Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 72

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich glaube, daß man damit eine ganze Branche wie zum Beispiel den Tourismus in Mißkredit bringt, da man davon ausgehen muß, daß der überwiegende Teil aller Betriebe dieser Branche dieses Verfahren einleiten müßte.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie werden bestimmt zustimmen; ich verstehe das. Irgendein Klubexperte hat Ihnen das empfohlen. Ich möchte Ihnen aber mit dieser meiner Wortmeldung – auch wenn es nichts nützt – das Gefühl nehmen, daß Sie damit etwas wirklich Tolles gemacht haben, nämlich das Gefühl, daß Sie sich jetzt zurücklehnen können, weil Sie für existenzbedrohte Unternehmen etwas wirklich Positives gemacht haben, ein Unternehmensreorganisationsgesetz, und daher wird sich jetzt viel bessern, alles anders werden. Dieses Gefühl, sich zurücklehnen zu können, weil Sie für die Wirtschaft etwas gemacht haben, sollten Sie nicht haben, denn ein derart positives Gefühl ist durch wirklich nichts begründet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kaufmann. – Bitte.

13.22

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Es tut mir leid, Herr Kollege Harring – ich schätze Sie an und für sich sehr –, daß Sie hier so polemisch agiert und der ÖVP quasi unterstellt haben, daß sie keine Wirtschaftskompetenz mehr hat beziehungsweise im Bundesrat zu diesem Thema abgetreten ist. Das enttäuscht mich.

Herr Kollege! Ich kann nichts dafür, daß mein Kollege Bundesrat Linzer erkrankt ist und mir das gestern nachmittag um fünf Uhr mitgeteilt hat (Bundesrat Dr. Harring: Nehme ich zur Kenntnis!), und erst seit diesem Zeitpunkt hatte ich die Gelegenheit, mich mit dieser Sache zu befassen. Man konnte daher meinen Namen nicht mehr auf die Rednerliste setzen.

Meine Damen und Herren! Mich wundert weiters, daß Sie dieses Gesetz als untauglichen Versuch sehen, als nicht praktikabel, wirklichkeits- und wirtschaftsfeindlich, da Kollege Schreiner im Nationalrat – er ist ein Steuerberater – dieses Gesetz sehr positiv mitdiskutiert hat, auch im Ausschuß, und nur eine einzige Frage im Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn – und diesbezüglich bin ich seiner Meinung – in den Raum gestellt hat, nämlich daß die steuerliche Behandlung des Sanierungsgewinnes nicht geregelt ist. In diesem Punkt gebe ich Herrn Schreiner recht – Sie haben das nicht gebracht –, man muß darüber nachdenken. Es geht nicht an, daß man versucht, Firmen zu sanieren, daß der Sanierungsgewinn, der dabei entsteht, aber quasi in Form der Steuer abkassiert wird.

Meine Damen und Herren! Mir war schon klar, daß Sie hier das Chapter-11-Verfahren ins Spiel bringen werden. Sie haben sich selbst die Antwort darauf gegeben – und das ist das Problem: Das Chapter-11-Verfahren bedeutet, daß das Unternehmen bereits insolvent sein muß. (Bundesrat Dr. Harring: Ist nicht ganz richtig!) Wir aber versuchen, den Firmen in einem Vorverfahren zu helfen.

Ich möchte etwas aus der jüngsten Insolvenzstatistik des Kreditschutzverbandes von 1870 zitieren. Er schreibt in seiner Bilanz zur Halbjahresinsolvenzstatistik folgendes:

Nach wie vor ist auch die Zahl der mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge zu hoch. Hier ist zu hoffen, daß das Unternehmensreorganisationsgesetz, welches mit 1. 9. 1997 in Kraft treten soll, entsprechende Abhilfe schaffen wird. – Also auch die Kreditschutzverbände setzen Hoffnungen in dieses Gesetz.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird Neuland beschritten. Wir alle wissen nicht, ob dieses Gesetz ein Erfolg wird oder nicht. Ich glaube, es ist wichtig, daß wir den Versuch starten, die hohe Zahl an Insolvenzen, die wir haben – wir befinden uns in diesem Bereich europaweit gesehen ziemlich an der Spitze –, in den Griff zu bekommen. Dazu soll dieses Gesetz dienen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite