Bundesrat Stenographisches Protokoll 725. Sitzung / Seite 113

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Auch wenn, wie Kollege Kneifel gesagt hat, die Arbeitsmarktpolitik kein europäisches Thema ist, sondern ein nationalstaatliches, so ist es doch die europäische Ebene, die die Kriterien definiert. Es gibt den Stabilitätspakt, an den sich die an der Europäischen Union teilnehmenden Länder zu halten haben. Aber genau dieser Stabilitätspakt re­duziert auch die Handlungsspielräume der Nationen. Das ist Faktum, und mit den negativen Auswirkungen haben wir alle zu kämpfen. Und daher geht es sehr wohl auch darum, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu modifizieren und neben diesem strikten Kriterium auch andere Kriterien mit einfließen zu lassen. Ansonsten wird es schwierig sein, die Binnennachfrage anzukurbeln, die Kaufkraft zu stärken, aber genauso die Mittel für Bildung, Infrastruktur, Forschung und so weiter zu haben. Das sind alles Be­reiche, die de facto unterbewertet sind.

Und wenn, wie du, Kollege Kneifel, gesagt hast, die Wissenschafter nach Amerika ge­hen, dann hat das einen Grund – du kannst ihn bei Kollegen und Kolleginnen an unse­rer Johannes-Kepler-Universität erfragen –: Die Bedingungen sind zunehmend schwie­rig geworden, nicht zuletzt in den letzten fünf Jahren, und sie sind schlechter gewor­den. (Bundesrat Kneifel: Manche kommen schon wieder zurück!) Dann können wir nur hoffen, dass sie auch bleiben. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind schon da!)

In diesem Sinne: Es fehlt einiges. Es ist ein weiterer Schritt. Aber für ein ökologisches, ein soziales, ein ökonomisch nachhaltiges Europa werden wir Grüne den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Finz.

 


15.39.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich verstehe die Kritik von Frau Bundesrätin Lichten­ecker nicht ganz. Sie hat gemeint, der Stabilitätspakt sei zu eng. – Aber gerade diesbe­züglich ist es doch jetzt zu einer Neuerung gekommen!

Was sieht der Stabilitätspakt in seiner neuen Form vor? – Er sieht eine verstärkte sym­metrische Anwendung der Fiskalregeln vor. Das heißt, in guten Jahren soll man mehr für den Haushalt machen, damit man mehr Mittel für die schlechten Jahre zur Verfü­gung hat. Und jetzt sieht der Stabilitätspakt für die schlechten Jahre vor, dass nicht mehr starr die 3-Prozent-Regel gilt, sondern es können gewisse Ausnahmen für einen längeren Zeitraum zur Konsolidierung eingeräumt werden.

Und wenn diese 3 Prozent überschritten werden, dann wird untersucht: Für welche Zwecke werden diese höheren Ausgaben verwendet? Sind diese Mittel zum Beispiel für Investitionen in Bildung und Forschung, sind sie für eine Pensionsreform vorgese­hen, dann wird das für einen längeren Zeitraum angewendet. Also genau das, was Sie jetzt fordern, sieht der neue Stabilitätspakt vor.

Nur eines muss auch sicher sein: Wenn ich einen Binnenmarkt mit einer gemeinsa­men Währung habe, so muss es eine gleich laufende, koordinierte Finanzpolitik geben, denn es kann nicht sein, dass sich ein Land – ich möchte jetzt keines nennen, aber ich schaue in den Süden – um Budgetdefizite überhaupt nicht kümmert, seinen Finanzen einfach freien Lauf lässt und die anderen das dann einsparen müssen, weil die Ge­samtbewertung bei der Aufnahme von Finanzschulden immer vom schwächsten Glied abhängig ist. Wir müssen dann für aufgenommene Kredite höhere Zinsen zahlen, weil sich ein Land überhaupt nicht an die Defizitregeln hält.

Also zu glauben, dass man sich in der Europäischen Union nicht an Finanzregeln hal­ten muss, das geht nicht. Was jetzt vorgesehen ist, sind flexiblere Regelungen, und wir werden in unserer Präsidentschaft zum ersten Mal die Möglichkeit haben, das auch


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