10.44

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Kollege Preineder hat ja seine Märchenstunde jetzt schon gehabt (Bundesrat Froschauer: He!), die Zahlen und Fakten von Wikipedia und offensichtlich aus dem Bauernbundjournal abgelesen (Bundesrätin Zwazl: Was ist das für eine Art?!), und schlussendlich fehlte noch irgendwo das Zitat: Bei meiner Ehr!

Ich will aber einen sachlichen Beitrag liefern. (Bundesrat Köck: Das wäre der erste von dir!) – Ja, und das horcht ihr euch dann an, denn das klingt ein bisschen anders als der Beitrag von Herrn Preineder.

Was ist Glyphosat? – Glyphosat ist das meisteingesetzte Pflanzengift der Welt, es ist ein Breitbandherbizid und tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie diesen Herbizideinsatz überlebt. Das Pestizid wirkt systemisch, das heißt, es wird über Blätter, über die Bestandteile der Pflanze, also auch über Samen und Wurzeln, aufgenommen, es lässt sich nicht abwaschen und weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abbauen, und die Rückstände halten sich bis zu einem Jahr lang.

Wo wird dieses Glyphosat eingesetzt? – Es wird natürlich weltweit eingesetzt: in der Landwirtschaft, im Obstbau, im Weinbau, auf Christbaumplantagen, in Parkanlagen, auf Bahngeleisen et cetera.

Birgt Glyphosat Gefahren für uns Menschen? – Da kommen viele Studien in Betracht. Es gibt natürlich negative Auswirkungen, gesundheitliche Folgen: Reizungen der Haut, der Augen, Schwindel, Kopfschmerzen, Husten, Kreislaufprobleme et cetera. Im März hat die WHO diese Studie erstellt – Sie haben da irgendeine andere Studie genannt – und Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend in die Kategorie 2A, das ist die zweithöchste Gefahrengruppe, eingestuft. (Bundesrätin Schulz: Das ist die Wurst oder der Speck!) Und das sind jetzt wirklich Fakten.

Richtet Glyphosat Schäden an der Natur an? – Sie sagen ja Nein, das ist ja förderlich für die Natur. – Die biologische Vielfalt nimmt durch den vermehrten Einsatz ab, durch Glyphosat werden zahlreiche Bodenorganismen, Bakterien, Pilze beeinträchtigt und vernichtet und fehlen für den Aufbau der Bodenstruktur, und somit wird die Boden­fruchtbarkeit abgebaut.

Birgt Glyphosat Gefahren für die Tiere? – Da Glyphosat alle Pflanzen tötet, die nicht dagegen resistent sind, verringert sich natürlich auch der Lebensraum vieler Tiere, weniger Wildpflanzen auf und neben Ackerflächen bedeuten natürlich weniger Lebens­raum für weniger Insekten.

Kann Glyphosat in den menschlichen Körper gelangen? – Ja, auch bei Menschen ist Glyphosat schon in vielen Bereichen festgestellt worden, auch bei jenen, die nicht bewusst mit der Chemikalie in Kontakt getreten sind.

Es gibt auch eine Studie aus dem Jahr 2013, an der 182 Stadtbewohner aus 18 ver­schiedenen europäischen Ländern teilgenommen haben. Bei 45 Prozent wurde Glyphosat im Urin nachgewiesen. Drei Jahre später (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz) – lassen Sie mich ausreden, ich bin noch nicht fertig – wurde eine noch empfindlichere Studie gemacht, eine deutsche Studie, bei der bei 2 000 Teilnehmern zu 99 Prozent Glyphosat im Urin festgestellt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Sie sagen immer, es ist nicht krebserregend. – Wir wissen alle, dass es auch ge­richtliche Urteile gibt, es wurde gerichtlich nachgewiesen, dass Glyphosat, dass Roundup von Monsanto oder jetzt Bayer ein erheblicher Faktor bei der Entstehung einer Krebserkrankung ist. Diese Urteile wurden dementsprechend gefällt.

