14.49

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Zuhörer und Zuseher zu Hause und hier im Saal! Kollege Martin Weber, bei aller Wertschätzung: Was du da jetzt vorgebracht hast, ist die typische Betrachtungsweise von irgendwo weit entfernt von den Tatsachen, die wir heute hier zu beurteilen haben. Ich muss dir ehrlich sagen, ich war ab dem ersten Tag dieser Entscheidung mitten im Geschehen. Wir haben mitbekommen, was das für die Betroffenen bedeutet.

Am Anfang möchte ich sagen: Es ist ein wirklich sehr trauriger Anlass, aus dem heraus wir heute über die Änderung der Tierhalterhaftungsbestimmungen reden und disku­tie­ren müssen und hoffentlich auch eine gescheite Gesetzesbestimmung beschließen werden. (Bundesrat Weber: Dann machen wir es anders!)

Auch ich möchte meinen Ausführungen mein tiefstes Mitgefühl für die betroffene Fa­milie voranstellen, die eine junge Mutter verloren hat. Die Schadenersatzzahlungen können noch so hoch ausfallen, wir alle wissen, dass einer Familie eine junge Mutter nicht ersetzt werden kann. Zu Beginn also mein tiefes Mitgefühl.

Was du jetzt nicht in Betracht gezogen hast, ist: Im Jahr 2014 hat die Staatsanwalt­schaft Innsbruck diesen Vorfall auf das Genaueste geprüft und das Verfahren bald ein­gestellt, weil die Staatsanwaltschaft festgestellt hat, dass der wirklich sehr sorgfältige Landwirt alle Anforderungen der Kennzeichnung erfüllt hat, die man an einen ordent­lichen Landwirt stellt. (Bundesrat Schennach: Kein Widerspruch zu dem, was er gesagt hat!)

Unser großes Problem auf den Almen ist insbesondere die Frequenz und vor allem das Mitführen von Hunden. Darauf hat der Bauer sogar sehr vorbildlich hingewiesen, und daher stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass das Verfahren einzustellen ist. Umso überraschender ist das Urteil des Landesgerichts Innsbruck, das du schon angesprochen hast. (Bundesrat Weber: Du bestätigst nur, was ich gesagt habe!) Bis hierhin sehen wir das auch ziemlich gleich.

Was du aber nicht mitbekommen hast, war die Empörung in unserem Land. Die Empörung bei den Landwirten, bei den Touristen und im Tourismus hat es vor allem in Tirol gegeben und sie ist dann auch darüber hinausgegangen. (Bundesrat Schennach: Nicht nur in Tirol! – Bundesrat Weber: Die Zeitungen waren voll davon!) Es gab Empörung bei den Touristen, das sage ich selbst ja auch, und Empörung bei den Konsumenten. Sogar der Österreichische Alpenverein hat gesagt, dass es nicht richtig ist und eigentlich nicht so gemacht gehört, dass man den Landwirt in der Form zur Verantwortung zieht, dass er Schadenersatz zahlen muss. (Bundesrat Weber: Immer noch kein Widerspruch!)

Man muss wissen, dass der freie Weidegang auf Almen durch die Jahrhunderte typisch und üblich war; eine Einzäunung innerhalb des Almgebiets war und ist unüblich und war bisher auch nicht notwendig. Erst in den letzten Jahrzehnten haben die Ein­heimi­schen und viel mehr dann auch die Touristen den Reiz der Almen erkannt und ken­nengelernt. Es sind immer mehr Wanderer und in den letzten Jahren immer mehr Wanderer mit zumindest einem Hund, meist mehreren Hunden, auf unsere Almen gekommen und haben da die Situation ein bissl durcheinandergebracht.

Da unterscheiden wir uns wieder ein bissl: Was war die Reaktion der Landwirte auf dieses Urteil? – Die haben nicht gesagt: Wir warten jetzt einmal auf das Ergebnis. Jetzt haben wir einmal das Landesgericht, das ist einmal ein Einzelrichter gewesen, dann kommt das Oberlandesgericht und dann in vier Jahren vielleicht noch der OGH. Das dauert so lange oder vielleicht auch drei Jahre. – Wir können darauf aber nicht warten, denn es geht um unsere Existenz. Wenn es zu einem weiteren Fall kommt, wird das Landesgerichtsurteil zitiert.

Der OGH hat bis dato immer gesagt, dass eine Einzäunung auf Almen nicht notwendig ist. Plötzlich geht ein Einzelrichter davon ab. Wir haben leider immer wieder Vorfälle. Zwar wird dieses Urteil beeinsprucht, aber es ist zu befürchten, dass man, bis dieser Fall letztinstanzlich entschieden ist, dieses Urteil des Landesgerichts Innsbruck zitiert. Damit droht jedem anderen Almbauern der gleiche Schadenersatzanspruch, und da geht es dann um die Existenz.

