Parlamentskorrespondenz Nr. 325 vom 04.04.2024

Neu im Gesundheitsausschuss

Schularztsytem, Personalprobleme im Gesundheitswesen, Datentransparenz, Frauen- und Männergesundheit sowie Medikamentenengpässe

Wien (PK) – Ein breites Themenfeld decken die neu eingebrachten Entschließungsanträge der Opposition ab, die im Gesundheitsausschuss behandelt werden. Sie enthalten nicht nur Forderungen nach einem Ausbau der schulärztlichen und schulpsychologischen Versorgung, nach einer besseren Zugänglichkeit von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke, der Erstellung eines Aktionsplans für Frauengesundheit, der Veröffentlichung des zweiten Männergesundheitsberichts, sondern auch Lösungsvorschläge zur Behebung des Ärzt:innenmangels und des Personalnotstands in der Pflege. Weiters liegen Konzepte zur Umsetzung einer "echten Gesundheitsreform" sowie zur Verhinderung von Medikamentenengpässen vor.

SPÖ: Schulen als "Orte der Gesundheit" fördern

Um Schulen als "Orte der Gesundheit" zu fördern, brauche es ausreichend Schulärzt:innen. Ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen den Ärzt:innen und Schüler:innen könne jedoch nur aufgebaut werden, wenn routinemäßige Untersuchungen öfter als einmal im Jahr stattfinden, betont die SPÖ in einem Antrag. Nicht nur bei der Anzahl der Schulärzt:innen hinke Österreich hinterher, auch eine flächendeckende Aufstockung von psychosozialem Unterstützungspersonal an Schulen sei bisher nicht umgesetzt worden. Zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit fordern die Sozialdemokrat:innen daher ein Maßnahmenpaket. Dieses solle nicht nur den Ausbau der finanziellen und personellen Ausstattung des Schulärzt:innensystems sicherstellen, sondern auch ausreichend Ressourcen für Schulpsycholog:innen zur Verfügung stellen (3982/A(E)).

Weiters soll es den Auf- und Ausbau multiprofessioneller Teams durch eine bundesweite Finanzierung an allen Schulen gewährleisten. Zudem fordern die Sozialdemokrat:innen ein Konzept zur flächendeckenden Ausrollung der von der EU finanzierten "School-Nurses" sowie die "massive Aufstockung" und österreichweit faire Verteilung der Studienplätze für das Fach "Soziale Arbeit/Sozialpädagogik" sowie eine Schwerpunktsetzung im Fachbereich "Schulsozialarbeit". Ein gleichlautender Antrag wurde dem Unterrichtsausschuss zugewiesen (3981/A(E)).

NEOS: Faktenbasierte Gesundheitsdiskussionen

Gute Gesundheitspolitik basiere auf Fakten, sind die NEOS überzeugt (3887/A(E) ). Um Patientenwege evidenzbasiert nachzuverfolgen, Einsparungen entziffern zu können, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu evaluieren oder alleine schon die Anzahl von betroffenen Personen einer bestimmten Krankheit zu kennen, brauche es aber weitaus mehr Informationen über den Gesundheitszustand der österreichischen Bevölkerung als aktuell verfügbar seien, gibt Abgeordnete Fiona Fiedler (NEOS) zu bedenken. Anstelle klarer Informationen über die Auswirkungen von Krankheiten oder gesundheitspolitischer Maßnahmen begnüge man sich derzeit meist mit Hochrechnungen. Auch die Vertreter:innen der Registerforschung würden daher regelmäßig an die Politik appellieren, für eine bessere Zugänglichkeit zu den Daten zu sorgen.

Bislang eher unbeachtet in der Diskussion sei zudem der "Datenschatz" geblieben, der bei den Sozialversicherungsträgern liege und dank Medikamenten- und Leistungsinformationen verhältnismäßig ausführliche Rückschlüsse über einzelne Krankheitsbilder ermöglichen würde. Trotz der aufgrund der Verwaltungsautonomie bestehenden Einschränkungen sollte der zuständige Minister auf die Sozialversicherungsträger einwirken, um für mehr Datentransparenz zu sorgen, fordern die NEOS. Die Sozialversicherungsträger könnten nämlich per Verordnung gemäß Paragraph 38b des Forschungsorganisationsgesetzes die Einbindung ihrer Daten in das im Jahr 2021 eingerichtete Austrian Micro Data Center (AMDC) erlassen und sie somit für Forschungszwecke zugänglich machen.

SPÖ fordert nationalen Aktionsplan für Frauengesundheit

Um Fortschritte im Bereich der Frauengesundheit in Österreich zu erreichen, plädiert SPÖ-Mandatarin Eva Maria Holzleitner für die Vorlage eines "Nationalen Aktionsplans Frauengesundheit" (3912/A(E) ). Die Ergebnisse des Frauengesundheitsberichts würden klar belegen, dass die männerzentrierte Gesundheitspolitik und die geringeren finanziellen Möglichkeiten von Frauen eine direkte Auswirkung auf die Gesundheit von Frauen aller Altersgruppen habe, heißt es. So sei laut SPÖ für die künftige Analyse eine zielgruppengenaue Datengenerierung nötig. Außerdem brauche es  neue Schwerpunktsetzungen in Bezug auf frauen- und genderspezifische Gesundheitsförderung bzw. Prävention und Gesundheitsversorgung je nach Lebensphase und -lage.

Wesentliche Nachteile für die Frauengesundheit, die es laut Antragstellerin zu berücksichtigen gilt, seien etwa der Gender-Pay-Gap, Mehrfachbelastungen wie nicht bezahlte Care-Arbeit und bio-psycho-soziale Besonderheiten wie die reproduktive Phase oder Postmenopause sowie Altersarmut. Arme Frauen sollten gut verträgliche Verhütungsmittel über die Krankenkasse zur Verfügung gestellt bekommen. Außerdem sollten Schwangerschaftsabbrüche bei Bedarf flächendeckend und kostenfrei ermöglicht werden, so weitere Elemente der Initiative. Ein gleichlautender Antrag (3911/A(E) ) wurde dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen.

SPÖ schlägt konkrete Lösungen für Ärzt:innenmangel vor

Die Bundesregierung wird von der SPÖ aufgefordert, endlich geeignete Maßnahmen gegen den Ärzt:innenmangel im öffentlichen Gesundheitswesen einzuleiten. Dieser sei eklatant und werde sich, insbesondere aufgrund einer Pensionierungswelle, in den kommenden zehn Jahren weiter verschärfen, warnt Philip Kucher (SPÖ). Zudem würden mehr als 20 % der Absolvent:innen nach ihrem Medizinstudium in Österreich ins Ausland gehen.

Die SPÖ schlägt daher vor, bei der Vergabe von Studienplätzen jene Bewerber:innen zu bevorzugen, die sich freiwillig verpflichten, nach der Ausbildung für einige Jahre im öffentlichen Gesundheitswesen tätig zu sein. Laut eines Gutachtens des Verfassungs- und Medizinrechtsexperten Karl Stöger wäre dies auch rechtlich umsetzbar. Außerdem setzt sich die SPÖ erneut dafür ein, die Medizinstudienplätze zu verdoppeln und den Universitäten das dafür notwendige Budget zur Verfügung zu stellen (3919/A(E) ).

Maßnahmenpaket gegen Personalnotstand in der Pflege

Einen weiteren Handlungsbedarf sieht die SPÖ im Bereich der Pflege, wo aufgrund des Personalnotstands dringend gehandelt werden müsse. Bis zum Jahr 2050 sei in Österreich mit einem Anstieg auf 750.000 pflegebedürftige Menschen zu rechnen, gibt Philip Kucher zu bedenken. Das von ihm präsentierte Maßnahmenpaket umfasst unter anderem die Erhöhung des Ausbildungsangebots um mindestens 3.000 Plätze, die Übernahme der Fachhochschulstudienbeiträge durch den Bund, die Bezahlung eines Ausbildungsgehalts (inklusive Sozialversicherung) und des Klimatickets für alle Auszubildenden nach dem Vorbild der Polizeischüler:innen, die Gewährung einer Arbeitsplatzgarantie nach absolvierter Ausbildung, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen insbesondere durch Personalbedarfsplanung, Dienstplansicherheit, schrittweise Arbeitszeitreduktion, eine zusätzliche Urlaubswoche sowie durch die Ermöglichung des Zugangs zur Schwerarbeitspension (3921/A(E) ).

FPÖ legt erneut Maßnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen der Reform des Primärversorgungssystems vor

Die Freiheitlichen üben erneut Kritik an den vor einiger Zeit beschlossenen Gesetzesänderungen im Bereich des Primärversorgungssystems, da sie ihrer Meinung nach die Probleme noch weiter verschärfen würden. Es sei nämlich zu befürchten, dass nach Umsetzung der Reform insgesamt weniger Vertragsärzt:innen dem Gesundheitswesen zur Verfügung stehen werden, warnt FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak. Die Versorgung der Bevölkerung könne nur dann garantiert werden, wenn zumindest der Abgang in Richtung Alterspension und der Wechsel zu den Primärversorgungseinheiten (PVE) durch die Besetzung freiwerdender Kassenvertragsstellen kompensiert und zusätzliche Vertragsärzt:innen für Einzelpraxen, Gruppenpraxen und PVEs gewonnen werden.

Um dies zu erreichen schlagen die Freiheitlichen vor, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) verpflichtet wird, freie Kassenarztstellen binnen zwölf Monaten nachzubesetzen, wobei die ländlichen Regionen prioritär behandelt werden müssen. Außerdem sollte für zukünftige Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin die Möglichkeit geschaffen werden, eigenverantwortlich ein Primärversorgungszentrum zu gründen sowie alle anderen für diesen Standort notwendigen Mediziner:innen und Vertreter:innen anderer Gesundheitsberufe anzustellen. Wichtig wäre auch die Einbindung der Wahlärzt:innen in das kassenärztliche System mittels Vergabe von Halb- und Viertelverträgen, falls offene Stellen nicht anders besetzt werden können. Schließlich fordern die Freiheitlichen noch die sofortige Evaluierung und Überarbeitung der österreichischen Strukturpläne Gesundheit, vor allem was die Anzahl und Verteilung der Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich unter Berücksichtigung der geplanten Primärversorgungszentren betrifft (3926/A(E)).