So, das war einmal der sachliche Beitrag. Jetzt noch ein wenig zur politischen Ge­schichte: Seitens der SPÖ gab es schon jahrelang Bestrebungen, dieses Glyphosat­verbot auf den Weg zu bringen. Die Bestrebungen, auch während der rot-schwarzen Koalition, scheiterten immer am Veto der ÖVP. (Bundesrat Köck: Na Gott sei Dank!) Der damalige Landwirtschaftsminister Berlakovich hat 2014 auf europäischer Ebene für Glyphosat gestimmt. 2017 – ich war selber im EU-Unterausschuss anwesend – haben wir gegen den Widerstand der ÖVP zusammen mit der FPÖ und den Grünen den damaligen Minister Rupprechter aufgefordert, seine Haltung in Brüssel dement­sprechend auszurichten, dass er für ein Verbot eintreten muss. Das ganze Jahr 2018 hat uns die damalige Ministerin Köstinger bei jedem Landwirtschaftsausschuss ver­tröstet, sie wolle erst Nägel mit Köpfen machen, wenn das Ergebnis einer Studie da ist, die mit Unterstützung der Bundesländer in Auftrag gegeben wurde. Das Ergebnis sollte schon Ende 2018 vorliegen, aber wir mussten bis letzte Woche auf diese Mach­barkeitsstudie – ich sage schon Köstinger-Studie dazu – warten.

Jetzt kommen die vielen Zufälle: Es kann ein Zufall sein, dass diese Studie einen Tag vor der Nationalratssitzung veröffentlicht wurde. Diese Studie wurde auch nicht vom Bundesministerium veröffentlicht, sondern von der Boku und von der Ages. Es kann ein Zufall sein, dass diese Studie ohne vorherige Kontaktaufnahme mit den Bundes­ländern, den Koauftraggebern, veröffentlicht wurde. (Bundesrat Preineder: Ja, das Ergebnis wäre nicht genehm gewesen!) Es kann ein Zufall sein, dass inhaltlich keine neuen empirischen Forschungsergebnisse für die Studie herangezogen wurden und dass keine Erkenntnisse, auch keine internationalen Expertenerkenntnisse, eingear­beitet wurden. Und es kann ein Zufall sein, dass diese Studie im Prinzip wie ein Loblied auf Glyphosat klingt. – Ganz ehrlich, geschätzte Damen und Herren, ich glaube nicht an so viele Zufälle.

Die Bevölkerung in Österreich und ich glaube in ganz Europa will keine Umweltgifte, will kein Glyphosat. Sie will eine gesunde Natur, die Tierwelt erhalten und gesunde Lebensmittel. Viele Gemeinden haben diesen Zeitgeist schon rechtzeitig erkannt und haben das über Parteigrenzen hinweg auch umgesetzt: In vielen Gemeinden gibt es kein Glyphosat mehr. Auch die Bundesländer – hier möchte ich positiv Kärnten und natürlich das Burgenland erwähnen – haben in ihrem Zuständigkeitsbereich Glyphosat verboten (Bundesrätin Zeidler-Beck: Zufall?) und haben dementsprechende Be­schlüs­se gefasst und sie auch umgesetzt. (Bundesrätin Zeidler-Beck: Das ist jetzt auch ein Zufall, oder?)

Jetzt kommen wir auch hier an unser Ziel. Es hat sich endlich – endlich, sage ich –, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, eine parlamentarische Mehrheit gefunden, um dieses Verbot von Glyphosat und den Ausstieg aus Glyphosat zu be­schließen.

Mich persönlich wundert es eh nicht, dass wieder einmal die ÖVP bei diesem zukunfts­weisenden Beschluss nicht mit dabei ist. (Zwischenrufe der Bundesräte Köck und Preineder. – Bundesrätin Wagner: Das ist nur populistisch, sonst gar nichts! – Bun­desrat Stögmüller: Gegen die Länderinteressen stimmt ihr ab!) Sie haben einen eige­nen Antrag eingebracht, der keine Mehrheit gefunden hat, Glyphosat im öffentlichen Raum – Schulen, Kindergärten, Spielplätze et cetera – zu verbieten, ausgenommen sollte die Landwirtschaft sein. Wenn Glyphosat, so wie Sie immer sagen, nicht krebs­erregend ist und nicht gesundheitsschädlich ist (Ruf bei der ÖVP: Studien besagen das!), warum soll dann auf definierten Plätzen, so wie Sie das haben wollten, kein Glyphosat aufgebracht werden, sondern nur die großflächige Ausbringung in der Land­wirtschaft – wo, wie wir wissen, 80 bis 90 Prozent der Ausbringung von Glyphosat erfolgt – stattfinden?

Mit unserem heutigen Beschluss, Glyphosat in Österreich zu verbieten, hat Sie, ge­schätzte Damen und Herren der ÖVP, die Zukunft eingeholt, und das ist gut so. Wir können heute stolz von einem zukunftsweisenden Beschluss für unsere Bevölkerung sprechen, für unsere Kinder und deren Zukunft. Wir können stolz davon sprechen, europaweit eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben, und ich bin mir absolut sicher, dass viele Staaten folgen werden und es nicht mehr lange dauern wird, bis dieses Pflanzengift, dieses Umweltgift auch in der EU verboten sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

10.53

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses.