11.43

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Da­men und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Die RednerInnenliste legt es ja bereits nahe und lässt in diesem Fall auch keine Überraschungen zu: Wir, die sozialdemokratische Fraktion, werden der vorliegenden 15a-Vereinbarung unsere Zu­stimmung erteilen, das allerdings nicht ganz uneingeschränkt. Ich werde Ihnen auch gerne skizzieren, wieso wir die eine oder andere Anmerkung noch anzuschließen ha­ben.

Kinder- und Jugendhilfe soll ja in der Folge dazu beitragen, die Rechte der Kinder und Jugendlichen zu schützen. Sie hat ganz besonders Bedacht auf die Förderung ihrer Entwicklung und die Erziehung hin zu eigenverantwortlichen und vor allem gemein­schaftsfähigen Persönlichkeiten zu nehmen. Dies soll unterstützt werden.

Die Kinder- und Jugendhilfe tritt eben immer dann in Aktion, wenn Eltern – aus wel­chem Grund auch immer – nicht in dem notwendigen und vielleicht wünschenswerten Ausmaß in der Lage sind, für ihre Kinder zu sorgen: wenn Krisensituationen innerhalb der Familie entstehen, wenn Kinder in ihren Familien Formen von Gewalt erfahren und vieles andere mehr. Jedenfalls handelt es sich um schwierige und teilweise gestörte Familienbeziehungen.

Ganz wesentliche Player in diesem Zusammenhang sind natürlich die öffentlichen und privaten Trägereinrichtungen, die mit ihren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, PsychologInnen, ÄrztInnen und so weiter versuchen, beraterisch, therapeutisch und dergleichen so einzuwirken, dass eine möglichst förderliche Situation für die betroffe­nen Kinder und Jugendlichen entsteht und ermöglicht werden kann.

Ich darf an dieser Stelle an die wirklich großartige Enquete zu diesem Thema erinnern, die unsere Bundesratspräsidentin außer Dienst Inge Posch-Gruska im letzten Herbst initiiert hat. Wenn Sie sich erinnern: Wir haben im Rahmen dieser Enquete wirklich be­eindruckende Referate von jungen Erwachsenen hören dürfen – von jungen Erwachse­nen, die selbst in unterschiedlichster Form in der Betreuung der Kinder- und Jugendhil­fe gestanden sind und die es erfolgreich geschafft haben, sozusagen in die Selbststän­digkeit entlassen zu werden und ihren Weg enthusiastisch und voller Tatendrang ge­hen zu können. Es war aus meiner Sicht wirklich beeindruckend, was wir damals ge­hört haben. Das kann aber nur dann gelingen, wenn bestmögliche und im Idealfall maßgeschneiderte Betreuungsformen in Anspruch genommen werden können, wenn ein Zusammenspiel von allen Beteiligten, nämlich dem Elternhaus, der Familie, den Behörden, den Trägereinrichtungen, gewährleistet ist, wenn die Qualitätsstandards in diesem Bereich besonders hoch gelegt werden und diese Standards vor allen Dingen überall in Österreich gleich und für alle rund 35 000 Kinder, die Unterstützung in der Er­ziehung erhalten, gleichermaßen erfahrbar sind.

Wir Sozialdemokraten sind einer Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe immer kri­tisch gegenübergestanden – das wissen Sie –, weil wir eben befürchtet haben, dass die Länder unterschiedliche Standards und Qualitätsrahmen zugrunde legen. Wir ha­ben unsere Befürchtungen zuletzt auch in der Enquete dahin gehend ausgedrückt, dass es eben nicht sein kann, dass ein Kind in Vorarlberg unter Umständen nach ei­nem anderen Qualitätsrahmen betreut wird als beispielsweise ein Kind in Wien oder Niederösterreich. Wir wissen aber auch, dass gerade in der Politik oftmals Kompromis­se geschlossen werden müssen, und so ist diese 15a-Vereinbarung auch für uns zu sehen, nämlich als Kompromiss, auf den man weiter aufbauen kann und weiter aufbau­en muss.

Positiv ist für uns, dass jetzt im Artikel 4 der Vereinbarung – im Bereich Weiterentwick­lung von Standards – ganz klar geregelt ist, dass eine Änderung der Mindeststandards immer des Einvernehmens aller Vertragspartner, also aller Länder und des Bundes, bedarf. Das ist nicht nur für die betroffenen Kinder selbst, für die Eltern, für die Familien wichtig, sondern auch für die Trägerinstitutionen, die damit befasst sind.

Erfreulich aus unserer Sicht ist auch die Verpflichtung des Bundes, bei der Erstellung und Veröffentlichung einer bundesweiten Statistik der Kinder- und Jugendhilfe mitzu­wirken sowie Kinderschutzforschung zu betreiben. Ich glaube, evidenzbasierte Weiter­entwicklung ist in diesem Bereich ganz essenziell und, wie gesagt, durchaus positiv zu bewerten.

Unsere größten Kritikpunkte haben Niederschlag in der vorliegenden Artikel-15a-Ver­einbarung gefunden, was wir im Lichte der UN-Kinderrechte und des heuer stattfin­denden 30-jährigen Jubiläums der UN-Konvention als wichtigen weiteren Schritt anse­hen. Eines muss aber klar sein: Die Kinder- und Jugendhilfe braucht die höchste Quali­tät und dementsprechend zugrunde liegende Qualitätsrahmen, die nicht nur bundes­weit einheitlich sind, sondern auch laufend evaluiert und weiterentwickelt werden müs­sen – und das im besten Fall unter Einbeziehung aller Stakeholder, sprich aller Interes­sengruppen.

Ich darf dazu einen Entschließungsantrag zur Installierung eines ExpertInnengremiums im Sinne eines Fachbeirats zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Ju­gendhilfe einbringen. Dieser Fachbeirat soll aus VertreterInnen der ARGE Kinder- und Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendanwaltschaft, dem Kinderrechte-Board, den Care Leavern selbst, VertreterInnen der Trägerorganisationen sowie der wissenschaftlichen fachspezifischen Forschung zusammengesetzt sein.

Entschließungsantrag

der Bundesrätinnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugend­hilfe“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird ersucht, möglichst rasch ein Fachgremium, in der vom Kinderrechte-Board vorgeschlagenen Zusammensetzung, zur Weiterentwicklung und kontinuierlichen Eva­luierung einzurichten.“

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Geschätzte Damen und Herren! Kinder, die in welcher Form auch immer in der Be­treuung der Kinder- und Jugendfürsorge stehen, müssen sich oftmals mit extrem belas­tenden Situationen auseinandersetzen, sei es physischer, aber auch psychischer Na­tur. Gerade für die weitere Entwicklung dieser Kinder ist es ganz, ganz wesentlich, die beste Versorgung durch die Kinder- und Jugendhilfe zu gewährleisten.

In diesem Sinne darf ich Sie alle dazu einladen, unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu erteilen – für das Wohl aller Kinder in Österreich, also auch jener Kin­der, die eben nicht unter den besten familiären Grundvoraussetzungen aufwachsen können. Ich glaube, dass wir heute ein wichtiges Zeichen dafür setzen, einen weiteren Schritt in dieser Entwicklung zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Ju­gendhilfe“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort. Ich erteile es ihr.