Architektur der Demokratie

In diesem Teil der Ausstellung erfahren Sie mehr über die wechselvolle Geschichte des Gebäudes und seine Nutzung.

Beschreibung und Verortung der Regalinhalte

Die hier vorgestellten Ausstellungsinhalte sind auf zwei Regale verteilt. Im Regal vor Ihnen sind Ausstellungsobjekte mit Bild- und Textinhalten auf vier Regalebenen verteilt. Rechts von Ihnen sind Ausstellungsobjekte mit Bild- und Textinhalten auf fünf Regalebenen verteilt.

Regal 1

In der obersten Ebene des linken Regals (Regalebene 1) sind der Ausschnitt eines historischen Plans sowie zwei historische Fotografien des Parlamentsgebäudes in unterschiedlicher Größe und Tiefe an der Regalrückwand angebracht. In der Regalebene 2 befindet sich links ein Handapparat mit Büchern zum Thema „Parlamente und Architektur“ sowie rechts ein Handapparat mit Büchern zum Thema „Theophil Hansen“. In der Regalebene 3 befindet sich der auf der Rückwand gedruckte Einführungstext, rechts davon ein Rahmen mit acht darin befindlichen historischen Postkarten „Die Räume des Parlaments“ mit Objekttext. Auf dem Regalboden befindet sich eine flache Vitrine mit dem Faltplan „Das Reichsratsgebäude in Wien, Keller und Erdgeschoß“. In der Regalebene 4 befindet sich links ein Easy Reader zum Thema „Steinbibliothek“, in der Mitte ein Easy Reader zum Thema „Der Kaiser im neuen Parlamentsgebäude“, sowie rechts ein Leporello zum Thema „Militär-Krankenanstalt 1914-1916“.

Regal 2

In der obersten Ebene des rechten Regals (Regalebene 1) sind Fotografien des Parlamentsgebäudes aus verschiedenen Zeiten an der Regalrückwand angebracht. Rechts davon sind die verschiedenen Namen des Gebäudes und seiner Adresse den jeweiligen Zeitabschnitten zugeordnet. In der Regalebene 2 befindet sich ein stehender Leporello zum Thema „Gesamtkunstwerk“. In der Regalebene 3 befindet sich ebenfalls ein stehender Leporello zum Thema „Aufstockung, 1909/10“. In der Regalebene 4 befindet sich auf dem Regalboden eine flache Vitrine mit dem Faltplan „Das Reichsratsgebäude in Wien, 1. und 2. Obergeschoß“. In der Regalebene 5 befindet sich links ein Easy Reader zum Thema „Namen und Adressen“. Rechts davon befindet sich ein Easy Reader zum Thema „Erläuterungen für das in Wien neu auszuführende österreichische Parlamentsgebäude von Theophil Hansen. Selbstverlag des Verfassers, 1873“, sowie ein Easy Reader zum Thema „Im Reich der Kunst, da herrscht ein bunt Gedränge…“ Fünf Gedichte zum Parlamentsgebäude“. Ganz rechts befindet sich ein Easy Reader zum Thema „Grüße aus dem Parlament. Eine Zeitreise mit Postkarten“.

Einleitung

Nach zehnjähriger Bauzeit eröffnet das prachtvolle Reichsratsgebäude im Dezember 1883 ohne Feierlichkeiten. Seine ersten Besucher jedoch versetzt es in Staunen. In der Baubeschreibung erläutert der Architekt Theophil Hansen sein bis ins kleinste Detail durchdachtes Raumkonzept. Die künstlerische Ausstattung verbindet die Symbole der Habsburgermonarchie mit der griechischen Klassik, als Erinnerung an die Wiege der Demokratie. Bald schon stehen politische Umbrüche ins Haus: Zahlreiche Dokumente aus dem Parlamentsarchiv erzählen die wechselvolle Geschichte des Gebäudes und seiner Nutzung.

Einleitungstext in Brailleschrift

Ein offener Schuber mit dem Einleitungstext zum jeweiligen Regal in Brailleschrift befindet sich in jedem Ausstellungsregal unterhalb der Braille-Zeile mit dem Titel des Ausstellungsabschnittes. Auf der Oberseite des Faches befindet sich ein QR-Code, über den jeder der Einführungstexte für die insgesamt 30 Ausstellungsabschnitte abrufbar ist.

Regalebene 2

Handapparat zum Thema „Parlament und Architektur“

Parlamentsbauten sind eindrucksvolle Repräsentanten der Demokratie. Die Architektur von Parlamenten bildet immer auch einen aktuellen Stand der politischen Kultur ab und macht – am öffentlichen Ort politischer Willensbildung – demokratische Strukturen und Prozesse lesbar.

