Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 104

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Das heißt, wir müssen die Ursachen beseitigen. Das ist ein wesentliches Ziel. Wenn wir die Ursachen beseitigt haben, dann wird sich in der mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz angestrebten Richtung sicherlich vieles ändern. Das wohlmeinendste Gesetz nützt jedoch überhaupt nichts, solange die Ursachen für Mißstände nicht beseitigt werden. In diesem Zusammenhang sind beide Regierungsparteien gefordert; insbesondere ist jedoch selbstverständlich die ÖVP gefordert, die zwar immer sehr positive Aussagen in bezug auf die Familienpolitik trifft, aber in letzter Konsequenz dann wie ein siamesischer Zwilling mit der SPÖ mitschwimmt.

Ich wiederhole daher: Ein noch so gut gemeintes Gesetz wird uns nichts nützen, solange die Ursachen für herrschende Zustände nicht beseitigt werden. Aus diesem Grund und nicht deshalb, weil wir meinen, daß dieses Gesetz schlecht ist, lehnen wir diesen Bericht ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

16.12

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Eingangs möchte ich erwähnen, daß dieser Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie über die Auswirkungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 im Dezember 1996 im Ausschuß des Nationalrates endbehandelt wurde. Allein dieser Umstand hat mich an der Qualität dieses Berichtes zweifeln lassen, denn wenn die Nationalräte es nicht der Mühe wert finden, diesen Bericht im Nationalrat zu diskutieren, dann ist irgend etwas nicht in Ordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir alle wissen, wurde das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 nicht zuletzt wegen der geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse reformiert. Auch die geänderten Anschauungen über zielgerichtete und effiziente Jugend- und Sozialarbeit machen eine Neuordnung des öffentlichen Jugendwohlfahrtsrechtes notwendig. Die Stärkung der Familie soll ein wesentliches Anliegen des neuen Jugendwohlfahrtsgesetzes sein. Öffentliche Jugendwohlfahrt soll nur dann gewährt werden, wenn das Wohl der Minderjährigen nicht gewährleistet ist. Es ist sicherlich unbestritten, daß die elterliche Erziehung größeren Einfluß auf die Entwicklung des Kindes hat, als es die beste Heimerziehung vermag. Daher ist eines der wesentlichen Anliegen des Jugendwohlfahrtsgesetzes die Durchsetzung der gewaltlosen Erziehung. Dies soll durch verstärkte Heranziehung von freien Einrichtungen gemeinsam mit den Eltern erreicht werden.

Notwendig wurde auch eine Neuordnung im Bereich der Pflegekinder und der Pflegeaufsicht. Dabei wurde die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern aufgegeben.

Nun zu einzelnen Bereichen im Jugendwohlfahrtsbericht: Es wird unter anderem festgestellt, daß es in Österreich vermehrt wirtschaftliche Notsituationen von Familien gibt. Scheidungen nehmen zu, ebenso Überschuldung und Arbeitslosigkeit. Die schwierige Lage auf dem Wohnungssektor betrifft vor allem Teilfamilien und ausländische Familien. Wenn solche Notsituationen bekannt sind, dann sollte das Bundesministerium in der Lage sein, die entsprechenden Maßnahmen und Soforthilfen einzuleiten. Vor allem müßte auch jenen geholfen werden, die keinen Rechtsanspruch besitzen. Experten berechnen den Finanzbedarf für Familien, die bei Jugendanwaltschaften vorstellig werden, mit zirka 2 Millionen Schilling jährlich.

Die Tatsache, daß das Familienministerium feststellt, daß in Österreich ein vermehrter Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen besteht, läßt mich hoffen, daß gerade in diesem Bereich bald etwas geschehen wird.

Unterstützung des Familienministeriums beim sensiblen Thema Gewalt und sexueller Mißbrauch in der Familie wünschen sich nicht nur die Kinder- und Jugendanwälte und die Kinderschutzzentren. Dies muß unser aller Anliegen sein. Die Öffentlichkeit muß zu vermehrter Aufmerksamkeit aufgerufen werden.


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