Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 86

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Das ganze System erinnert ein bißchen an die Situation eines Gewichthebers, vergleichbar mit unserer Sozialpolitik, mit dem Konsum, mit der verstaatlichten Industrie: Zuerst müssen sie Anabolika einnehmen, dann stemmen sie, dann überheben sie sich, und zum Schluß sind sie impotent. Nicht wahr? (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Das ist unser Sozialsystem! Darüber müssen wir einmal reden. Dieses System wollen wir doch nicht perpetuieren! Ich glaube, diese gute Absicht haben wir alle!

Ich glaube, meine Damen und Herren, ... (Bundesrat Prähauser: Kollege Penz! Das letztere könnte stimmen!) Machen Sie sich später aus, wann Sie Anabolika nehmen wollen. Das ist ja jetzt nicht notwendig, oder? (Bundesrat Prähauser: Jetzt habe ich Sie einmal unterstützt, das sollten Sie doch würdigen!)

Meine Damen und Herren! Die Arbeitslosigkeit ist kein Ergebnis des Wirkens finsterer Mächte, sondern resultiert aus genau erkennbaren politischen Fehlentscheidungen. Derzeit wird jedoch alles ein bißchen maskiert – es ist ja Fasching! Es werden Arbeitsbeschaffungsprogramme ausgearbeitet, es gibt Umschulungen, es werden Frühpensionierungsprogramme auf die Beine gestellt. Geben Sie doch lieber einmal zu, daß die Zeit der einfachen Lösungen vorbei ist!

Es gibt fast keine Lohnerhöhungen mehr, und es werden auch keine Arbeitszeitverkürzungen mehr greifen. Warum werden Arbeitszeitverkürzungen nicht mehr greifen? – Weil dann die "global players" nicht mehr in Österreich bleiben, sondern anderswo hingehen! Diese suchen sich den Ort, an dem sie den besten Standortvorteil haben, wo Arbeitnehmer billig und flexibel sind. Wenn zu teuer angeboten wird, gibt es keine Chance. – Machen Sie da nicht mit! Wehren Sie sich gegen die Politik, die derzeit gemacht wird! (Bundesrat Prähauser: Würden Sie als Arbeitnehmervertreter sagen: Löhne hinunter?) Das habe ich nicht gesagt! Ich will sie weder erhöhen noch senken! (Bundesrat Prähauser: Sagen Sie uns, wie Sie es besser machen würden!) Aber Sie müssen dazu beitragen, daß es eine Renaissance der wahren Sozialpolitik gibt.

Die praktizierte Sozial- und Tarifpolitik kann sich nur schwerlich auf das System der sozialen Marktwirtschaft berufen. Unsere Krise ist das Ergebnis der Mißachtung der Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft. Dies geschah möglicherweise in guter Absicht. Aber man hat die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft insofern mißachtet, daß immer mehr ausgegeben als eingenommen wurde. Der Bereich des Sozialen wird mißverstanden und opportunistisch interpretiert. Ökonomische, sozialpolitische und gesellschaftspolitische Grundsätze bleiben auf der Strecke. Soziale Marktwirtschaft kann nur dann sozial sein, wenn sie effizient ist. Gewinn ist sozial. Ich frage Sie: Wo ist heute in Österreich wirklich mit Gewinn zu wirtschaften? Welche Betriebe arbeiten mit Gewinn und können dann ehrlich eine Sozialpolitik betreiben?

Die derzeitige Lohnfindung trägt neofeudale Züge. Auch auf diese Weise mißachtet und schafft man Arbeitslosigkeit. Es werden nämlich Gruppen, die an ihrem Arbeitsplatz gut abgesichert sind, gegenüber jenen Gruppen bevorzugt, die auf der Suche nach Arbeit sind beziehungsweise die den Arbeitsprozeß schon hinter sich haben und um ihre Pension bangen müssen. – Das ist die neofeudale Politik, die in manchen Bereichen Platz gegriffen hat!

Das größte Problem ist die Erosion der sozialen Marktwirtschaft in der Sozialpolitik. Die Sozialpolitik hat schrittweise das Selbsthilfe- und Versicherungsprinzip durch das Versorgungs- und Fürsorgeprinzip ersetzt. Wir befinden uns also in einer Sozialfalle. Sozialpolitik heißt, an jene zu denken, die beschäftigt sind, aber ganz besonders sich um jene zu sorgen, die keine Arbeit haben und in der nächsten Zeit keine Arbeit bekommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

19.37

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die Einführung der Krankenscheingebühr von 50 S ab 1. 1. 1997, deren Verwaltungsaufwand die Unternehmen tragen, berechtigt zu der Frage, ob es


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