Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 126

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17.31

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ludwig von Adamovich, der jetzige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, fragt das eine oder andere Mal recht gerne seine Studenten, woran man erkennt, daß Österreich ein Bundesstaat ist. Er bekommt eine Unzahl von Antworten: die neun Bundesländer, die Hauptstädte, den Bundesrat, die Landeshauptleutekonferenz – da bekommt man gleich ein Nichtgenügend –, aber die richtige Antwort geben nur ganz wenige; jemand, der es vielleicht jetzt hört, kann sich dann bei der Prüfung anmelden. Die Antwort lautet: weil es in der Bundesverfassung steht.

Das ist natürlich eine sehr dürre Antwort, aber sie ist zutreffend, genauso zutreffend, wie es die Auskünfte des Herrn Staatssekretärs waren. An ihnen gibt es eigentlich nichts zu bekritteln. Sie waren nicht falsch, aber sie waren eigentlich auch nicht umfassend.

Kurz und bündig: Wir, die wir im Hohen Haus in beiden Kammern die Opposition darstellen, sind daran gewöhnt, daß uns ein Teil der Regierungsmitglieder immer mit ihren Antworten wie auf einer Wasserrutsche "dahinsausen" läßt. Wir nehmen das zur Kenntnis, wir bringen nur angemessen zum Ausdruck, daß es uns nicht paßt. Es gibt aber auch Bundesminister, und zwar von beiden Regierungsfraktionen, die uns, wie heute vormittag, durchaus Antworten geben, mit denen nicht nur die Regierungsparteien, die Opposition, alle, die es gehört haben, wirklich leben können, zu denen auch wir von Oppositionsseite applaudieren können. Ihnen haben wir ihn allerdings, so nehme ich an, versagt, zumindest ich habe nicht applaudiert, und ich habe auch nicht gemerkt, daß meine Kollegen hier applaudiert haben.

Ich glaube, es ist unrichtig, den Bundesstaat als Lächerlichkeit anzusehen, auch wenn, wie Adamovich meint, dem Bundesstaat in Österreich zwei wesentliche Merkmale für eine echte Bundesstaatlichkeit fehlt: Es gibt erstens keine Ländersicherheitsexekutive und zweitens keine Ländergerichtsbarkeit. Der Bund und die Länder müssen endlich eine säuberliche Trennung ihrer Kompetenzen vornehmen.

Professor Welan fordert auch mehr Konfliktfreudigkeit der Länder. Die Konfliktfreudigkeit der Länder, meine Damen und Herren, drückte sich auch hier im Bundesrat aus, aber ich vermisse sie zurzeit. Es gibt hier nur den Konflikt Regierungsparteien gegen Opposition, statt daß sich einmal die Länder zusammentun und der Regierung in Wien zeigen, daß sie es nicht so haben wollen.

Professor Öllinger wirft auch den Landtagen vor, eigentlich leichtgewichtige Erfüllungsgehilfen der Regierung zu sein. Ein Vorwurf – er wurde übrigens anläßlich des Bezugs des niederösterreichischen Landtagsgebäudes in St. Pölten erhoben –, den sich, wie ich meine, sowohl Bundesratsmitglieder als auch Landtage nicht gefallen lassen müßten, wenn sie nur die nötige Energie aufbrächten, sich einmal von ihren Fesseln der großkoalitionären Bindung bis in die letzte Konsequenz – heute habe wir wieder gehört, es gibt keinen koalitionsfreien Raum mehr – trennen könnten.

Professor Koja stellt auch fest, daß natürlich auch die finanziellen Verhältnisse klare Trennungen erfordern. Sie erfordern aber auch eine Sachkompetenz der Landtage und eine abgabenrechtliche Kompetenz der Länder. Diese wären in Einklang zu bringen. Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, daß rund 90 Prozent der Ertragsanteile der Bundessteuern an die Länder gehen, muß einem doch auffallen, daß es mit der Bundesstaatlichkeit nicht weit her sein kann, denn wer zahlt, bestimmt, heißt schon ein altes Wort auch unter Freunden.

Diese Vorgangsweise, daß die Länder am Supertropf des Bundes hängen, ist politisch und psychologisch verfehlt. Der Bund wird zum Ziel der Wünsche und ist zugleich Feindbild der Länder – wegen des Steuerdrucks. Die Länder müßten sich diesem entziehen, und sie können sich diesem entziehen. Die Länder müssen auf eigene finanzielle Füße gestellt werden, damit sie auch die faktische politische Verantwortung für ihre Finanzierung übernehmen können. Die Steuerlast läge dann zum Teil bei den Ländern, Kosten und Nutzen der Länderverwaltung müßten von den Ländern in Eigenverantwortung wahrgenommen werden.


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