Forderung nach Vorlage des zweiten österreichischen Männergesundheitsberichts

In einem weiteren Entschließungsantrag ersucht die FPÖ-Fraktion den Gesundheitsminister, den zweiten österreichischen Männergesundheitsbericht zu erarbeiten und dem Nationalrat zuzuleiten, zumal die Publikation des letzten bereits zwei Jahrzehnte zurückliege. Dieser sollte unter Berücksichtigung aktueller Daten mit Stand 2024 folgende Themenbereiche abdecken: Bevölkerungs- und Sozialstruktur, Gesundheitszustand, generelle Sterblichkeit, Sterblichkeit nach Altersgruppen, gesundheitliche Selbsteinschätzung, Einflussfaktoren, Arbeits- und Lebensumfeld und sonstige Problemlagen in diesem Zusammenhang. Außerdem brauche es nach Ansicht der FPÖ eine kurz-, mittel- und langfristige Planung zur Förderung der Männergesundheit, die medizinische, psychosoziale und pädagogische, gesundheitspolitische und spezifische Maßnahmen sowie mediale Begleitmaßnahmen umfassen müsste (3927/A(E) ).

FPÖ: "Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung"

Das österreichische Gesundheitswesen ist nach Einschätzung der FPÖ ein "Hauptopfer des Regierungsversagens", zumal alle aktuellen Reformversuche nur zu einer "Verschlimmbesserung" der Situation geführt hätten. Gerhard Kaniak (FPÖ) bringt daher erneut einen Entschließungsantrag ein, der umfassende Vorschläge enthält, wie das Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell langfristig abgesichert werden könnte.

Im Bereich Personal sollten in erster Linie die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und die strukturellen Probleme gelöst werden. Um eine ordentliche Personalplanung zu gewährleisten, müssten vor allem die Strukturpläne Gesundheit evaluiert werden. Im Fokus sollten zudem Entbürokratisierungsschritte sowie die Erweiterung der Kompetenzen in den jeweiligen Berufsfeldern stehen. Bezüglich der Arbeitszeiten im Gesundheitswesen brauche es mehr Planungssicherheit für die Beschäftigten mit verbesserter Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Der Pensionierungswelle könnte man kurzfristig durch Anreize zur Weiterbeschäftigung und einer temporären Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzt:innen entgegenwirken, schlägt Kaniak vor. Eine besondere rasche Verbesserung wäre durch eine Integration der Wahlärzt:innen in das öffentliche Gesundheitssystem mit einer Möglichkeit der "Doppeltätigkeit" als Wahl- und Kassenarzt erzielbar. Mittelfristig könnten bundesweit einheitliche Stipendien für Medizinstudent:innen eine Lösung sein, durch die sich junge Ärzt:innen zur Annahme einer Kassen- oder Spitalsstelle verpflichten. Die Medikationsentscheidung müsse weiterhin auf medizinischer und nicht auf ökonomischer Ebene getroffen werden, übt Kaniak Kritik am Bewertungsboard. Das Arzneimittel-Spannensystem sollte zu Gunsten der österreichischen Vertriebsebenen angepasst werden. Im Sinne einer langfristigen Reform müsste letztlich die "Finanzierung aus einer Hand" angestrebt, die wohnortnahe Versorgung ausgebaut und die Patientenströme durch Positiv-Anreize in die richtige Richtung gelenkt werden (3935/A(E)).

Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe

Seit der Pandemie sei sogar der Bundesregierung klar geworden, wie schlecht es um das heimische Gesundheitssystem bestellt sei, konstatiert FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak. Äußerst problematisch seien etwa die aktuellen Engpässe in der Medikamentenversorgung, für die es kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze brauche.

Die Freiheitlichen haben dazu ein Maßnahmenpaket ausgearbeitet, das unter anderem folgende Punkte enthält: Erleichterung der Abgabe- und Verrechnungsbestimmungen für Apotheken (z.B. durch Erweiterung des Notfallparagrafen in der Rezeptpflichtverordnung zum Erhalt eines anderen, gleichwertigen Präparats, durch Erweiterung der magistralen Rezeptur sowie die Sicherstellung der Kostenübernahme durch die Sozialversicherung), Evaluierung der österreichischen Arzneimittelpreise und -spannen, automatische Aufhebung des Höchstpreises bei versorgungsrelevanten Lieferengpässen, die Erstellung einer "Liste essenzieller Arzneimittel" und eine Verpflichtung von Apotheken und Großhandel zur Erhöhung der Bevorratungszeit von Medikamenten auf drei Monate samt wirtschaftlicher Entschädigung sowie die Schaffung eines Anreizsystems zur Forcierung der Medikamentenproduktion in Europa. Weiters sieht es Kaniak für geboten an, die Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung neu zu erstellen (3936/A(E)). (Schluss) sue