Obstruktion

In diesem Teil der Ausstellung erfahren Sie mehr über die Störung des parlamentarischen Sitzungsbetriebs als politisches Mittel.

Beschreibung und Verortung der Regalinhalte

Im Regal vor Ihnen sind Ausstellungsobjekte mit Bild- und Textinhalten auf drei Regalebenen verteilt. In der obersten Regalebene (Regalebene 1) befindet sich eine an der Rückwand angebrachte Fotografie einer Protestaktion im Nationalratssitzungssaal, darunter ein Zitat. Rechts darunter befindet sich ein Notenblatt mit Strophen aus dem Duett „Von uns zwei war’s einer, aber ich war es nicht!“. Auf dem Regalboden stehend befindet sich ein aufgestellter Leporello zum Thema „Obstruktionsberichte“ mit Text und zwei Bildinhalten. 

In der Regalebene 2 befindet sich der auf der Rückwand gedruckte Einleitungstext, rechts davon, auf dem Regalboden unter einem Glassturz fixiert, befindet sich das Ausstellungsexponat „Glocke“. In der Regalebene 3 befindet sich ein Easy Reader zum Thema „Die Obstruktionsmaschine“, rechts davon die Hörstation „Chaosorchester“ mit zwei Einhand-Ohrhörern. Der Ton läuft, sobald einer der Hörer abgenommen wird.

Einleitungstext in Brailleschrift

Ein offener Schuber mit dem Einleitungstext zum jeweiligen Regal in Brailleschrift befindet sich in jedem Ausstellungsregal unterhalb der Braille-Zeile mit dem Titel des Ausstellungsabschnittes. Auf der Oberseite des Faches befindet sich ein QR-Code, über den jeder der Einführungstexte für die insgesamt 30 Ausstellungsabschnitte abrufbar ist.

Einleitung

Die Störung des parlamentarischen Sitzungsbetriebs durch Lärmszenen, die im Extremfall die Funktionsfähigkeit des Parlaments blockiert, nennt man Obstruktion. Im Reichsrat der Habsburgermonarchie sind solche Lärmszenen keine Seltenheit. Das Publikum ergötzt sich an ohrenbetäubenden Darbietungen von Abgeordneten, die bis spät in die Nacht Pultdeckel und „Obstruktionsmaschinen“ erklingen lassen. Anlass sind Nationalitätenkonflikte wie etwa das Ringen um Anerkennung des Tschechischen als gleichberechtigte Amtssprache. Der Konflikt, der anlässlich der „Badenischen Sprachenverordnung“ 1897 einen Höhepunkt erreicht, bleibt bis zum Ende der Monarchie ungelöst.

Regalebene 1

Leporello zum Thema „Obstruktionsberichte“

Über die Obstruktionen im Reichsrat wird Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur in lokalen Blättern, sondern auch in der internationalen Presse an prominenter Stelle berichtet. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835–1910) verfasst 1898 für „Harper‘s Magazine“ seine berühmte Reportage „Stirring Times in Austria“. Das „Interessante Blatt“ schildert die atonal-orchestralen Lärmszenen im Plenum, die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ das Eingreifen der Polizei.

Regalebene 2

Ausstellungsexponat „Glocke“

Die Glocke ist seit der Frühzeit des Parlamentarismus ein wichtiges Requisit des Präsidiums, um den geschäftsordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen zu wahren. Der lateinische Schriftzug „Justitia Regnorum Fundamentum“ (Gerechtigkeit ist die Grundlage der Herrschaft) zitiert den Wahlspruch von Kaiser Franz I.

Regalebene 3

Easy Reader zum Thema „Die Obstruktionsmaschine“

Abgeordnete des Reichsrats beweisen auf der Suche nach geeigneten Instrumenten für Lärmszenen im Parlament Einfallsreichtum und Tatkraft. Es werden Pultdeckelkonzerte gegeben, Küchenutensilien als Schlaginstrumente verwendet. Es werden aber auch sogenannte „Regenmaschinen“ eingesetzt – wie man sie im Theater benutzt –, mit denen unter relativ geringem Kraftaufwand stundenlang ein intensiv prasselndes Geräusch erzeugt werden kann. Im Betrieb dieser „Obstruktionsmaschinen“ wechselt man sich ab. Wohl unter dem Eindruck dieser Vorkommnisse kommt es am 21. Dezember 1910 zu einer Änderung der Geschäftsordnung, auf die es zumindest teilweise zurückzuführen sein dürfte, dass dem Wiener Parlament in den letzten Jahren der Monarchie nennenswerte Exzesse der Obstruktion erspart bleiben.

Hörstation „Chaosorchester“

Diese Hörstation stellt parlamentarische Lärmszenen nach, wie sie sich, dem Klang nach, bei Sitzungen 1909 angehört haben könnten. Zum Einsatz kamen dabei, laut historischen Zeitungsberichten, folgende Instrumente: sieben Pfeifen, eine Fahrradglocke, zwei Feuerwehrtrompeten, eine große Automobilhupe, sieben Regenmaschinen, eine Schnarre und eine Ziehharmonika.