Parlamentskorrespondenz Nr. 230 vom 08.03.2024

Jahresbericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission 2022: Personalengpässe als größte Herausforderung

Verteidigungsressort nimmt Stellung zu Prüfbesuchen, Beschwerden und Prüfverfahren

Wien (PK) – 182 Beschwerdeverfahren leitete die Parlamentarische Bundesheerkommission (PBHK) im Jahr 2022 ein, was eine signifikante Reduktion des Beschwerdeaufkommens gegenüber dem Vorjahr mit 295 Verfahren bedeutet. Dies geht aus dem Jahresbericht 2022 der PBHK hervor, zu dem das BMLV eine Stellungnahme vorgelegt hat (III-1042 d.B.). Die Beschwerdegründe bezogen sich laut Bericht im Wesentlichen auf Angelegenheiten des Ausbildungs- und Dienstbetriebes, Personalangelegenheiten sowie auf Ausrüstungsmängel.

Anlässlich konkreter Vorfälle wird im Jahresbericht näher auf die Themen Suizid- und Extremismusprävention im Bundesheer eingegangen. Der Personalmangel stellte sich bei den Prüfbesuchen der PBHK als vorrangigste Herausforderung für eine funktionierende Landesverteidigung dar. Zurückgeführt werden Probleme bei der Personalgewinnung insbesondere auf die intensive Heranziehung der Rekruten zu nicht-militärischen Assistenzeinsätzen.

Beschwerdemanagement des BMLV

Die im Zuge von Beschwerden artikulierten Probleme werden laut BMLV regelmäßig im Rahmen des ressortinternen Beschwerdemanagements überprüft und erforderlichenfalls einer Lösung zugeführt. Dies ermögliche auch die Identifizierung von Systemmängeln und deren Behebung. Der PBHK-Bericht nennt als Beispiele für die behandelten Beschwerdefälle die Verwendung unangebrachte Ausdrucksweisen im Dienst, Defizite bei der Unterbringung und Infrastruktur, organisatorische Mängel und die nicht einsichtige Gestaltung dienstlicher Maßnahmen. Das BMLV nennt etwa die Belehrung von Beschwerdebezogenen oder die Sanierung mangelhafter Infrastruktur als eingeleitete Lösungsmaßnahmen.

Amtswegige Prüfverfahren: Suizid- und Extremismusprävention im Fokus

Im Bereich der amtswegigen Prüfverfahren wird der Fall eines Rekruten angeführt, der während eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes Suizid begangen hatte. Das BMLV nennt "vielschichtige Bemühungen" des Ressorts bei der Ergreifung von  Suizidpräventionsmaßnahmen und verweist in seiner Stellungahme auf den Suizidbericht 2022 des Heerespsychologischen Dienstes (HPD), in dem auf diese Bemühungen eingegangen wird. Auch das Präsidiums der PBHK geht in seinem Vorwort zum Bericht auf die Thematik ein und konstatiert angesichts einer steigenden Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung sowie unter den Stellungspflichtigen einen dringenden personellen Handlungsbedarf beim HPD.

Angeführt wir auch ein Fall im Rahmen des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes Migration, bei der es zu einer Schussabgabe durch einen Schlepper auf Soldaten kam. Dabei wurde niemand getroffen oder verletzt. Laut BMLV sind darauf unverzüglich Maßnahmen zur Erhöhung des Truppenschutzes angeordnet sowie Anpassungen in der Einsatztaktik umgesetzt worden, samt baulicher Maßnahmen an Grenzübergangstellen.

Weiters wurde ein Video auf der Social-Media-Plattform TikTok gefunden, auf welchem zu sehen ist, dass drei Rekruten grinsend den "Wolfsgruß" in die Handykamera eines Kameraden halten. Das Abwehramt und das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist über diesen Vorfall informiert und die vier beteiligten Rekruten wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz angezeigt worden. Außerdem verhängte der Kompaniekommandant eine Disziplinarstrafe. Vom LVT, welches mit den Rekruten eine Gefährderansprache durchführte, konnten letztendlich keine Hinweise auf extremistische Tendenzen festgestellt werden.

