21.24

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Lieber Herr Minister! Ich möchte mich vorerst bei Ihnen – wenn Sie dann Zeit haben – bedanken, dass Sie sich entschuldigt haben. Der außenpolitische Ausschuss ist nämlich immer ein sehr interessanter Ausschuss, denn dort gibt es sehr oft und sehr viele Sachen zu diskutieren, zu hinterfragen, damit man auch die Zusammenhänge versteht – warum, weshalb, wie­so. Es war schon ein wenig schade, dass, als man über acht Tagesordnungspunkte dis­kutiert hat, niemand dorthin entsendet wurde. Ich nehme es aber zur Kenntnis, natürlich ist die Entschuldigung angenommen. Ich habe nämlich schon den Verdacht gehabt – hoffentlich wird das nicht zur neuen türkisen Normalität. Sie haben das aber jetzt richtiggestellt, und darüber bin ich froh. Vielen lieben Dank, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir aber zum Thema des Tagesordnungspunkts: Wir sollen heute über das EU-Arbeitsprogramm 2020 diskutieren. Wie die EU allerdings auf diesen Titel gekommen ist, Herr Minister, erschließt sich mir nicht. Dieses Papier ist nämlich ein lauwarmer Auf­guss der Kommission Juncker, die uns ja allen noch als Ischias-Kommission, also als jene Kommission mit nicht unbedingt den besten Errungenschaften für die Europäische Union, in Erinnerung geblieben ist.

Sehr geehrter Herr Minister, als Sie unter Bierlein in die Regierung geholt wurden, habe ich mir echt gedacht: Ja, dieser Neue hat eine Vita, die sich sehen lässt. Daraufhin hatte ich wirklich die Hoffnung, das ist ein Mann, der nicht gleich den Kopf einzieht, sondern für seine Ideale einsteht und auch für seine Meinung kämpft. Leider habe ich Sie da wohl ein bisschen überschätzt, denn mir kommt vor, Sie waren jetzt schon zu lange in der Schule der ÖVP.

Ihr Bericht ist ja noch ein wenig schwammiger und nichtssagender als dieses angebliche Arbeitsprogramm der Kommissionspräsidentin von der Leyen. Wenn dieser Bericht aus Ihrem Hause die Arbeitsgrundlage für die weitere Zusammenarbeit der EU mit Österreich ist, muss ich hier die Sendung von Peter Klien zitieren und sagen: „Gute Nacht Öster­reich“!

Dieser Bericht ist nämlich eine Offenbarung an die EU: Liebe Kommission, macht, was ihr wollt, die österreichische Bundesregierung stimmt allem zu, ihr werdet von uns keinen Gegenwind verspüren! Dieser Bericht lässt nur einen Schluss zu: Die österreichische Bundesregierung wurde zu einem Ankündigungsmeister, allerdings zu einem Zwerg, wenn es darum geht, die Interessen Österreichs gegen die Brüsseler Herrschaft auch zu verteidigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die österreichische Bundesregierung kann somit problemlos mit einem Paragleiter unter die roten Teppiche der Kommissare in deren Büros fliegen, um Ja zu sagen. Deshalb, liebe Bundesregierung: Kommen Sie auch im Bereich Europa endlich von den Ankün­digungen und den PR-Shows weg, bitte kommen Sie endlich in die Phase der Umset­zung! Wir alle wissen nun, dass diese Regierung fähig ist, eine noch nie da gewesene Masse an Pressekonferenzen abzuhalten – jetzt allerdings wollen wir Österreicher se­hen, dass diese Regierung auch arbeiten und umsetzen kann.

Jetzt zu den Fragen, die ich gerne gestellt hätte: Wo ist die Stimme Österreichs, wenn es um die Demokratisierung der EU geht? – Keinen einzigen Satz lese ich zur Direktwahl der Kommission und des Kommissionspräsidenten. Welche Meinung, Herr Minister, hat Österreich dazu? Welche Meinung hat diese Regierung dazu?

Wie schaut es mit der Abschaffung des Wanderzirkusses zwischen Brüssel und Straß­burg aus, der die Steuerzahler jedes Mal über 2 Millionen Euro kostet? Wie ist da die Position der Regierung? – Man weiß es nicht; hoffentlich nicht jene Koste-es-was-es-wolle-Position.

Thema Migration: Die EU ringt seit 2015 um eine Lösung der Migrationsproblematik, die ganz Europa, aber auch Österreich, wenn es so weitergeht, kulturell und wirtschaftlich in ein gesellschaftspolitisches Loch stürzen wird. Bis heute gibt es zu diesem Thema keine praktikable Lösung, die auch nur ansatzweise eine Eindämmung dieser Migra­tionsströme anstrengt oder umsetzt. Im Gegenteil, Frau von der Leyen plant nun einen neuen Migrations- und Asylpakt, von welchem wir bis heute – das haben Sie Gott sei Dank in Ihrem Bericht angeschnitten – überhaupt nichts wissen. Wir wissen also nicht, in welche Richtung dieser Pakt gehen wird. Wenn ich mir nun die österreichische Bun­desregierung und den Brüsseler Apparat anschaue, der keine Ahnung von den Lebens­realitäten hat, dann schwant mir bei diesem neuen Migrationspakt wirklich Böses.

