15.34

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Jetzt haben wir in zwei Punkten über das Kommunalinvestitionsgesetz, über das Inves­titionspaket und -programm gesprochen. Wir haben dem ja auch zugestimmt, weil es einen Teil der Gemeinden gibt, die da sicherlich etwas abholen werden können.

Der andere Teil der Gemeinden wird sich aber schon auch die Frage stellen, ob diesen Überlegungen ein bisschen die alte Frage zugrunde gelegen ist, die bis heute keiner beantworten kann: Wie kann man einem Nackerten noch etwas aus dem Säckel neh­men? – Und das trifft halt wirklich auf zahlreiche Gemeinden zu.

Die niederösterreichischen Gemeinden haben in den letzten Tagen die ersten Abrech­nungen der Ertragsanteile mit den Gegenverrechnungen bekommen, die ja dann einiges enthalten: bei einigen Gemeinden Nösag, bei allen natürlich die Verwaltungsabgabe, die Jugend- und Sozialhilfe, die Kinderhilfe. Wenn ich jetzt einmal den Zettel in die Höhe halte (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe, auf dem Zahlenkolonnen mit schwarzen und roten Zahlen zu sehen sind), kann es natürlich keiner lesen, aber ich denke, dass jeder Farbunterschiede sieht.

Mir gefällt die Farbe Rot – da gefällt sie mir weniger. Alles, was hier am Ende rot ist, bedeutet, dass diese Gemeinden nicht nur kein Geld aus den Ertragsanteilen be­kommen, sondern dass sie Rückzahlungen leisten müssen. In diesen Bescheiden steht dann tatsächlich auch, dass diese Minusbeträge bei der nächsten Abrechnung einbe­halten werden. Es wird bei der nächsten Abrechnung wirklich nicht besser ausschauen; das wäre ein Wunder. Bei 500 000 Arbeitslosen und 1,3 Millionen Menschen in Kurz­arbeit können wir nicht erwarten, dass im nächsten Monat die Ertragsanteile steigen werden.

Das heißt, für die Gemeinden wird sich das Minus kumulieren, es wird immer mehr werden. Gemeinden, denen es schon vor der Coronakrise nicht gut gegangen ist, die jetzt auch noch ein Minus aufbauen und zusätzlich Verluste bei der Kommunalsteuer hinnehmen müssen, sollen zu 100 Prozent etwas vorfinanzieren, wo sie dann irgend­wann vielleicht 50 Prozent an Förderung zurückbekommen, und dabei sind sie dann auch noch so eingeschränkt, dass das nur für gewisse Projekte möglich ist.

Für laufende Sanierungen, für das laufende Aufrechterhalten ist es schon einmal gar nicht möglich. Wie das funktionieren soll, das soll mir einmal einer erklären! Diese Gemeinden haben keine Liquidität. Diese Gemeinden schlittern in die Pleite. Wir werden das im Herbst sehen, und dann bin ich gespannt, ob die Bürgermeister, die heute hier Nein gesagt haben, sich wieder hierher stellen und sagen: Das war super, wir haben nicht mehr Geld gebraucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte hier auch noch ergänzen, dass Herr Bürgermeister Michael Ludwig zwar genauso wie der Präsident des Gemeindevertreterverbandes Rupert Dworak gesagt hat: Das Investitionspaket ist in Ordnung!, aber beide sofort ergänzt haben: Es kann nur der Beginn sein, wir brauchen Akuthilfe für die Gemeinden!, nämlich Akuthilfe in der Höhe von mindestens noch einer zusätzlichen Milliarde, damit sich die Gemeinden das Hilfspaket überhaupt leisten können. – So schaut es nämlich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird im Herbst so weit sein. Die Fraktion der SPÖ hat schon vor sieben Wochen gesagt: Vergesst nicht auf die Gemeinden! Tut endlich etwas, es ist höchst an der Zeit! – Es ist nichts passiert! (Bundesrat Bader: Es ist doch beschlossen!) – Jetzt ist etwas passiert, aber es ist noch gar nicht passiert, es ist einmal angekündigt. Es hat noch keiner Geld.

