10.04

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Liebe ZuhörerInnen und ZuschauerInnen zu Hause, da ja heute die Galerie für Besucher gesperrt ist!

Die aktuellen Zahlen aus dem Sozialministerium: knapp 70 000 Fälle weltweit, 5 869 Testungen und 302 positiv getestete Fälle in Österreich – was heißt Fälle? –, Men­schen, die vom Coronavirus betroffen sind. Ohne Zweifel stehen Österreich und die ganze Welt aktuell mitten in einer Ausnahmesituation, einer Situation, die man sonst wahrscheinlich nur aus schlechten Hollywoodfilmen kennt, einer Situation, die – wie wir heute schon sehr ausführlich gehört haben – nahezu alle Bereiche unseres Lebens beeinflusst und vermutlich auch nachhaltig verändern wird. Dass natürlich verschie­denste Maßnahmen notwendig waren, um eine Ausbreitung des Virus möglichst hint­anzustellen, ist klar.

Positiv ist, dass da über alle Parteigrenzen hinweg alle zusammenstehen und gemein­sam um Lösungen bemüht sind. Hört man sich aber um, dann bemerkt man inzwi­schen doch eine deutliche Verunsicherung in der Bevölkerung, die meines Erachtens auch größer zu werden scheint. Es herrscht da eine große Unsicherheit, nicht zuletzt auch aufgrund der gesetzten Maßnahmen – so notwendig und so richtig sie auch sein mögen.

Dazu nur ein kleines Beispiel – auch wenn ich weiß, dass es in diesem Ausmaß nicht zu vergleichen ist –: Wenn mir im öffentlichen Raum ständig und überall Uniformierte begegnen, vielleicht noch dazu schwer bewaffnet, dann fördert das nicht zwangsläufig auch wirklich mein individuelles und persönliches Sicherheitsgefühl – oft ist ganz genau das Gegenteil der Fall, und da kann es sich unter Umständen ähnlich verhalten und entwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist daher aus meiner Sicht die Aufgabe der Politik, aufzuklären, zu informieren und selbstverständlich auch weitere nötige vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Ich denke, für politisches Kleingeld ist in diesen Zeiten kein Platz, und ich hoffe, da sind wir uns alle einig. Es ist die Verantwortung der Politik, auch dafür zu sorgen, dass eben keine Panik, keine Hysterie in der Bevölkerung ausbricht. Es muss dafür gesorgt werden, dass es zu keiner Eskalationsspirale kommt. Es zeigen sich beispielsweise erste negative Aspekte der Social-Media-Plattformen mit all ihren Auswirkungen, wie zum Beispiel falsche Gerüchte und Informationen, die sich rasend schnell verbreiten und die Unsicherheit so noch mehr anheizen – von angeblichen Naturheilmitteln bis abstrusen Verschwörungstheorien ist da alles dabei.

Auf der anderen Seite wird die Situation aber auch teilweise unnötig verharmlost, frei nach dem Motto: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. – Das alles könnte im schlimmsten Falle jegliche noch so gut von Behördenseite vorbereitete Maßnahme konterkarieren. Da gilt es aus meiner Sicht, ganz dringend aufzuklären und an die Vernunft der Bevölkerung zu appellieren.

Lassen Sie mich an dieser Stelle – selbstverständlich auch als Pädagogin – noch auf die Auswirkungen im Bildungsbereich zu sprechen kommen, eine wirklich höchst diffizile Angelegenheit für die Pädagoginnen und Pädagogen, aber natürlich auch für die Eltern, für die Erziehungsberechtigten! Gerade in diesen Minuten werden auch an meiner Schule Vorbereitungen und Vorbereitungsmaßnahmen für die uns bevorste­hende – möglicherweise längere – schulfreie Zeit getroffen. Da geht es natürlich zual­lererst um eine entsprechende Information und Vorbereitung der Schüler selbst, aber auch der Erziehungsberechtigten, es geht um das Erstellen von Arbeitsplänen, von Arbeitsmaterial und um das Sicherstellen von Betreuung, wenn sie zu Hause nicht möglich ist, es müssen aber auch Projektwochen, Sprachwochen im Ausland, Exkur­sionen abgesagt und storniert werden.

Es braucht da ganz konkrete Informationen seitens des Bildungsministeriums. Die Eltern sind teilweise wirklich massiv verunsichert und melden sich auch an meiner Schule mit zahlreichen ungeklärten Fragen, wie: Bleibe ich auf den Kosten für die stornierte Englandsprachwoche sitzen? Bin ich vielleicht sogar eine schlechte Mutter, wenn ich für mein Kind keine Betreuung sicherstellen kann, wenn mein Kind in der Schule, im Kindergarten betreut werden muss? – Meine dringende Bitte an den Herrn Bildungsminister lautet, da rasch für Aufklärung zu sorgen, für Infomaterial zu sor­gen und das zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Außerdem muss sich Österreich aus meiner Sicht auch auf die Zeit danach vorbe­reiten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen lassen sich ja jetzt noch gar nicht vorher­se­hen – Kurzarbeit, vorübergehende Schließungen, Konkurse, Entlassungen stehen da und dort im Raum. Es wird also ein groß angelegtes Konjunkturpaket brauchen, um die Wirtschaft dann auch wieder in Gang zu bringen, um Arbeitsplätze zu sichern. Aktuell ist die Frage der Entgeltfortzahlungen bei einer möglicherweise länger andauernden Betreuung der Kinder rasch zu klären. (Beifall bei der SPÖ.)

Irgendwann werden auch Reisebeschränkungen wieder aufgehoben werden, werden auch Veranstaltungen mit größeren Menschenansammlungen wieder stattfinden kön­nen. Ich möchte auch auf die soziale Komponente der Problematik hinweisen. Ich nehme an, viele von uns haben das TV-Interview mit einem niederösterreichischen Ehepaar gesehen, das ganz klar angesprochen hat, dass ihre Kinder, die nicht infiziert und damit nicht betroffen waren, wie Aussätzige behandelt werden. Menschen, die asiatisches Aussehen haben, werden in den öffentlichen Verkehrsmitteln gemieden und sehen sich ob dieser gesamten Thematik tagtäglich auch mit rassistischen Äuße­rungen konfrontiert.

Wie gehen wir als Gesellschaft auch in Zukunft mit dieser Art des vielleicht sich steigernden Alltagsrassismus um? All das und noch viel mehr wird uns wahrscheinlich noch lange beschäftigen.

Wie lange Österreich durch die Coronakrise – die sie ja ist – und ihre Auswirkungen auf den verschiedensten Ebenen beeinträchtigt sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Tatsache ist, dass wir das nur gemeinsam werden bewältigen können, um besonders die vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft entsprechend schützen zu können.

Abschließend gilt es natürlich noch, all jenen Menschen zu danken, die auch unter diesen widrigen Umständen ein Minimum an gesellschaftlichem Leben in Österreich aufrechterhalten, nämlich allen Personen im Gesundheitsbereich, im Pflegebereich, jenen im Einzelhandel – ganz besonders im Lebensmitteleinzelhandel –, auch den Pädagoginnen und Pädagogen, die Betreuungstätigkeiten übernehmen, und vielen, vielen anderen mehr. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.10

Präsident Robert Seeber: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Aufgrund der aktuellen Brisanz ist der Herr Bundeskanzler gezwungen, das Hohe Haus zu verlassen. Er nimmt an einer Videokonferenz mit den anderen Staats- und Regierungschefs teil. Der Herr Vizekanzler wird bei uns im Hohen Haus verbleiben. Ich bitte darum, dies aufgrund der brisanten aktuellen Lage zu verstehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.