9.52

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, vor allem aber geschätzter Herr Vizekanzler! Ich möchte zunächst mit einem großen Dank an den Vizekanzler, an die Mitglieder der Bundes­regierung, allen voran an den Gesundheitsminister und den Innenminister, vor allem aber auch an alle Mitglieder des Einsatzstabes und all jene, die im Gesundheitssystem, aber auch bei der Polizei und darüber hinaus im Moment ihren Dienst versehen, begin­nen.

Es werden mehr als nur herausfordernde Wochen für Europa und für Österreich wer­den. Wir sind mit einer Situation konfrontiert, auf die wir uns die letzten Wochen vorbe­reitet haben, für die wir auch die letzten Maßnahmen vorbereitet haben, wobei wir uns bewusst damit auseinandergesetzt haben, was zu tun ist, wenn diese Situation, wenn dieses Szenario eintritt; insofern sind wir vorbereitet. Allerdings – darüber muss ich Sie informieren –: Dieses Szenario tritt jetzt auch ein. Wir sind damit konfrontiert, dass sich das Coronavirus in Europa ausbreitet. Sie wissen, ich habe vor ungefähr zwei Wochen gesagt, es wird keinen Bogen um Österreich machen. Genau diese Situation findet statt, und sie findet in voller Härte statt. Die Ausbreitung in Europa ist quer durch die europäischen Länder in einem sehr, sehr rasanten Tempo und mit einer Geschwindig­keit gegeben, die uns dazu veranlasst, intensive Maßnahmen zu setzen und drastisch in das Leben der Menschen einzugreifen. Wir tun das keinesfalls leichtfertig, wir tun das auch nicht gern, aber es ist mehr als notwendig.

Wir haben daher in den letzten Tagen einige Maßnahmen gesetzt, die natürlich eine starke Einschränkung für das Leben der Menschen in unserem Land bedeuten. Ich muss jetzt schon ankündigen, dass weitere Maßnahmen, weitere drastische Schritte notwendig sein werden. Wir haben zwar nach wie vor in Österreich eine geringe Zahl an Infizierten, aber – weil ich das so oft gefragt werde –: Es geht nicht um die Zahl der Infizierten, sondern es geht einzig und allein um die Steigerung. Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass wir mittlerweile bei über 300 Infizierten sind, dann können Sie sich sehr leicht selbst ausrechnen, was das an Steigerung im Vergleich zu gestern, zu vorge­stern bedeutet. Sie können sich auch sehr leicht ausrechnen, dass das bedeutet, in einigen Tagen die Tausendergrenze zu durchstoßen, eine Woche darauf die Zehntau­sender­grenze.

Insofern werden wir – auch wenn andere europäische Länder da noch zögern und nicht so intensive Maßnahmen setzen – unseren Weg fortsetzen. Wir werden ganz konsequent reagieren, in einer Phase, in der diese Maßnahmen noch Sinn machen und zumindest eine Verlangsamung stattfinden kann.

Ich werde immer wieder gefragt: Ist es möglich, die Ausbreitung des Virus aufzu­halten? – Nein, das ist nicht möglich. Es ist aber möglich, eine Verlangsamung zu erreichen, und das ist ganz entscheidend, um die Kapazitäten in unserem Land nicht sofort überzubelasten. Wir müssen in Österreich alles tun, um die älteren Menschen in unserem Land zu schützen. Sie sind hauptbetroffen, auch wenn es um die Frage der Sterblichkeit geht. Insofern ist unser absolutes Ziel – das absolute Ziel der Bundes­regierung –, alle Maßnahmen zu setzen, um eine Verlangsamung der Ausbreitung sicherzustellen.

Ich bitte Sie als Bundesräte, als verantwortungsvolle Politiker selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und keinesfalls zu beschwichtigen. Ich bitte Sie, die Bevölkerung und vor allem diejenigen, die noch nicht zu 100 Prozent realisiert haben, womit wir es hier zu tun haben, aufzuklären. Ich bitte Sie vor allem auch, einige Botschaften unter die Menschen zu bringen – nämlich zum Ersten, dass es absolut notwendig ist, ältere Menschen zu schützen, und das bedeutet auch, so schwer das fällt, den Kontakt zur Eltern- und Großelterngeneration deutlich zu reduzieren oder wenn möglich gänzlich auszusetzen.

Ich habe ein ausgezeichnetes Verhältnis zu meinen Eltern, aber ich treffe sie die nächsten Wochen nicht. Es wird keine gemeinsamen Familienessen an den Wochen­enden geben, obwohl wir das sonst gerne machen. Aber es ist möglich, diesen Kontakt einzuschränken, und es ist sinnvoll, weil ich meinen Vater, der 70 Jahre alt ist und bei dem eine Erkrankung ganz andere Auswirkungen hätte als bei mir, schützen möchte. Meine Mutter kann den Kontakt zu meiner Großmutter nicht einstellen, weil sie pflege­bedürftig und auf Unterstützung angewiesen ist. (Bundesrätin Grimling: Eben!) Aber dort, wo es möglich ist, sollte der Kontakt eingeschränkt werden. So hart das klingt und so schwer einem das selbst über die Lippen geht, bitte ich Sie, das in der Bevölkerung auch weiterzutragen. Das ist die effizienteste Methode, um die ältere Generation zu schützen.

Zweiter Punkt: Ich höre in den letzten Tagen im Freundeskreis immer wieder die Frage – meistens per SMS, weil ich so viel in Sitzungen bin, dass ich telefonisch nicht erreichbar bin –: Darf ich da noch hingehen? Soll ich da noch hinfahren? All diese Fragen sind sehr leicht zu beantworten, nämlich immer mit derselben Antwort: Nein. – Alles, was nicht notwendig ist, sollte nicht stattfinden! Wenn Sie sich die Frage stellen: Soll ich etwas tun?, dann beinhaltet die Frage schon, dass es möglich ist, darauf zu verzichten, und das bedeutet: Verzichten Sie darauf! Der Messbesuch genauso wie die Familienfeier, all das sind Veranstaltungen, wenn auch im kleinsten Kreis, wo eine Übertragungsgefahr besteht, und all das sollte in den nächsten Wochen reduziert werden.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren: Ich werde gleich im Anschluss mit den Zuständigen in der Bundesregierung und dem Einsatzstab weitere Maßnahmen besprechen und diese auch zügig für Österreich umsetzen. Darüber hinaus bereiten wir selbstverständlich auch Maßnahmen vor, um die österreichische Wirtschaft best­möglich zu unterstützen, stets mit einem Ziel, nämlich die Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern.

Es werden herausfordernde Wochen, aber es sind Wochen, in denen wir Handlungen setzen können, um die Ausbreitung zu verlangsamen, um den Peak vielleicht hinter die Grippesaison zu verschieben und so die Leben von älteren Menschen in unserem Land zu retten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.59

Vizepräsident Michael Wanner: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer und Teil­nehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm.