14.38

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Juli 2014 kam es im Tiroler Stubaital zu einem sehr bedauerlichen Vorfall mit sehr schrecklichem Ausgang. Eine junge Mutter ist verstorben, nachdem eine Kuh sie und ihren Hund attackiert und niederge­trampelt hatte. Das Urteil nach dieser tödlichen Kuhattacke auf diese deutsche Tou­ristin sorgte in der Landwirtschaft und im Tourismus zu Recht für große Aufregung, wurde doch in einem Zivilprozess im Landesgericht Innsbruck in erster Instanz der Landwirt, dessen Kuh es war, zu einer Schadenersatzzahlung von 490 000 Euro verur­teilt. Er soll wegen Fahrlässigkeit mit rund 180 000 Euro Schadenersatz und für die Hinterbliebenenrente haften. Der gesamte Streitwert beträgt eben, wie gesagt, rund 490 000 Euro.

Die Betonung liegt auf: in der ersten Instanz, denn es war eine erstinstanzliche Ent­scheidung. Wir haben in Österreich bekanntlich drei Instanzen. Nach dem Landes­gericht entscheiden das Oberlandesgericht und dann eventuell noch der Oberste Gerichtshof. Wenn ein Erstgericht entscheidet, heißt das eben noch lange nicht, dass das Urteil endgültig ist. Der Anwalt des Landwirts will gegen das Urteil in mehreren Punkten berufen.

Dr. Ewald Jenewein, so heißt der Anwalt, ortet mehrere Mängel in der erstinstanzlichen Entscheidung. So hätten etwa die vom betroffenen Bauern angebrachten Schilder exakt der Terminologie entsprochen, die der Oberste Gerichtshof in seiner jüngsten Ent­scheidung gefordert habe. Zudem beruhen etliche Feststellungen zum Unfallge­schehen im Ersturteil angeblich auf reinen Annahmen. Auch bezüglich der georteten Frequenz an der Unfallstelle sei dem Erstgericht ein Fehler unterlaufen, so Anwalt Jenewein.

Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig, und wir wissen nicht, ob es überhaupt halten wird. Trotzdem befürchten natürlich viele negative Folgen für Almen und Tourismus. Eigentlich sind alle der Meinung, dass man da die bäuerliche Bevölkerung unterstützen muss, dass man sie nicht diesen in vielen Fällen hohen Strafen beziehungsweise Schadenersatzzahlungen aussetzen darf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir das doch bitte richtig! Mit dieser Anlass­gesetzgebung ist doch in Wahrheit keinem einzigen Menschen geholfen. Es liegt uns eine Wischiwaschi-Lösung vor, die nicht einmal das Papier wert ist, auf das sie ge­druckt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns als Sozialdemokraten ist es äußerst bedenklich, dass wegen eines Anlassfalls beziehungsweise eines Urteils, das noch gar nicht rechtskräftig ist, sondern uns erst in erster Instanz vorliegt, das Schadenersatzrecht beziehungsweise eine wichtige Bestim­mung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs grundlegend geändert werden soll. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja das erste Mal! Das habt ihr noch nie getan! – Bundesrat Samt: Da kann er sich nicht daran erinnern!)

Wir haben zu Recht Bedenken, denn manche Stellungnahmen von anerkannten Exper­ten zu diesem Gesetzentwurf sind geradezu vernichtend. So führt das Oberlandes­gericht Wien aus: „Insgesamt bedarf es der (anlassbezogenen) Neuregelung im ABGB nicht, sie schafft letztlich weder mehr Klarheit noch mehr Rechtssicherheit. Zudem be­stehen gegen das Vorhaben, noch auszuarbeitende, außerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung erarbeitete ,Standards durch eine Verweisung im Gesetz als ver­bindlich zu erklären, gravierende verfassungsrechtliche Bedenken.“

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag urteilt über den Gesetzentwurf ein­deu­tig negativ. „Zusammenfassend handelt es sich beim vorliegenden Gesetzesent­wurf (...) um ein durchaus verzichtbares Beispiel für eine noch dazu missglückte Anlassgesetzgebung, weshalb diesem Gesetzesvorhaben entgegengetreten wird“, so der Österreichische Rechtsanwaltskammertag.

Auch die Bundesarbeitskammer hat eine umfangreiche, im Tenor sehr kritische Stel­lung­nahme abgegeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht ganz überzeugend! – Bundes­rat Samt: Das sind die, die uns immer anzeigen!) Ich weiß schon, dass die Arbeiter­kammer bei Ihnen lieb Kind ist.

