dass das Verbotsgesetz bereits einen Monat nach Ende des schrecklichen Zweiten Weltkriegs entstanden sei. Die Ausarbeitung der Novellierung sei in vorbildlicher Weise erfolgt, zeigte sich Schennach zufrieden. Die neuen Regelungen würden vor allem auf Fälle reagieren, in denen Personen "ganze Keller voll" an NS-Devotionalien gehortet hätten, ohne dass ihnen diese bislang entzogen werden konnte. Eine gesetzliche Handhabe werde nun auch dafür geschaffen, wenn Österreicher:innen im Ausland sich im Sinne der Leugnung oder Verherrlichung der NS-Verbrechen und des Holocaust betätigen. Die Regelung, ab welchem Personenkreis eine Holocaust-Leugnung einen Tatbestand nach dem Verbotsgesetz darstelle, hätte seiner Meinung nach durchaus noch enger gefasst werden können. Auch die Präventionsmaßnahmen für Jugendliche sollten ausgeweitet werden.

Zadić: Aktualisierung des Verbotsgesetzes war überfällig

Justizministerin Alma Zadić betonte, nach dreißig Jahren sei eine Aktualisierung des Verbotsgesetzes überfällig. Als die Novellierung begonnen wurde, habe man nicht damit gerechnet, dass das Thema Antisemitismus so sehr zum Thema werden würde. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel habe der Antisemitismus und die Verherrlichung von Gewalt und Terrorismus in erschreckendem Maße zugenommen. Das Verbotsgesetz müsse darauf reagieren. Eine wesentliche Änderung sei, dass auch im Ausland getätigte Handlungen und Äußerungen von Österreicher:innen strafbar werden. Richtig sei auch, zwischen einem Grunddelikt und Delikten mit höherer Gefährlichkeit, die mit einer höheren Strafe bedroht seien, zu unterscheiden. Sie halte auch die Möglichkeit der Diversion, die sich vor allem an Jugendliche richte, für sehr wichtig. Zu diesem Zwecke arbeite ihr Ressort bereits an Programmen, mit denen man Täter:innen mit noch wenig verfestigter Ideologie erreichen wolle. Die Leugnung des Holocaust sei auch dann, wenn sie noch nicht vom Verbotsgesetz erfasst sei, auf jeden Fall strafbar, und zwar nach dem Verwaltungsstrafrecht. Eine besonders wichtige Änderung ist es laut der Justizministerin, dass Personen, die nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurden, aus dem Staatsdienst entfernt werden können.

Neue Rechtsform und Vorgaben für Unternehmen

Mit der Flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKapG) wird eine neue Rechtsform für Unternehmen geschaffen, die den spezifischen Bedürfnissen von Start-ups und Gründerinnen Rechnung tragen will. Außerdem wird das Mindeststammkapital für GmbHs auf 10.000 € herabgesetzt. Ermöglicht werden diese Neuerungen über das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023, das auch im Bundesrat die Unterstützung von ÖVP und Grünen erhielt. Die Opposition zeigte sich hingegen, wie schon im Justizausschuss und im Nationalratsplenum, skeptisch über die Sinnhaftigkeit der neuen Unternehmensform.

Ebenfalls grünes Licht gab der Bundesrat für das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023. Geschäftsführer:innen und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften, die wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte wie Untreue, organisierte Schwarzarbeit oder Betrug zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurden, werden demnach künftig für drei Jahre von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen. Gegen das Gesetz, mit dem Österreich eine EU-Vorgabe umsetzt, erhob der Bundesrat mehrheitlich keinen Einspruch. (Fortsetzung Bundesrat) sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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