14.57

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren, die via ORF III dabei sind! Erlauben Sie mir eine ganz persönliche Bemerkung zu den Ausführungen der Kollegin Mühlwerth: Ich möchte sagen, ich habe für große Teile Ihrer Rede Sympathie – bis auf die Geschichte mit der Kommunikation, das sage ich ganz offen, denn die Presseförderung während der Regierungszeit mit FPÖ-Beteiligung war auch nicht zu schmal, das nur so nebenbei bemerkt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, weniger als jetzt!)

Jetzt aber zum Inhaltlichen, meine Damen und Herren: Die Coronakrise hat ja große Auswirkungen auf unser Land und vor allen Dingen auf die Menschen in Österreich. Unser Leben wird derzeit von Beschränkungen, von Unsicherheit, Kurzarbeit, Arbeits­losigkeit und Sorgen um die Zukunft begleitet. Ich will mich in meinem Redebeitrag heute den Risikogruppen zuwenden, vorweg jedoch eine zweite persönliche Bemer­kung: Die neue Regelung ist besser als die alte, wobei der Begriff „alte“ Regelung ein bisschen übertrieben ist, denn sie ist kaum vier Wochen alt, und das heißt, das alte Gesetz war und ist nicht einmal einen Monat gültig.

Herr Bundesminister, gestatten Sie mir, das zu sagen: Das zeugt nicht gerade von handwerklicher Qualität bei der Gesetzwerdung. Aber sei’s drum – nun zum Inhalt­lichen.

Meine Damen und Herren, beim schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft muss auf Risikogruppen besonders Rücksicht genommen werden. Die von der Regierung bisher getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Risikopersonen sind natürlich wichtig und sinnvoll, sie reichen aber – das hat Kollege Appé schon gesagt – bei Weitem nicht aus.

Erster Kritikpunkt: Die Betroffenen haben viel zu lange auf diese Regelung gewartet.

Zweiter Kritikpunkt: Die Entscheidung darüber, wer zur Risikogruppe gehört, kommt aus meiner Sicht viel zu spät.

Drittens: Die unprofessionelle Vorgangsweise hat zu großer Verunsicherung einer Viel­zahl von Menschen geführt. Millionen Menschen wurden im Glauben gehalten, zur Risikogruppe zu gehören. Ich finde, es ist gut, dass es jetzt Klarheit gibt, ich sage es aber noch einmal: Die Klarheit kommt aus meiner Sicht viel zu spät.

Viele Betroffene haben bereits vor Wochen ärztliche Atteste erhalten. Unklar ist, was mit diesen bestehenden Attesten passiert. Schade ist, dass man sich nicht für eine rückwirkende Regelung entschieden hat, eine klare Regelung zur Kostentragung fehlt noch immer.

Jede Bürgerin und jeder Bürger, alle PatientInnen, die an einer solch schweren Er­krankung leiden, sollten das Recht haben, ein Attest vom Arzt oder der Ärztin zu erhalten, unabhängig davon, ob sie DienstnehmerInnen, Arbeitslose, Pensionisten oder Angehörige sind. Für welche Zwecke auch immer man es braucht – um es beim Arbeitgeber, beim AMS oder in der Schule vorzuweisen –, alle Menschen, die sehr schwere Vorerkrankungen haben und wissenschaftlich belegt besonders gefährdet sind, müssen kostenfreien Zugang zu einem Risikoattest haben. Wichtig ist natürlich, dass DienstnehmerInnen und Lehrlinge ein solches Attest vorweisen können, darüber hinaus aber auch alle Bürgerinnen und Bürger, die es brauchen.

Arbeiterkammer und Gewerkschaften haben sich daher für eine Verbesserung der ge­setzlichen Regelung zum Schutz der Risikogruppen eingesetzt. Gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Ärztekammer konnte eine rasche und unbürokratische Lösung gefunden werden. Klargestellt wurde, dass es sich bei den betroffenen Risikogruppen um Menschen handelt, die sehr schwere Vorerkrankungen haben und wissenschaftlich belegt besonders gefährdet sind.