Vom SPÖ-Landtagsklub Tirol liegt uns ebenfalls eine Stellungnahme vor, die die durch das Gesetz entstehende Rechtsunsicherheit und das ungerechtfertigte Haftungs­pri­vileg für Almbauern kritisiert.

Für mich ist die wichtigste Stellungnahme jene des Obersten Gerichtshofs, in der in ähnlichem Tenor festgehalten wird: „Die vorgeschlagene Neuregelung führt daher in keinem Punkt zu einem Gewinn an Rechtssicherheit, sie wirft vielmehr neue Probleme auf. Damit stellt sich die Frage nach ihrem rechtspolitischen Sinn. Ist es tatsächlich angebracht, eine bewährte, durch höchstgerichtliche Rechtsprechung konkretisierte Norm mit weitwendigen, aber keinen erkennbaren Mehrwert aufweisenden Formu­lie­rungen aufzuladen, nur weil das möglicherweise einer medial geschürten Erwartungs­haltung entspricht?“ (Bundesrat Steiner: Zählt für euch jetzt plötzlich der Oberste Ge­richtshof?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ehemalige Bundesregierung hat sich dazu bekannt, Gesetze einfacher, klarer und für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher zu machen. Das ist im Regierungsprogramm auf Seite 9 nachzulesen. Die beabsich­tigte Ergänzung in § 1320 ABGB entspricht diesem Ziel jedoch in keinster Weise. Für mich ist das ein weiterer Beweis dafür, was die alte Bundesregierung immer wieder gemacht hat, nämlich zwar das eine zu behaupten, aber das andere, nämlich das komplette Gegenteil davon zu tun.

Weitere Beispiele waren: Sparen im System – Stichwort Familienfest, bei dem 300 000 Euro Steuergeld oder mehr für eine Parteiveranstaltung ausgegeben worden sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist das nicht dasselbe wie beim Donauinselfest? Das wird auch aus Steuergeldern bezahlt!) Unser Geld für unsere Leute – das haben manche komplett falsch ausgelegt, sie haben das etwas persönlicher aufgefasst. Ich könnte das noch x-fach fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Ihr seid keinen Deut besser!)

Noch merkwürdiger und trauriger ist aber, dass damit wieder einmal anerkannte Exper­tenmeinungen wider besseres Wissen einfach in den Wind geschlagen werden. Eine Husch-pfusch-Lösung wird durchgepeitscht oder soll durchgepeitscht werden. Es wird keine nachhaltige Lösung gesucht, nämlich eine mit Hand und Fuß, nein, es wird ein weiterer Murks fabriziert.

Unser Ansatz in dieser Diskussion war von Beginn an, dass wir eine Versicherungs­lösung zugunsten der bäuerlichen Bevölkerung finden sollten. (Bundesrat Steiner: War falsch! – Bundesrat Samt: War grundsätzlich falsch!) Altkanzler Kurz ist mit seiner Frau Ministerin gekommen und sie haben erklärt, dass es nichts kosten darf. Warum Altkanzler Kurz die Bauern da einfach im Regen stehen lässt, ist für mich überhaupt unerklärbar. Vielleicht haben sie nichts gesponsert, das wäre vielleicht eine Antwort, für mich aber keine zufriedenstellende. (Ruf bei der ÖVP: Na geh bitte! – Bundesrat Samt: Immer diese Schauergeschichten!)

Das ist alles andere als eine Lösung! So etwas als Lösung zu verkaufen und die Bauern mehr oder weniger in ein Problem hineinzuhetzen, anstatt ihnen wirklich zu helfen, finde ich gerade von einer Partei unverschämt, die auch heute hier vom Pult aus mehrfach wider besseres Wissen erklärt hat, dass sie für die Landwirtschaft und für die bäuerliche Bevölkerung eintritt.

Kostet nichts, schadet nichts, hilft nichts – das war anscheinend das Motto von Alt­kanzler Kurz und seiner ehemaligen Ministerin. Wenn es nichts kosten darf, dann machen wir irgendetwas, beschließen wir irgendetwas, um vorzugaukeln, dass wir ohnedies etwas getan haben. Das schaut dann eben so aus wie der vorliegende miserable Gesetzentwurf. Darum werden wir heute aus Überzeugung nicht zustimmen. Wir bleiben beim Urteil des Obersten Gerichtshofs: Dieser Gesetzentwurf ist über­flüssig, hat keinen Mehrwert und schafft letztlich weder mehr Klarheit noch mehr Rechtssicherheit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Seit wann zählt für euch der Oberste Gerichtshof?)

14.48

Präsident Karl Bader: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm dieses.