Es wird im Herbst so sein, dass Gemeinden pleite sind, das können wir jetzt schon mit Bestimmtheit sagen – auch wenn keine Antworten auf die Anfragen gekommen sind, was ich auch schlimm finde. Es muss möglich sein, aus der derzeitigen Situation Hoch­rechnungen zu machen, diese laufend anzupassen und einen ungefähren Blick darauf zu haben, was dieses Land, was die Gemeinden – unsere Gemeinden, in denen wir alle leben, die für uns die Infrastruktur bereitstellen, von der Wiege an, die von der Kinder­betreuung bis hin zur Altenpflege alles organisieren – brauchen. Das kann uns nicht kalt lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da hilft keine Pressekonferenz mit all den schönen Worten, in denen alles vorgestellt wird. Das ist ein bisschen so wie in der Geschichte „Des Kaisers neue Kleider“: Irgend­wann werden alle bemerken, dass der Kaiser nackt ist, dass die Gemeinden pleite sind und dass es so nicht weitergehen kann. Der Tag wird kommen. Ich hoffe, dass alle, die gesagt haben: Es ist genug, wir brauchen nicht mehr, die Gemeinden bekommen genug und wir sagen schön Danke!, dann dazu stehen, dass das ihre Meinung war.

Ich bin überzeugt davon, dass es dringend Akuthilfe braucht, und zwar in der Form, dass es eine fixe Zusage geben muss, wie viel Geld jede Gemeinde bekommt, dass es einen fixen Termin geben muss, wann die Gemeinden dieses Geld bekommen, dass diese Förderungen direkt ausbezahlt werden und nicht über eine Buchhaltungsagentur, nicht über den Umweg der Landesfinanzierung. Dann erst ist es ein wirkliches Konjunk­tur­paket, dann kann dieses Geld verplant und investiert werden.

Es ist zwar nett, wenn jetzt immer betont wird: Natürlich ist es für Projekte, die vorher geplant waren, die abgebrochen werden mussten, möglich!, nur: Damals haben die Gemeinden auch mit anderen finanziellen Mitteln geplant, und diese sind jetzt einfach nicht vorhanden. Das können wir nicht schönreden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Lieber Herr Kollege Bader, Sie sind Bürgermeister in Rohrbach an der Gölsen, stimmt das? Das ist eine Gemeinde mit 1 550 Einwohnern. (Bundesrat Bader: 1 650!) Sie werden nach dem Modell der Regierung die Möglichkeit haben, ungefähr 150 000 Euro (Bundesrat Bader: 162 000!) abzuholen, wenn Sie vorher die 320 000 Euro voll aus­finanzieren. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Gemeinde das Geld hat, sich nicht verschul­den muss, liquid bleibt (Bundesrat Bader: Machen Sie sich keine Sorgen!), die Ge­meinde die Mitarbeiter, die Arbeitsplätze erhalten kann! (Bundesrat Bader: Selbst­verständlich!) Ich möchte jetzt gerne noch einmal hören, es reicht, mehr würden Sie für Ihre Gemeinde nicht benötigen. (Bundesrat Bader: Was heißt das jetzt?!) Nach dem Modell, das die SPÖ vorgelegt hat, würden Sie 387 000 Euro bekommen. (Bundesrat Schennach: Jetzt lächelt er! – Bundesrat Bader: So hoch ist mein Minus nicht!) Das wollen Sie nicht, das brauchen Sie nicht, es reicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines kann ich zum Abschluss ganz sicher sagen, die Frage kann ich beantworten: Einem Nackerten kann man nichts aus dem Säckel nehmen, und einer Gemeinde, die nicht liquid ist, die kein Geld hat, nützt es nichts, dass sie 50 Prozent von etwas zurückbekommt, irgendwann vielleicht, nach langen Prüfungen, ob der Antrag dann eh passt. Das hilft nichts! Bis dahin ist die Gemeinde hin, und unser Müll wird nicht abge­holt, unsere Kinder werden nicht mehr betreut, unsere Straßenbeleuchtung leuchtet nicht mehr, wir haben keinen Spielplatz mehr und der alte kann nicht saniert werden. Wenn wir dann dort sind, dann werden wir erst draufkommen, dass die Gemeinden mit einem Klatschen und einem Danke nicht ausreichend bedient sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.43

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Klubvorsitzender Karl Bader. Ich erteile es ihm.