Handapparat zum Thema „Theophil Hansen“

Die ausgewählte Literatur über den dänischen Architekten Theophil Hansen (1813–1891) gibt Einblick in Leben, Werk und Wirken eines der großen Baumeister der Ringstraßenära. Hansen selbst hat das Parlamentsgebäude als sein Hauptwerk bezeichnet. Fundament und Ausgangspunkt aller späteren Forschungen bildet die 1980 erschienene Monographie von Renate Wagner-Rieger und Mara Reissberger.

Regalebene 3

Postkartenserie „Die Räume des Parlaments“

Die Bilderserie des Hoffotografen Ludwig Grillich (1855–1926) dokumentiert die repräsentativen Versammlungs- und Arbeitsräume des Reichsratsgebäudes. Das Postkartenset des Weltpostvereins zeigt ein tätiges Parlament: Auf den Verhandlungstischen liegen Stifte und Blätter bereit, im Lesezimmer stapeln sich Bücher, im Restaurant sind die Tische gedeckt.

Vitrine mit Faltplan „Das Reichsratsgebäude in Wien, Keller und Erdgeschoß“

Die Mitglieder des Herren- und des Abgeordnetenhauses ziehen in Momenten der Desorientierung im Parlamentsgebäude ein kleines Büchlein aus der Tasche: Der Faltplan enthält vier Geschoßgrundrisse mit exakter Raumbezeichnung.

Regalebene 4

Easy Reader zum Thema „Steinbibliothek“

Das Mauerwerk des Parlamentsgebäudes besteht aus Ziegeln des Wiener Fabrikanten Heinrich Drasche. Die Vormauerung undder reiche Bauschmuck aus Naturstein stammen „aus allen Teilen der Monarchie“. Granit, Kalkstein und Marmor prägen nicht nur das Erscheinungsbild an der Fassade, auch im Inneren des Gebäudes finden sich unterschiedliche Steinsorten für Säulen, Böden und Wandverkleidungen in edelster Verarbeitung. Dieser Pluralismus der verbauten Steine dient schon zur Errichtungszeit des Parlamentsgebäudes als Metapher, um den Zusammenhalt eines Vielvölkerstaats zu beschwören, der zunehmend „brüchig“ geworden war. Die geologische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien hat eine Materialbibliothek sämtlicher an der Ringstraße verbauter Steinsorten angelegt. Die Gesteinsproben im handlichen Taschenbuchformat stehen aufgereiht im Regal und können gelesen werden – ohne dass man umblättern muss.

Easy Reader zum Thema „Der Kaiser im neuen Parlamentsgebäude“

Rund vier Wochen nach der „nüchternen, trockenen, frostigen“ Eröffnung des Reichsratsgebäudes beehrt Kaiser Franz Josephim Jänner 1884 das Parlament mit einem fünfviertelstündigen Besuch. Dieses rare Ereignis – der Monarch ist kein glühender Verehrer des Parlamentarismus und hält sich dem Haus ausdauernd fern – wird in der Presse minutiös geschildert. Man erfährt, wem er die Hand geschüttelt hat, welchen Saal er betrat und welchen Eindruck die einzelnen Räume auf ihn machten. Vor allem die „herrliche Aussicht“ von den Balkonen auf die Monumentalbauten der Ringstraße erfreut den Kaiser, der am Ende des Rundgangs mit huldvollen Worten bekräftigt, wie sehr ihn der Besuch des Parlaments begeistert und befriedigt habe. Sprachʼs und kehrt in die Hofburg zurück … 

Leporello zum Thema „Militär-Krankenanstalt 1914-1916“

Am Beginn des Ersten Weltkriegs tagt in Wien kein Parlament mehr. Im September 1914 eröffnet im Reichsratsgebäude ein k. k. Militär-Rekonvaleszentenhaus mit 200 Betten, um die Wiener Spitäler zu entlasten. In den zu Krankenzimmern umfunktionierten Büroräumen und Sälen werden fast 1.400 ranghöhere Soldaten und Offiziere gepflegt. Im Verhandlungssaal des Herrenhauses steht eine Hauskapelle bereit, wöchentliche Kinoabende und „Verwundetenkonzerte“ sollen für Zerstreuung sorgen. Die Schließung der „Militär-Krankenanstalt im Reichratsgebäude“ im Dezember 1916 geht mit der Wiedereinberufung des Parlaments einher. Am 30. Mai 1917 nehmen Abgeordneten- und Herrenhaus den Sitzungsbetrieb wieder auf.

Regalebene 2a

Leporello zum Thema „Gesamtkunstwerk“

Das Archiv der Parlamentsdirektion verwahrt mehr als 1000 Originalpläne des dänischen Architekten Theophil Hansen. Das Konvolut reicht von den ersten städtebaulichen Studien des Reichstagsgebäudes, über reich kolorierte Ansichten und Schnitte, bis hin zu virtuosen Zeichnungen von Ausstattungsdetails, Möbeln und Lustern.

Regalebene 3a

Leporello zum Thema „Aufstockung, 1909/10“

Die steigende Zahl der Reichsratsabgeordneten, die sich nach der Einführung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts 1907 auf 516 Personen erhöht, führt zu räumlichen Engpässen im Parlament. Da der Ankauf eines benachbarten Gebäudes nicht zustande kommt, wird das Reichsratsgebäude an den Hof- Innenseiten der Längstrakte aufgestockt. In den Dachböden werden zusätzliche Beratungssäle geschaffen, in den Innenhöfen vier neue Eisenstiegen eingefügt.

Regalebene 4a

Vitrine mit Faltplan „Das Reichsratsgebäude in Wien, 1. und 2. Obergeschoß“

Einige Exemplare der Taschenpläne mit Goldprägung auf dem Einband sind – teilweise mit Gebrauchsspuren – im Archiv erhalten.

Regalebene 5a

Easy Reader zum Thema „Namen und Adressen“

Gleicher Standort, wechselnde Adresse? Seit 1883 steht das Parlamentsgebäude an seinem Platz an der Ringstraße, in seiner Materialität und dem klassischen Erscheinungsbild vermittelt es die Würde und Dauerhaftigkeit der Demokratie. Doch trotz der augenscheinlichen Stabilität des steinverkleideten Baus kommt anhand der wechselnden Namensgebung und Adresse die Fragilität demokratischer Werte zum Vorschein. In der Umbenennung des Hauses und der Straßenbezeichnung werden politische Systemwechsel lesbar. Es sind Etappen symbolischer Umdeutung, die sich ebenso in die Geschichte des Gebäudes eingeschrieben haben wie die materiellen Spuren eines Umbaus.

Easy Reader zum Thema „Erläuterungen für das in Wien neu auszuführende österreichische Parlamentsgebäude von Theophil Hansen. Selbstverlag des Verfassers, 1873“

Der Motivenbericht zeigt, wie sehr sich der Architekt der Bedeutung der Bauaufgabe bewusst ist, von der er sich eine künstlerische Entfaltung „frei von jeder fesselnden Einschränkung“ erhofft. Detailliert schildert Hansen seinen Parlamentsentwurf von der städtebaulichen Situierung auf dem ehemaligen Paradeplatz, über die rationale Gliederung der Raumgruppen bis zur „würdigen“ Ausstattung. Der dänische Architekt, der vor seiner Übersiedlung nach Wien in Athen gearbeitet hat, verweist auf die „hellenische Blütezeit“, die in ihrer strengen Gesetzmäßigkeit zugleich auch „die größte Freiheit in der Entwicklung“ zulasse. Damit verdeutlicht Hansen, dass ihm nicht die Kopie eines griechischen Tempels vorschwebte, sondern ein Gebäude auf der Höhe der Zeit.

Easy Reader zum Thema „Im Reich der Kunst, da herrscht ein bunt Gedränge…“ Fünf Gedichte zum Parlamentsgebäude

In der Berichterstattung über das neu errichtete Parlamentsgebäude ragt Ende des 19. Jahrhunderts eine lyrische Textsorte heraus, die in der heutigen Architekturpublizistik (zum Glück?) gänzlich fehlt. In gereimten Versen wird der Prachtbau von Theophil Hansen gepriesen und besungen, der Architekt als „Genius“ überhöht. Auch wenn das Pathos dieser Dokumente heute befremdlich erscheint und Erheiterung auslöst, so ist der Tenor zwischen den Zeilen doch erhellend: In den Gedichten nährt die Pracht des Hauses die Hoffnung, dass auch ein „neuer Geist“ in den neuen Reichsrat einziehen würde, und dass die Würde des Hauses auch die darin handelnden Personen beflügeln möge. Eine Hoffnung, die sich bis heute hartnäckig hält.

Easy Reader zum Thema „Grüße aus dem Parlament. Eine Zeitreise mit Postkarten“

Am 1. Oktober 1869 führt die österreichisch-ungarische Post als Neuerung die „Correspondenz-Karte“ ein, die sich sofort großer Beliebtheit erfreut. Allein in den letzten Monaten des Jahres 1869 verkauft die österreichische Post drei Millionen Stück. Auch Grußpostkarten mit dem neuen Parlamentsgebäude als Sujet erscheinen ab 1883 in hohen Auflagen und mit den unterschiedlichsten Motiven. In der historischen Abfolge der Karten werden die wechselvolle Geschichte und der Nutzungs- und Bedeutungswandel des Parlamentsgebäudes deutlich sichtbar. Mit der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien verliert das Medium Ende des 20. Jahrhunderts an Bedeutung – heute werden Grußbotschaften kaum mehr per Postkarte übermittelt.