Bundesrat Stenographisches Protokoll 618. Sitzung / Seite 97

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waltungsgrenzen weiterhin bestehen, ist Südtirol ein Teil des italienischen Staates. Wer heute behauptet, daß sich die Südtirol-Frage durch den EU-Beitritt Österreichs von alleine regelt, betrügt sich selbst und wahrscheinlich auch andere.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der EU-Beitritt Österreichs erfordert eine Neudefinierung der Rolle, die Tirol in Zukunft einnehmen will, und diese Frage stellt sich Südtirol genauso wie Nordtirol. Gemeinsam hat Tirol rund 20 000 Quadratkilometer Fläche – ist also größer als das Bundesland Niederösterreich – und über 1 Million Einwohner. Gemeinsam wird sich Tirol in diesem Europa besser behaupten können, als wenn die einzelnen Landesteile getrennt marschieren.

Wir Freiheitlichen können uns als erste Gesamttiroler Partei bezeichnen, denn wir haben auch den Obmann der Südtiroler Freiheitlichen mit Sitz und Stimme in unseren Landesvorstand aufgenommen und damit einen zukunftsweisenden Schritt gesetzt, mit dem wir allen anderen politischen Gruppen, die nach wie vor dem Partikularismus anhängen, voraus sind.

Die Europaregion Tirol stellt die Zukunft unseres Landes dar. Sie muß durch eine breite Diskussion unter Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen vorbereitet und schließlich durch das Selbstbestimmungsrecht verwirklicht werden. Es eröffnet sich in den kommenden Jahren eine große Chance für unser Land, und diese Chance sollten wir alle in Tirol – im Süden und im Norden – nützen.

Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Südtirol-Bericht ist lediglich ein knapper und oberflächlicher Abriß der jüngeren Geschichte beziehungsweise eine dürre Darstellung der gegenwärtigen Situation. Er bestätigt die von mir kritisierte Haltung der Standpunktlosigkeit. Ich vermisse in dem Bericht jegliche Vision, jegliche Zielsetzung für die Zukunft, jegliche Maßnahme konkreter Art, die ein Zusammenwachsen des Landes auch im Rahmen der Europaregion ermöglichen würden.

Schlußendlich lese ich in diesem Bericht kein Wort über eine Menschenrechtsverletzung an der innertirolischen Grenze, wie sie in ganz Mitteleuropa beispiellos ist. Am 14. August 1994 wurde am Timmelsjoch Frau Karola Unterkircher von italienischen Agenten gekidnappt und nach Italien verschleppt, wo sie seither – also über zwei Jahre – in Kerkerhaft gehalten wird. Meine Damen und Herren! Dieser unwürdige Zustand, der jedem Menschenrecht zuwiderläuft, darf nicht unausgesprochen bleiben. Wenn es schon der Herr Bundesminister nicht für nötig hält, diesen Menschenrechtsskandal in seinem Bericht anzusprechen, so nehme ich hier und heute die Gelegenheit wahr, Sie, meine Damen und Herren, darüber zu informieren.

Solange eine österreichische Staatsbürgerin wegen dubioser Vorhaltungen und nach einer eindeutig rechtswidrig durchgeführten Verhaftung – ich bezeichne diese eben als Kidnapping – in einem italienischen Kerker festgehalten wird, so lange kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich fordere Sie daher auf, Herr Bundesminister, sich in dieser Angelegenheit eindeutig zu deklarieren und sich für eine sofortige Freilassung von Karola Unterkircher einzusetzen. Sie dürfen nicht zulassen, daß die Menschenrechte auf dem Altar der EU-Harmonie geopfert werden.

Wir Freiheitlichen werden jedenfalls diesem Bericht unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.53

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz.

Ich möchte die Frau Bundesrätin darauf aufmerksam machen, daß ich sie um 16 Uhr zum Aufruf der dringlichen Anfrage – contre cœur – unterbrechen muß. – Das Wort hat Frau Bundesrätin Crepaz.

15.53

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Danke, Herr Präsident.


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