Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 56

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12.06

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Die vorliegenden Gesetze sind in der breiten Öffentlichkeit unter den Schlagworten Lauschangriff und Rasterfahndung bekannt. Allein diese große Bekanntheit ist meiner Meinung nach der Beweis dafür, daß diese besonderen Ermittlungsmaßnahmen sehr eingehend diskutiert wurden. Auch die Medien – das finde ich positiv – haben eine sehr intensive Berichterstattung über diese wichtigen Themen durchgeführt. Ich halte die Entstehung dieser Gesetze auch für demokratiepolitisch sehr wichtig.

Als ich persönlich vor zirka eineinhalb Jahren mit diesen besonderen Ermittlungsmaßnahmen zum ersten Mal konfrontiert wurde, war meine spontane Reaktion darauf Ablehnung. Ich glaubte, daß sich verdeckte Maßnahmen beim einzelnen Bürger mit meinem persönlichen Freiheitsbegriff nicht vereinbaren ließen. Als Folge dieser ersten Reaktion habe ich die Entstehung dieses Gesetzes von der Regierungsvorlage bis zu dem heute hier vorliegenden Gesetz sehr genau verfolgt. Ich gebe zu, daß sich meine Meinung geändert hat und ich heute dieser Gesetzesmaterie positiv gegenüberstehe.

Ausschlaggebend für meinen Sinneswandel war die Arbeit des Unterausschusses des Nationalrates, der, so glaube ich, in fünf Sitzungen gute Arbeit geleistet hat. Dazu kamen noch das Expertenhearing im Oktober des Vorjahres und die vielen internationalen Erfahrungen auf diesen Gebieten. Persönlich habe ich in der Fragestunde mit Bundesminister Michalek hier im Bundesrat die Gelegenheit genützt, um seine Meinung, inwieweit durch die neuen Ermittlungsmethoden die demokratischen Grundrechte des einzelnen Staatsbürgers gefährdet sind, zu hören. Seine Antworten waren plausibel und sehr konkret.

Meine Damen und Herren! Zur Freiheit gehört stets auch eine Verantwortung für andere. Der Komponist Karlheinz Stockhausen formulierte das so – ich möchte das zitieren –: Der wirklich freie Mensch ist ja eigentlich erst der, der weiß, was für das Ganze gut ist, und nicht nur, was für ihn selbst gut ist.

Ich glaube, daß dieser Freiheitsbegriff, wie ich ihn hier zitiert habe, in der heutigen Zeit der richtige ist. Bedenken wir doch, daß wir am Ende dieses Jahrhunderts in einem Zeitalter leben, das von rasanten, ja revolutionären Entwicklungen geprägt wird. Nachrichten und Informationen zirkulieren mit einer vorher nie gekannten Geschwindigkeit, sie erreichen die entferntesten Teile der Welt. Satelliten im Weltraum, verbunden mit modernen Informationstechnologien, erlauben ein nahezu perfektes Maß an Kommunikation. So rücken Kulturen und Kontinente näher aneinander. Jeder kleine Fortschritt auf jedem nur denkbaren Gebiet kann so sehr rasch Gemeinbesitz der gesamten Menschheit werden.

Natürlich stehen auch dem organisierten Verbrechen all diese Ressourcen zur Verfügung: die besten Experten, alle technischen Möglichkeiten und alle Freizügigkeiten, die die Demokratie ihren Bürgern gewährt. Diese moderne Kriminalität, sehr oft auch globale Kriminalität genannt, kann nicht mit Mitteln aus dem vorigen Jahrhundert bekämpft werden. Darin waren ja meine Vorredner mit mir einer Meinung. Die Nachfolger von Al Capone arbeiten mit modernsten Mitteln und müssen mit den modernsten Mitteln bekämpft werden.

Ich gebe ohne weiteres zu, daß dabei ein Spannungsfeld entsteht, ein Spannungsfeld zwischen der Kriminalitätsbekämpfung als Staatsaufgabe, gepaart mit einem großen Sicherheitsbedürfnis der Bürger und einer Beeinträchtigung der Privatsphäre. Oder, um mit Erich Kästner zu sprechen: Es ist besser, Deiche zu bauen, als darauf zu hoffen, daß die Flut allmählich Vernunft annimmt.

Mit dem vorliegenden Gesetz geht man einen Mittelweg. Man hat einen tragfähigen Kompromiß gefunden. Wenn Kollege Böhm angekündigt hat, daß er und vier seiner Kollegen dem nicht zustimmen werden, dann zeigt allein auch diese Haltung, daß er irgendwie einsieht, daß ein Kompromiß notwendig war. Ich glaube, daß es ein tragfähiger Kompromiß ist.


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