Seitens des Abwehramts bestünden umfassende Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen betreffend Extremismus und Radikalisierungstendenzen, heißt es dazu im PBHK-Bericht. Neben laufenden Vorträgen wurden Indikatorenkataloge zu allen relevanten des Extremismus für entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen ausgegeben mit dem Ziel Radikalisierungstendenzen möglichst früh zu erkennen. Bei Vorliegen von Erkenntnissen über extremistische Aktivitäten oder der Mitgliedschaft bei als extremistisch eingestuften Gruppen werde durch entsprechenden Sperrvermerk sichergestellt, dass der Wehrpflichtige über den Grundwehrdienst hinaus zu keinem weiteren Dienst des Bundesheeres herangezogen wird.

Das BMLV hält dazu fest, dass zum Schutz des Ansehens des Bundesheeres und zur Sicherstellung des Vertrauens der Bevölkerung alle verantwortlichen Kommandanten und Leiter sicherzustellen haben, dass sämtliche disziplinar- und strafrechtlich relevanten Vorfälle, insbesondere im Bereich des politisch und religiös motivierten Extremismus, verfolgt werden.

Prüfbesuche der PBHK: Personalgewinnung größte Herausforderung

Zum Aufgabenbereich der PBHK zählt auch die Durchführung von Prüfbesuchen. Solche wurden beim Panzerbataillon 14 in Wels, bei der Kaderanwärterausbildung 1 in Gratkorn, bei den Soldatinnen und Soldaten von AUTCON EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina und beim Jägerbataillon 24 in Lienz durchgeführt. Neben gewissen Mängeln unter anderem hinsichtlich der Infrastruktur, Unterbringung der Ausrüstung und dem militärischen Gerät – die laut BMLV großteils behoben bzw. in Behebung befindlich sind – "ist und bleibt die Personalgewinnung die größte Herausforderung", wie die PBHK feststellt.

So heißt es im Bericht etwa zum Prüfbesuch in Wels, dass durch die seit Jahren in hoher Intensität durchgeführten Assistenzeinsätze in "unmilitärischen" Bereichen (Migration, COVID-19, Bewachung von Botschaften etc.) einen Mangel an Identifikation der Rekruten mit den Aufgaben einer Panzertruppe bewirke. Die fehlende Attraktivität des Grundwehrdienstes erschwere die Rekrutierung von Nachwuchs aus dem Pool der grundwehrdienstleistenden Soldaten der Panzertruppe.

Auch zum Prüfbesuch beim Jägerbataillon 24 in Lienz resümiert die PBHK, dass bei absehbaren Pensionsabgängen oder Versetzungen die Nachbesetzung nicht rechtzeitig gelinge. Das hohe Ausmaß an Assistenzeinsätzen führe auch im Hochgebirgsverband zu keiner attraktiven Perspektive. Nur sehr wenige Grundwehrdiener könnten motiviert werden im Verband zu bleiben.

Das Fehlen von ausgebildetem Personal führe bei den vorhandenen Soldat:innen zu erheblichen Mehrbelastungen. Dies sei auch bei der AUTCON EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina mit einem Personalbefüllungsgrad von 78 % der Fall. Das BMLV hält dazu sein Bestreben fest, durch intensive Werbe- und Informationsmaßnahmen Personal für eine Entsendung zu motivieren. Unter anderem sei als finanzieller Anreiz die Möglichkeit geschaffen worden, für Personen, die aufgrund von nicht besetzten Funktionen mehr als die eigene Funktion ausüben, eine Belohnung zu beantragen.

Weiters befassten sich die PBHK und das BMLV unter anderem mit den dem Qualitätsmanagement für die Ausbildung, bei dem ein relativ hoher Grad an Zufriedenheit aller Personengruppen konstatiert wird, dem militärischen Gesundheitswesen, das in sämtlichen Bereichen personell, materiell und infrastrukturell einen "enormen Aufholbedarf" aufweise und der Miliz, deren Personalbedarf ebenfalls nur unzureichend gedeckt sei. (Schluss) wit