Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 95

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Es gibt natürlich immer wieder Berührungspunkte mit früheren Tätigkeiten und nach wie vor bestehenden Interessen, wobei ich jetzt gar nicht parteipolitische Positionen, sondern Werthaltungen und dergleichen meine. Ich möchte nicht wissen, welche Art der Unvereinbarkeit parteipolitischer Art Sie gefunden hätten, wenn wir Herrn Dr. Michael Graff vorgeschlagen hätten! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Da hätten wir zugestimmt!)

Ich denke, diese Probleme – da sind wir uns wohl einig – lassen sich niemals durch gesetzliche Vorschriften, sondern nur durch Verantwortungsgefühl, persönliche Anständigkeit und Redlichkeit, in einem konkreten zweifelhaften Fall die Befangenheit wahrzunehmen, lösen. Frau Dr. Berchtold-Ostermann, die ich vorher persönlich nicht kannte, hat mir beim Hearing in sehr beeindruckender Weise den Eindruck vermittelt, daß dieses Verantwortungsgefühl bei ihr auf jeden Fall vorhanden ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.15

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm.

20.15

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Bundesrat diskutiert den Vorschlag für die Ernennung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes. Der Bundesrat hat dieses Recht anläßlich dieser Enquete mit dem Hearing meiner Ansicht nach sehr ernstgenommen und sich bemüht, einer solchen Aufgabe gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren! Ernennungen, Berufungen von Persönlichkeiten, also Personalentscheidungen, sind immer schwierige Entscheidungen, wo immer sie stattfinden. Es ist auch nicht leicht für die Bewerberinnen und Bewerber, sich zu stellen, denn bei 25 Bewerbern steht die Chance grundsätzlich 1 : 24.

Ich möchte auch die Frage aufwerfen und beantworten: Ist eine Nichtnominierung als Abwertung oder Scheitern des Betroffenen anzusehen? – Ich glaube nicht. Wenn es jemand so sieht, dann müßten wir umlernen beziehungsweise aus solchen Verfahren noch lernen. Ich meine: Verlierer sind jene, die nicht nominiert werden können, nicht. Es sollte sich aber jeder von uns, der bei dieser Entscheidung mitwirkt, auch die Situation der Bewerber bewußt machen.

Ich betrachte dieses Hearing – ich glaube, auch für die sozialdemokratische Seite sprechen zu dürfen – nicht als bloße Alibihandlung, nachdem ohnedies schon feststeht, für wen man sich entscheiden wird. Dieses Hearing war vielmehr ein wesentlicher Beitrag zur Meinungsbildung, die sicherlich erst dieser Enquete folgte.

Es stellten sich 25 Persönlichkeiten, 22 Männer und drei Frauen. Für mich wären viele dieser Bewerber durchaus geeignet, wobei man sagen muß, daß bei einer Vorstellung viele Komponenten auftreten und zu beurteilen sind: einerseits der persönliche Lebensweg, die Herkunft, die Familie, die berufliche Ausbildung, der Werdegang in juristischer Hinsicht, andererseits aber auch die Grundhaltung zu Fragen des Rechts und des Verfassungsrechts, und wir haben auch entsprechende Fragen gestellt.

Die Bundesräte sind nicht alle juristisch gebildete Fachleute, aber als Teil der Legislative und als Kontaktträger haben wir Vorstellungen betreffend die institutionellen Wirkungsweisen unseres Staates und natürlich auch der Grundgesetze. Daß sich unser Handeln und auch das Wirken eines Höchstgerichtes streng nach der Verfassung richten muß, braucht nicht betont zu werden. Das wurde auch im Hearing von allen Seiten immer wieder bekräftigt.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der Interpretation und des Spielraumes. Es erhebt sich die Frage, ob alles Nötige in den Gesetzen enthalten ist. Und der Gerichtshof gibt indirekt in gewisser Form auch Ratschläge, was der Gesetzgeber tun könnte oder wohin der Weg führen sollte. – Ich glaube, daß diese Tendenzen bei der Beurteilung auch wichtig sind. Es gab also Interpretationsbreiten. Daher wird auch sehr interessant sein, das Protokoll nach der Enquete noch einmal nachzulesen.


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