13.52

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Minister, sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernseh­bild­schirmen! Kollege Himmer, selten lasse ich mich dazu hinreißen, andere zu kommen­tieren, aber die Bewerbungsrede für den nächsten Ministerposten hätten Sie sich sparen können, wirklich. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Zurück zur Sache: Herr Arbeitsminister, herzlich willkommen! Sie sind Marathonläufer, und diese Kondition, die werden Sie brauchen, denn Sie starten mit einem Sprint, und die Kräfte muss man sich ja bekanntlich einteilen. Wir haben heute schon viele Zahlen gehört: eine Million Menschen in Kurzarbeit oder arbeitslos. Man muss sich aber auch vorstellen: Hinter jeder einzelnen Zahl steht ein einzelnes Schicksal, es steht ein Mensch dahinter, es steht wahrscheinlich eine ganze Familie dahinter.

Nehmen wir zum Beispiel einmal eine Familie aus meiner Nachbarschaft: eine junge Familie, neu in die Wohnung neben uns eingezogen. Sie haben am Anfang des ersten Lockdowns ein Kind bekommen. Er kommt aus der Gastronomie und ist einhergehend mit diesem Lockdown natürlich in die Kurzarbeit geschickt worden. Er weiß bis heute nicht, ob sein Betrieb überhaupt noch aufsperren wird. Ihm fehlt Planungssicherheit, er hat gar nichts.

Wissen wir hier herinnen wirklich, wie es ist, wenn man nichts weiß, nicht weiß, wie es weitergeht, keine Planungssicherheit hat, mit weniger Einkommen auskommen muss? Diese Familie ist nicht so privilegiert wie wir mit unseren Politikergehältern, vielleicht sogar zwei, drei Politikergehältern, wenn man vielleicht noch etwas daneben macht, zum Beispiel Bürgermeister ist. Wir wissen das also nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass diese Familie bei Gott leider kein Einzelfall in Öster­reich ist. Wir können uns gar nicht vorstellen, mit welcher Frustration, mit welchem Druck diese Familien jeden Morgen aufwachen, denn die Kosten laufen weiter. Die haben Existenzängste, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Kreditrate, die Miete, die Autoreparatur, da flattern die Rechnungen nur so ins Postkastl, und da ist die Frustration verständlicherweise wirklich groß.

Ich möchte noch weitergehen zu den lieben Studierenden: Die wissen auch nicht, wie sie ihren Nebenjob ersetzen sollen, das Einkommen, mit dem sie sich ihr Studium finanzieren. Die sind meistens in der Gastronomie beschäftigt, wie wir alle wissen, und die Gastronomie ist runtergefahren. Das heißt, wir müssen auch diesen Studentinnen und Studenten unter die Arme greifen, denn nicht alle Studentinnen und Studenten haben gut verdienende Eltern, die ihnen Unterstützung anbieten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen diesen jungen Familien, den Studentinnen und Studenten, und diesen jungen Leuten, die motiviert sind, etwas zu tun, die das Zeug haben, etwas weiter­zubringen, wirklich Perspektiven geben. Wir müssen ihnen Sicherheit geben.

Gehen wir es konstruktiv an! Wir müssen Klarheit schaffen, was die Schulöffnung angeht, kein Hin und Her. Wir haben heute schon ein Beispiel gehört. Wie machen wir es: mit dieser berühmten A- und B-Lösung, die einen Schüler am Montag, die anderen am Dienstag? Dann haben wir aber nebenbei Homeoffice. Da steigt der Druck, wie das Herr Steiner heute schon ausgeführt hat. Ein Videomeeting parallel mit Homeschooling, dann liegen die Nerven bei den Menschen verständlicherweise auch blank. Das kann ich wirklich nachvollziehen.

Kollegen Lackner muss ich recht geben: Wir müssen uns aus dieser Krise heraus­inves­tieren. Wir dürfen uns nicht aus dieser Krise heraussparen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Wir brauchen zum Beispiel Geld für Arbeitsplätze, für Lehrstellen in den Gemeinden durch Unterstützung des Bundes, liebe Bundesregierung. Als Verhaltensökonom, sehr geehrter Herr Arbeitsminister, verstehen Sie sicher auch den Ansatz, den ich hier als Regionalsprecher für die vielen schönen Gemeinden in unserem Bundesland und in ganz Österreich einbringen möchte. Die Gemeinden sind ja auch Wirtschaftsmotor und damit sind sie auch Arbeitsplatzgaranten.

Ich bin schon einmal dazu hier am Rednerpult gestanden. Was machen die Gemeinden mit dem Geld, das sie bekommen? – Sie legen es nicht unter den Kopfpolster, nein, sie investieren es, sie bauen Feuerwehrhäuser, Musikerheime, Kindergärten und so weiter. Damit sichern wir die Arbeitsplätze unserer fleißigen Leistungsträgerinnen und Leis­tungsträger in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese regionalen Arbeitsplätze liegen mir einfach am Herzen, denn das sind dann die Leute, die zum Bäcker gehen, die ins Schuhgeschäft gehen, die ins Kleidungsgeschäft im Ort gehen und die sich auch das Wohnen zu Hause leisten können müssen; nicht wegziehen, keine Landflucht, wenn wir da einmal die ländlichen Regionen betrachten.

Noch einmal zurück zu den Gemeinden: Ich war neulich mit einem ÖVP-Bürgermeister in Kontakt und dieser hat mir eigentlich etwas ganz Nettes mitgegeben. Er hat gesagt: David, bitte setz dich dafür ein, dass wir wirklich eine finanzielle Unterstützung bekom­men. Wortwörtlich hat er gesagt: Wir brauchen frisches Geld ohne Mascherl, denn wenn ich einen Kredit will, dann kann ich auch ins Gebäude gegenüber gehen und mir einen Kredit bei der Bank holen.

Gestern habe ich einen erschreckenden Anruf von einer Angestellten aus einem großen Produktionsbetrieb bekommen – das betrifft dann auch wieder Sie, Herr Arbeitsminister. Sie hat mir gesagt, dass mittlerweile Listen herumgehen. Es ist gut so, dass Impflisten herumgehen, und das ist wichtig. Wir haben immer betont, auch unsere Parteispitze hat immer betont: Impfen, impfen, impfen! Impfen ist wichtig, dahinter stehe ich zu 100 Pro­zent. Dann ist mir aber noch etwas gesagt worden, sie hat ihre Bedenken geäußert und hat gesagt: David, ich habe da ein bisschen einen Druck und ich verspüre da einen Druck, vielleicht auch vonseiten meines Arbeitgebers, von wem auch immer. Wenn ich mich jetzt zum Beispiel gegen das Impfen entscheide, bin ich dann schlechter gestellt, habe ich dann schlechtere Jobchancen oder muss ich dann vielleicht sogar um meinen Job oder Arbeitsplatz Angst haben?

Eines muss ich ganz ehrlich sagen: Wir sagen Nein zu irgendwelchen Privilegien oder irgendeinem Zwang und Nein zu solchen Ungerechtigkeiten. Als Sozialdemokratie wer­den wir da genau hinschauen, dass solche Ungerechtigkeiten gegen unsere fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land in unseren Betrieben nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen auch der Appell an Sie, lieber Herr Minister: Bitte nehmen Sie sich das zu Herzen, schauen Sie auf die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land! Wer trägt denn zusammen mit den Klein- und Mittelbetrieben den großen Teil der Steuerlast – 80 Prozent! –? Heute ist schon davon gesprochen worden, dass nach der Gesundheitskrise die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise kommt, in der wir in Wahrheit schon mittendrin stecken. Da müssen wir uns die Frage stellen: Wer soll diese Krise bezahlen? Wer bekommt die Rechnung präsentiert? Wer bekommt den Rucksack mit diesen Steinen umgehängt?

Sind es die Pflegerinnen und Pfleger, die als Heldinnen und Helden gefeiert worden sind? Sind es die Pensionistinnen und Pensionisten? Sind es die Lehrerinnen und Leh­rer? Sind es die Büroangestellten in Salzburg? Sind es die Bauhackler aus Tirol oder ist es vielleicht der Maschinenkonstrukteur aus Wien? Oder – und das geht auch an die Adresse der Grünen – setzt sich die Regierung mit einer ehrlichen Digitalsteuer für die Internetriesen Amazon und Co durch, für diese Milliardenkonzerne, die bei uns oft keinen Euro Steuern zahlen im Gegensatz zu jeder Kellnerin und jedem Kellner in diesem Land? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Lieber Herr Vizekanzler, Hand aufs Herz: Sie haben von Steuern auf Vermögen ge­sprochen. Wir werden Sie an den Taten messen. Wir hoffen, dass Sie auch Ihren Regie­rungspartner davon überzeugen werden. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Wir als SPÖ werden genau hinschauen, wem Sie diesen Rucksack beziehungsweise die Rechnung für diese Krise umhängen werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass nicht die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land diese Rech­nung umgehängt bekommen, denn das darf nicht sein!

Was wir brauchen: Es ist an der Zeit für eine ehrliche und solidarische Finanzierung aus dieser Krise, liebe Bundesregierung.

Schließen möchte ich mit einem Zitat von Helmut Schmidt: „In der Krise beweist sich der Charakter.“

Herr Minister, ich wünsche Ihnen für Ihr Amt ganz, ganz viel Kraft. Bitte machen Sie es nicht – wie es Teile der Regierung jetzt schon machen – nach der Trial-and-Error-Methode! Tragen Sie Ihr Herz am richtigen Fleck für die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land! Seien Sie mutig! Seien Sie nicht nur ein kleines Mosaiksteinchen in der türkisen Marketingmaschinerie, sondern trauen Sie sich als Ar­beitsminister mit Herzblut für Gerechtigkeit und für die ganz normalen Leute in diesem Land zu kämpfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.01

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.