Die Lösung gilt nun – das ist eine Frage der Gerechtigkeit – für alle ArbeitnehmerInnen und Lehrlinge, auch für jene – Kollege Appé hat es schon erwähnt – in den ver­sorgungskritischen Bereichen. Dass in systemrelevanten Bereichen Beschäftigte völlig vom Schutz ausgenommen waren, ist aus meiner Sicht inakzeptabel und unver­ständ­lich. (Beifall bei der SPÖ.) Das Virus macht nämlich keinen Unterschied zwischen den Berufsgruppen, aus meiner Sicht darf die Politik das natürlich auch nicht tun. Diese Bereiche wurden ergänzt, und der Schutz gilt jetzt für alle Berufsgruppen, und dazu sage ich: Das ist auch gut so.

Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass selbstverständlich gerade Beschäftigte und Lehrlinge in systemerhaltenden Branchen erfasst sind. Risiko ist Risiko, meine Damen und Herren! Das Virus macht nicht halt, egal, wo man beschäftigt ist. Es ist daher gut und wichtig, dass nunmehr alle Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie in einem systemerhaltenden Beruf tätig sind oder nicht, vom Schutz der neuen Regelung erfasst sind. Gerade etwa im Lebensmittelhandel oder im Gesundheitsbereich, zum Beispiel in den Spitälern, setzen sich Beschäftigte seit Beginn der Krise mit ihrer Ge­sundheit ein, setzen sie natürlich auch aufs Spiel, und haben wohl das größte Risiko.

Dass man gerade diese Branchen vorweg ausgenommen hat, ist aus meiner Sicht unerklärlich, geradezu widersinnig. Es muss doch uns allen ein Anliegen sein, alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um das Ansteckungsrisiko zu mini­mieren. Davon kann man, wie gesagt, niemanden ausnehmen. Klar ist: Das Virus macht keinen Unterschied, ob jemand durch Covid seinen Arbeitsplatz verloren hat, ein Kind oder ein Pensionist ist. Das Virus unterscheidet auch nicht, ob jemand selbst beschäftigt oder Angehöriger ist.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung muss aus meiner Sicht klären, wie damit umgegangen wird, wenn Beschäftigte mit Risikopatientinnen und -patienten zu­sam­menleben. Auch sie brauchen Klarheit über nötige Vorsichtsmaßnahmen. Derzeit ist es so, dass die Angehörigen nicht einmal ein Attest darüber erhalten, dass sie zum Kreis der Risikopersonen zählen, wenn ihre Angehörigen der Risikogruppe angehören, wenn sie also schwer erkrankt sind. Wir fordern nicht nur das Selbstverständliche – das Attest –, sondern auch die Einbeziehung von Personen, die mit gefährdeten An­gehörigen zusammenleben, in den Freistellungsanspruch. Das heißt, bei den Ange­hörigen fehlt derzeit alles: Attest, Freistellungsanspruch und Kündigungsschutz für Per­sonen, die mit einer Risikoperson im gemeinsamen Haushalt leben.

Meine Damen und Herren, es braucht Klarheit und es braucht vor allen Dingen Sicher­heit. Wer mit einem schwer erkrankten Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, muss genauso die Sicherheit haben, sich keinem unnötigen Infektionsrisiko auszusetzen, wie in anderen Fällen, in denen sichergestellt werden muss, dass ArbeitnehmerInnen einen Anspruch auf Freistellung und wirksamen Kündigungsschutz haben. – Zum Kündi­gungsschutz hat ebenfalls Kollege Appé schon gesprochen.

Ganz kurz noch zu den ÄrztInnen: Wichtig ist auch, dass ÄrztInnen die Letztent­scheidung über die Zuordnung zu Risikogruppen treffen. Ich finde, das ist gut so. Es liegt allein in ihrer Kompetenz, medizinische Risiken einzuschätzen. Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger Punkt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Einerseits bin ich froh, dass es diese Neuregelungen gibt und dass sie besser sind als die vor­hergegangenen, und daher werden wir als sozialdemokratische Fraktion natürlich zustimmen. Lassen Sie mich andererseits aber in Anbetracht der lückenhaften Rege­lungen mit einem Zitat des römischen Satirikers und Dichters Quintus Horatius Flaccus enden – ich kann es mir nicht verkneifen, das sage ich ganz offen –: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. – Vielen herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

15.08

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm dieses.