Kein Wort steht in Ihrem Bericht zum Thema Mercosur, nicht einmal ein Verweis auf Ihr Regierungsprogramm. In diesem Regierungsprogramm steht aber eh nur, dass das Ab­kommen in der derzeitigen Form abgelehnt wird. Das heißt dann im Umkehrschluss, wenn ein Beistrich durch einen Bindestrich ersetzt wird, stimmt diese Regierung Merco­sur natürlich zu und wird somit den Bauern, den ländlichen Regionen den endgültigen Todesstoß versetzen.

Durch den gesamten Bericht zieht sich ein Bild des Evaluierens, der Absichtserklärun­gen, der Überarbeitungen, des Neuverhandelns und, und, und. Nicht ein einziges Mal wird man bei einem Punkt konkret, hat einen Plan, immer werden nur Floskeln ver­wendet, nirgends wird auf das Problem eingegangen, geschweige denn ein Problem analysiert und erkannt, weshalb in keinem Fall der Fälle von einer Lösung der Probleme zu sprechen ist.

Beim Thema Türkei gibt es kein Wort zu einem nötigen Abbruch der Beitrittsverhandlun­gen, lediglich den Beisatz, dass derzeit keine Verhandlungen stattfinden würden. Für uns als FPÖ ist klar: Die Türkei wird niemals Teil dieser EU sein! Aber welche Position vertritt diese Regierung? – Wir wissen es nicht.

Beim Thema Sicherheit steht der Stehsatz: Dies ist eine große Priorität, die Kommission wird eine neue Strategie vorlegen. Was ist der Standpunkt Österreichs? – Wir wissen es nicht.

Beim Thema Terrorismusbekämpfung steht folgender Stehsatz: ist weiterhin ein „Schwer­punkt unter Berücksichtigung der Verbindungen zwischen innerer und äußerer Sicher­heit“. Die Kommission will nun ein neues Sicherheitskonzept vorantreiben. Wie ist die Position Österreichs? – Wir wissen es nicht.

Das Thema Migration lässt sich unter folgendem nichtssagenden Satz zusammenfas­sen: Das Thema Migration „zählt weiterhin zu den wichtigsten Herausforderungen Euro­pas.“ Wie ist die Position Österreichs? – Wir wissen es nicht.

Und so geht es Punkt für Punkt und Thema für Thema weiter. Man wird nie konkret, dauernd versucht man sich in Ausflüchten und ausschweifenden Formulierungen.

Nur bei einem Punkt wird man ein wenig konkreter, und zwar bei den Verboten im Zuge des Klimaschutzes, nämlich beim sogenannten Europäischen Green Deal. Da wird die Linie zwischen den Zeilen klar, und ich warne schon jetzt davor, diesen Deal auf dem Rücken der österreichischen Wirtschaft auszutragen. Wenn diese abstrusen Ideen eins zu eins umgesetzt werden, wird unsere Wirtschaft massiven Schaden nehmen, und Eu­ropa wird am Weltwirtschaftsmarkt in grüner Schönheit wirtschaftlich sterben. Die Chi­nesen und die Amerikaner reiben sich jetzt schon die Hände.

Aber auch die Pendler werden von dieser Kommission ja nicht verschont. Die Überle­gungen der EU, europaweit eine Straßenverkehrs-CO2-Steuer einzuführen, findet unse­re Regierung wohl gut, denn es findet sich in Ihrem Bericht, Herr Minister, kein einziges Wort zur Ablehnung. Welche Position nimmt Österreich dazu ein? Will diese Regierung unsere Pendler gleich mehrmals schröpfen, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch noch mit einer CO2-Steuer auf EU‑Ebene? – Es wäre wichtig, wenn Sie da eine Antwort für unsere Pendler hätten.

Dem ganzen lauwarmen Aufguss dieses Arbeitsprogramms 2020 setzt die Kommis­sionspräsidentin aber höchstpersönlich die Krone auf, will diese doch tatsächlich eine EU-Zukunftskonferenz abhalten. Kein Mensch außer von der Leyen weiß, was sie damit meint. Wenn ich mir nur die letzten Monate vor Augen führe, wie schäbig die EU mit Italien, als dieses Land in eine schreckliche Situation gekommen ist, umgegangen ist, wenn ich mir die Unterstützung der EU für einzelne Mitgliedstaaten in dieser schweren Zeit ansehe, wenn ich mir den Umgang mit Ungarn in dieser schwierigen Zeit der Krise ansehe, wenn ich darüber nachdenke, dass die so wichtigen medizinischen Hilfsgüter an nationalen Grenzen wochenlang aufgehalten wurden und die EU dazu schwieg, dann, muss ich sagen, muss Frau von der Leyen aufpassen, dass ihre tolle Zukunftskonferenz über diesen unfähigen Bürokratieapparat nicht zu einer Sinnkonferenz wird.

Sollten diese Damen und Herren hier in Österreich und in Europa den Ernst der Situation und den Ernst der Lage nicht bald erkennen, kann ich nur mit folgenden Worten enden: Gute Nacht Europa! (Beifall bei der FPÖ.)

21.34

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat. (Bundesrat Rösch: Jetzt kriegst du deine Antworten!)