2.15

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Staatssekretär! Ich glaube, Zuseher müssen wir um viertel drei in der Früh kaum mehr begrüßen, aber falls noch jemand vor dem Bildschirm sitzt (Bundesrätin Zwazl: Na, Schichtarbeiter!) – die sind möglicherweise schon wieder dabei –, auch Ihnen: Guten Morgen! Grüß Gott! Wenn man das Erstellungsdatum des Entschließungsantrages betrachtet, so mag es auf den ersten Blick so ausschauen, als ob er überholt sein könnte. Auf den zweiten Blick wird aber ganz schnell klar, dass dieser Entschließungs­antrag in seiner inhaltlichen Begründung genauso aktuell ist wie zum Zeitpunkt der Erstellung, möglicherweise noch wichtiger, noch bedeutender.

Die Wirtschaft ist nach sieben Wochen des Lockdowns in einer äußerst prekären Situation. Diese Maßnahmen, die zum Schutz der Gesundheit getroffen wurden, nicht zur Diskussion stehen und von der Bevölkerung auf ganz konsequente Weise mit­getragen und umgesetzt wurden, waren wichtig. Das ändert aber nichts daran, dass das Szenario, das in diesem Antrag schon beschrieben ist, tatsächlich eingetreten ist. Es muss deshalb auch legitim sein, zu sagen, dass die Maßnahmen, die zwischen­zeitlich getroffen wurden, um die Wirtschaft zu unterstützen, bestimmt nicht ausreichen werden.

Es gab den Härtefallfonds in der Phase 1, der Härtefallfonds, der in der Wirtschafts­kammer auch sehr schnell abgewickelt wurde. Wir haben heute im Ausschuss gehört: Es wurden 544 000 Anträge bearbeitet, es wurden 112 Millionen Euro ausbezahlt. Da haben die Mitarbeiter wirklich immens viel geleistet, es bleibt aber die Frage, ob das vielleicht auf einem anderen Weg mit weniger Belastung möglich gewesen wäre.

In der Phase 2 heißt es aber noch immer warten. In der Phase 2 haben die Unter­nehmen jetzt nur die Rückmeldung: wird bearbeitet. Es ist nun doch eine lange Zeit, eine sehr lange Zeit, die zu überbrücken ist.

Das Gleiche gilt für die Kurzarbeit, auch da haben die Unternehmen noch kein Geld gesehen. Was noch dazu sehr beunruhigend ist – ich weiß es, weil ich das selber gelesen habe –, ist, dass nicht einmal noch die Abwicklung der Abrechnungen ganz klar ist, dass Unternehmen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Briefe aussenden, in denen steht, es kann am Ende zu Nachzahlungen und zu Rückforderungen kommen, weil die Modalitäten in der Lohnverrechnung noch gar nicht geklärt sind. – So viel zu den aktuellen Maßnahmen, zu den Rettungsschirmen. Ich hoffe, dass es nicht für viele zu spät sein wird, wenn das Geld dann wirklich ankommt.

Gerade aber im Bereich der Wirtschaft sollten wir jetzt auch einmal von dem Fahren auf Sicht wegkommen. Ich glaube, in der Wirtschaft ist es jetzt schön langsam notwendig, dass man bei diesem Fahren ein Nachtsichtgerät nimmt. Es wird nämlich immer dunkler in der wirtschaftlichen Landschaft, und die Unternehmen brauchen Per­spektiven, ganz besonders die kleinen Unternehmen, aber natürlich auch alle anderen. Sie brauchen Perspektiven für die Zukunft für sich und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das bedingt sich gegenseitig: Das Überleben der einen bedingt das Überleben der anderen.

Es geht dabei ja auch um keine kleine Gruppe. Ich habe die Zahlen aus der Statistik der Wirtschaftskammer Österreich vom Dezember 2019 mit: In Österreich stellen die Einpersonenunternehmen, die Kleinstunternehmen, die KMUs 99,8 Prozent der Be­triebe dar – laut der Statistik der Wirtschaftskammer –, und es sind 1 476 000 un­selbstständige MitarbeiterInnen, die dort beschäftigt sind, 59,8 Prozent aller unselbst­ständig Beschäftigten.

Da geht es um ganz, ganz viele Menschen, die davon abhängen, die Perspektiven für die Zukunft brauchen. Zu diesen Perspektiven gehört auch, dass die Wirtschaft dann auch wieder angekurbelt werden muss. Wie das gehen soll, wenn man über 500 000 Arbeitslose hat, die mit 55 Prozent der Nettoersatzrate ihr Auskommen finden sollen, soll mir einmal wer erklären. Wer wird da Geld ausgeben? Wer kann da Geld ausgeben? – Die Menschen kämpfen ums Überleben.

Dann kommt auch noch dazu, dass ja auch dieses Damoklesschwert der zweiten Welle über uns schwebt und die Menschen – das freut ja anscheinend den einen oder anderen – Angst haben. Schöner wäre es, man hätte Vertrauen, schöner wäre es, man würde ihnen vertrauen, dass sie klug genug sind – und die Österreicherinnen und Österreicher sind es –, die Situation zu verstehen. Diese Menschen aber haben zu wenig und auch sie brauchen Unterstützung. Ich kann es nur noch einmal sagen: Das Anheben des Arbeitslosenbezuges ist absolut wichtig. (Beifall bei der SPÖ.) Nicht nur Covid kann krank machen, nein, auch Armut macht krank, Verzweiflung und Hoff­nungslosigkeit.

Die Betriebe, die Unternehmen, die Mitarbeiter brauchen Hoffnung und klare Ansagen, und dabei soll keiner vergessen werden. Klare Ansagen gibt es nicht überall. Es gibt bei uns in Neunkirchen einen Busunternehmer, der keinen Linienbus betreibt, sondern eine Buslinie für Ausflugsfahrten. Dieser Unternehmer weiß bis heute nicht einmal, unter welchen Bedingungen, mit welchen Maßnahmen er vielleicht irgendwann wieder irgendwie Ausflüge organisieren darf. – Nichts, keine Information! (Bundesrätin Zwazl: Oja! Mit zehn Leuten!)

Es bleibt einfach die Tatsache, dass alle Unterstützung brauchen. Die Forderungen in diesem Entschließungsantrag sind durchaus berechtigt und notwendig.

Wir hören immer, wir schaffen das. Wir werden es schaffen, weil die Österreicherinnen und Österreicher solidarisch sind, weil sie Kämpfer sind, weil wir alle Kämpfer sind, weil wir nicht aufgeben werden. Wir werden es aber nicht schaffen, nur weil uns das in zahlreichen Pressekonferenzen erzählt wird. Es ist die Kraft, die von unten, die vom Volk, die von der Bevölkerung, die von uns kommt, die dazu beiträgt, dass wir das schaffen werden.

Ich denke, dass mit diesem Entschließungsantrag auch eines ganz deutlich gesagt und ganz deutlich wird: Die Politik hat nicht nur die Aufgabe, akut auf eine Situation zu reagieren, eine ganz wichtige Aufgabe der Politik ist es, zukunftsorientiert zu gestalten. Diese Aufgabe müssen wir gerade in wirtschaftlichen Belangen jetzt anpacken. Da muss die Regierung jetzt auch weit nach vorne schauen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

2.24

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.