Da gab es die Reaktion, dass die Almbauern bei uns im Jahr 2019 angekündigt haben – der Almsommer beginnt im Mai, Juni –, dass sämtliche Almen gesperrt werden. Das war eine Herausforderung für die Politik, für den Tourismus, und da hat es viele Runde Tische gegeben. Man hat gesagt, man braucht nicht in drei Jahren, sondern sofort ein entsprechendes Paket für die Almen. (Bundesrat Weber: Da spricht ja nichts dagegen, aber eben ein gescheites!)

Da haben wir etwas Gescheites, und das Paket umfasst folgende Lösungen: Da geht es nicht nur um die Anpassung des § 1320 im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Es gibt einen Leitfaden, an den sich Touristen und Almbesucher halten müssen. Es kann nicht sein, dass die alleinige Verantwortung für Zwischenfälle zwischen Tieren und Almbesuchern bei den Bauern liegt. (Bundesrat Weber: Das ist jetzt schon so!) Es gibt aber auch einen Leitfaden für Landwirte, für Almbauern, die sich auch daran halten müssen, gerade dort, wo es hohe Frequenzen gibt. Da kann es sein, dass manchmal eine Einzäunung von Tieren erforderlich ist.

Zum Dritten – du hast angesprochen, dass es keine gescheite Lösung beim Versiche­rungsschutz gibt –: In meinem Bundesland, aber auch im Bundesland Salzburg und im Bundesland Kärnten und ich weiß nicht, wo es noch so ist, wo es eben Almen gibt, haben wir einen absoluten Versicherungsschutz durch die Haftpflichtversicherung, was aber auf keinen Fall eine strafrechtliche Verurteilung ausschließt. Dieser Versiche­rungsschutz ist jedenfalls sehr wohl gegeben.

Du hast von einer Wischiwaschi-Geschichte gesprochen, von Verhaltensregeln, die nicht im Gesetzesrang sind. Das alles ins Gesetz hineinzuschreiben, dabei würde ich dir viel Glück wünschen. Man muss darauf abstellen, ob es Mutterkühe sind, ob es normale Kühe sind, ob es schon einmal gefährlich gewesene Kühe sind oder was auch immer. Das ist sehr schwierig, und daher hat man einen Weg gesucht, mit Verhaltens­regeln zu arbeiten, mit denen man sich ein bissl an die sogenannten FIS-Regeln angelehnt hat, die für das Skifahren gelten. Ich selbst habe auch einmal bei Gericht gearbeitet. Da hat es viele Verhandlungen über Zusammenstöße zwischen Skifahrern gegeben. Dabei hat das Gericht immer auf die FIS-Regeln zurückgegriffen. Das heißt: Der von oben Kommende hat Vorrang, der Untere, der wegfährt, muss hinaufschauen. Genau diesen Status sollen diese Verhaltensregeln jetzt haben.

Beim nächsten Zwischenfall sollte das Gericht auf diese Verhaltensregeln zurück­greifen können und sagen können: Du als Almbesucher bist mit drei Hunden mitten durch eine Mutterkuhherde gegangen, obwohl in den Verhaltensregeln steht, dass du sie möglichst weit umgehen und den Kontakt meiden sollst. Du als Almbauer hast selbst einen Gastronomiebetrieb und schaust, dass jeden Tag 500 Leute hinkommen, da musst du auch für die ordentliche Verwahrung deiner Tiere sorgen. – Auf diese Standards wird das Gericht zurückgreifen.

Für uns, für die Landwirtschaftsvertretung ist wichtig, dass sich der Almbauer, wenn er die ausformulierten Standards einhält, sicher sein kann, dass er künftig nicht mehr zur Haftung herangezogen wird. Er kann sich nicht sicher sein, dass er nicht wieder von irgendeiner Rechtsschutzversicherung geklagt wird. Wenn er jedoch die Standards einhält, dann wird ihm meiner Meinung nach nichts mehr passieren.

In diesem Zusammenhang sind wir in Tirol, einem Tourismusland – und ich glaube, das gilt auch für die anderen Bundesländer –, sehr dankbar für die schnelle Reaktion der bäuerlichen Interessenvertretungen, der Landesregierungen und der Bundes­regie­rung unter dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Ministerin Elli Köstinger. Sie haben erreicht, dass Sicherheit eingekehrt ist. Die Bauern haben ent­gegen ihren Ankündigungen, dass sie alle Almen sperren werden, meines Wissens in ganz Tirol keine einzige Alm und keinen einzigen Weg gesperrt. Das Vertrauen ist also wiederhergestellt worden.

Mein Abschluss daher: Ein großes Dankeschön an den damaligen Kanzler Sebastian Kurz und die damalige Ministerin Elli Köstinger. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57

Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.