Bundesrat Stenographisches Protokoll 644. Sitzung / Seite 43

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gelangen nun zur Debatte, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

11.48

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dieser Vorlage werden mehrere Wahlgesetze geändert. Die Regierungsparteien haben diese mit ihrer Mehrheit im Nationalrat beschlossenen Novellen hochtrabend als "Demokratiepaket" bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber – und zwar auch nach Berichten und Kommentaren in Medien, die meiner Fraktion gewiß nicht nahestehen – eher um ein bloßes Päckchen.

Meine Kritik bezieht sich aber nicht nur darauf, daß wir eine wesentlich weitergehende Reform angestrebt hätten, die insbesondere das direktdemokratische Element erheblich ausgebaut hätte. Vielmehr muß Kritik auch daran geübt werden, daß das unter größtem Zeitdruck entstandene Gesetzeswerk keiner ausreichenden Prüfung und Begutachtung unterzogen werden konnte, war doch von den Koalitionsparteien am letzten Tag der abgelaufenen Session ein Initiativantrag eingebracht worden. Am ersten Tag der neuen Session war der Verfassungsausschuß damit befaßt, und bereits am nächsten Tag wurden dann die Beschlüsse im Plenum gefaßt.

Aufgrund dieses Vorgehens waren die Landesregierungen und der Gemeinde- und Städtebund genötigt, ihre Stellungnahmen und allfälligen Einwände innerhalb eines unvertretbar kurzen Zeitraums zu formulieren.

Es versteht sich von selbst, daß eine solch zentrale Materie im Parlament weitaus sorgfältiger und intensiver hätte beraten werden müssen, würde es tatsächlich um eine echte Demokratiereform gehen. Zumindest müßte das für ein Parlament gelten, das sich selbst noch ernst nimmt und von der Mehrheit nicht als Ausführungsorgan des Koalitionsausschusses oder der Klubobleute der Koalitionsparteien mißverstanden wird.

Daß im auffälligen Gegensatz zu diesem Eilverfahren die Anträge meiner Fraktion im Nationalrat bis heute nicht behandelt worden sind, wird mein Kollege Dr. Bösch noch näher ausführen.

Dennoch verkenne ich durchaus nicht, daß die gegenständlichen Vorlagen in manchen Punkten einen Schritt in die richtige Richtung setzen. Das gilt insbesondere für die vorgesehenen Änderungen bei der Wahl des Bundespräsidenten. Dieser Novelle, die auch die freiheitlichen Vorschläge berücksichtigt, werden wir daher gerne unsere Zustimmung erteilen, denn auch wir sind der Auffassung, daß es demokratiepolitisch nicht begründbar ist, weshalb die Unterstützungserklärungen von Abgeordneten des Nationalrats so viel mehr wert sein sollen als die entsprechenden Willensbekundungen der wahlberechtigten Bürger. Das trifft sowohl für das bisherige Vorschlagsrecht von fünf Abgeordneten zu, während sonstige Kandidaten auf die Unterstützung von 6 000 Bürgern angewiesen sind, als auch auf die noch fragwürdigere Regelung, daß für die Reihung der Kandidaten die Unterstützung durch einen Abgeordneten so viel wie 25 000 Unterstützungserklärungen stimmberechtigter Bürger zählte.

Damit wird endlich der Willenskundgebung des Bürgers im Vorschlagsverfahren das gleiche Gewicht wie jener eines Abgeordneten zukommen, und zugleich wird das problematische Privileg eines Abgeordneten, sich selbst als Kandidaten vorzuschlagen, und die absurde Möglichkeit, sogar mehrere konkurrierende Wahlvorschläge zu unterstützen, wie es geschehen ist, beseitigt.

Der demokratiepolitische Fortschritt liegt für mich aber vor allem darin, daß es künftig jedem Kandidaten einer Bundespräsidentenwahl zugemutet wird, sich um die ausreichende Unterstützung des Wählervolkes zu bemühen. Die Zahl von 6 000 Erklärungen ist im Interesse ernsthafter Bewerbungen wohl auch nicht zu hoch gegriffen, so klar auch sein mag, daß mit Hil


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