19.30
Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir stehen am Beginn der Frühjahrssaison, der Nebensaison, und bis zur Sommersaison dauert es nicht mehr so lange. Ich möchte mich jetzt deshalb ganz besonders auf den Bereich des Sommertourismus konzentrieren und dabei nicht so sehr in die Vergangenheit, sondern mehr in die Zukunft blicken, denn in Hinblick auf die Zukunft können wir etwas verändern, etwas besser machen, etwas neu machen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)
Für mich war es schon sehr beeindruckend, zu sehen, wie sich der Sommertourismus in Österreich entwickelt hat: In der Sommersaison 2011 gab es in Österreich 64 Millionen Nächtigungen – diese Zahl hat sich bis zum Jahr 2019 auf 79 Millionen gesteigert, das ist enorm! Das ist einerseits sicherlich der wunderschönen Landschaft unseres Heimatlandes, unserer Republik geschuldet. „9 Plätze – 9 Schätze“ – noch viel, viel mehr als neun gibt es, unendlich viele. Vor allem ist diese Steigerung aber den qualitativ hochwertigen Dienstleistungen der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Touristiker und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken, das ist nicht zu vergessen.
Noch vor einem Jahr waren wir alle hoffnungsvoll – jetzt sind die Hoffnungen sehr gedämpft. Im letzten Jahr kam es in der Sommersaison zu einem Einbruch der Nächtigungen auf 53,8 Millionen, das ist ein Rückgang von 31,8 Prozent. Dabei gab es regional große Unterschiede: Besonders Wien und der Städtetourismus mussten aufgrund der internationalen Situation enorme Einbrüche hinnehmen, ländliche Regionen und die Regionen rund um die Seen haben natürlich besser abgeschnitten.
Was den Touristikern, was uns allen in der letzten Sommersaison vor allem geholfen hat, war der Inlandstourismus, waren die Österreicher, die in der Heimat Urlaub gemacht haben. Jetzt stehen wir wieder vor dem Beginn der Sommersaison, und die Branche ist in Unsicherheit. Was am allermeisten fehlt, sind Perspektiven. (Beifall bei der SPÖ.)
Inmitten dieser Gesundheitskrise braucht diese Branche Perspektiven: die Hotellerie, die Gastronomie, die Busunternehmer, Kunst und Kultur sowie alle Zulieferer. Natürlich brauchen sie auch Förderungen – aber was diese Branche will, ist arbeiten! Die Menschen wollen arbeiten, sie wollen ihren Beruf ausüben, sie wollen ihre Berufung leben. Sie wollen bewirten dürfen, sie wollen Gäste willkommen heißen. Es geht ihnen, glaube ich, nicht nur die Geduld aus, es geht ihnen wirklich die Kraft aus, das ist eine Tatsache – das ist schwer –, und diese Kraft fehlt enorm.
Es gibt in dieser Branche auch extrem hohe Arbeitslosenzahlen: Ende Februar waren es rund 78 000 Arbeitslose in der Tourismusbranche. Natürlich ist die Regierung da aufgefordert, zu handeln, und ich betone noch einmal: Die Regierung ist nicht nur aufgefordert, mit finanziellen Förderungen zu helfen – die sind wichtig, die sind richtig, aber es braucht noch so viel mehr! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht durch Abwanderung der qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Fachwissen, die Kompetenz und die Erfahrung in dieser Branche verlieren. Frau Ministerin, Sie haben heute über Maßnahmen gesprochen beziehungsweise uns mitgeteilt, dass Sie mit dem Arbeitsminister in Gesprächen seien, dass 2021 das Thema touristischer Arbeitsmarkt ein Jahresschwerpunkt sein werde – da ist jetzt zu handeln!
Die Unternehmerinnen und Unternehmer erzählen mir nämlich etwas anderes: Ihre Mitarbeiter gehen jetzt verloren, die sind bereits auf dem Weg in andere Branchen, und mit ihnen das Wissen, die Erfahrung, die Fertigkeiten und die Fähigkeiten. Das ist ein nachhaltiger Schaden, den diese großartige Branche in Österreich lange spüren wird. Bitte, bitte: Es ist ganz wichtig, da schnell zu handeln – nicht in ein paar Wochen, sondern jetzt! (Beifall bei der SPÖ.)
Was auch wichtig ist – und das ist für mich einer der wichtigsten Punkte –: Die Unternehmerinnen und Unternehmer erzählen mir sehr oft, dass ihnen nicht vertraut werde. Diese Regierung muss Vertrauen in unsere Unternehmerinnen und Unternehmer setzen: Glauben Sie mir, die können ihre Betriebe sicher – und das im doppelten Sinn des Wortes – führen, aber sie brauchen das notwendige Werkzeug dazu, wenn sie öffnen.
Ich sehe das so wie Herr Kollege Arlamovsky: Das muss differenziert geschehen. Es gibt einen Unterschied zwischen der Diskothek und dem Restaurant; es gibt einen Unterschied zwischen einer Jugendherberge und einem Hotel. Man muss differenzieren und Chancen ermöglichen, dort, wo sie mit dem Infektionsgeschehen aus virologischer Sicht verantwortungsvoll vereinbar sind – und nicht alles von Haus aus ablehnen. Das braucht die Wirtschaft, das braucht die Branche, und das brauchen die Menschen in unserem Land.
Wenn Sie die letzten Monate in einer kleinen Wohnung in der Stadt verbracht haben, brauchen Sie die Hoffnung auf ein bisschen Auszeit. Das braucht auch die Gesundheit der Menschen, denn es gibt auch gesundheitliche Aspekte abgesehen von Corona. Natürlich muss eine Öffnung immer unter dem Aspekt der virologischen Verantwortung geschehen – aber es gibt Möglichkeiten, und da frage ich mich jetzt schon, was da gemacht wird.
Es wäre sehr nett (in Richtung Bundesministerin Köstinger), wenn man sich vielleicht nicht nebenbei unterhält, das wäre ein Zeichen der Wertschätzung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Kollege, die Frau Ministerin hat sicher im Anschluss Zeit für das Gespräch, nehme ich an. Da geht es wirklich um Wertschätzung. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner – in Richtung eines sich auf dem Weg zur Regierungsbank befindlichen Bundesrates –: Da kommt der Nächste!)
Was macht die Regierung mit der Verantwortung? Da möchte ich mich jetzt ganz direkt an Kollegen Seeber wenden: Ihr habt dem Entschließungsantrag wegen der Vorgehensweise nicht zugestimmt. Können Sie mir bitte sagen, wohin ein solcher Antrag gehört, wenn nicht ins Parlament? (Zwischenrufe der Bundesräte Bader und Seeber.) Welche Vorgehensweise hätte es sein sollen? Es war auch schon längst an der Zeit, diese Selbsttests endlich zuzulassen! (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist ebenfalls längst an der Zeit, den Menschen in unserem Land nicht ständig zu unterstellen, dass sie nicht fähig wären, Verantwortung zu tragen – die können das! Die SPÖ und unsere Vorsitzende haben das schon seit langer, langer Zeit gefordert – diese Zeit ist ungenutzt verstrichen. Das sind jedoch Wege, die beschritten werden müssen, um Sicherheit auf beiden Seiten zu gewährleisten: für die Gesundheit und für die Wirtschaft, das fordere ich ein, und das fordert meine Fraktion ein.
Impfen ist das nächste Thema: Das ist die einzige Chance, um diese Pandemie endlich zurückzudrängen. Das ist unsere einzige Chance, und da muss jetzt etwas weitergehen. Da muss etwas geschehen, das muss schneller gehen – aber es gehört auch dazu, die Arbeitssituation, die Situation der Menschen in dieser Branche jetzt zu verbessern.
Diese Branche hat schon vor der Krise sehr viel Platz auf der Mangelberufsliste eingenommen. Das wird jetzt schlimmer werden, und wir müssen schauen, dass wir diese Lücke mit inländischen Mitarbeitern, die jetzt auf dem Arbeitsmarkt frei sind und Beschäftigung brauchen, auffüllen. Längst hätten diese zusätzlich qualifiziert werden können, längst hätte man da Programme starten können. (Bundesrat Steiner: Zu denen sagt man ja, dass der Beruf keine Zukunft hat!)
Ich finde auch, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, um den Motor anzukurbeln, daher der Antrag betreffend das Bonusticket, den wir heute einbringen. Bitte denkt darüber nach: Das bringt den UnternehmerInnen etwas, aber auch den KonsumentInnen. Das sind Maßnahmen, die greifen.
Ich sage es noch einmal: Es ist nicht Zeit – es wäre schon längst an der Zeit gewesen, solche Dinge in Angriff zu nehmen! Das Vertrauen in die Vernunft, in die Eigenverantwortung der UnternehmerInnen, der MitarbeiterInnen und der Menschen muss wieder in den Fokus gerückt werden. Wir wollen keine riskanten Öffnungen, keine unkontrollierten Öffnungen, aber wir leben von der Wirtschaftsleistung dieser Unternehmerinnen und Unternehmer. Wir trauen ihnen nicht zu, dass sie einen Selbsttest kontrollieren? – Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann das nicht verstehen, denn das sind Dinge, die notwendig sind. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir dürfen nicht warten, warten und wieder warten; nicht vertrösten, nicht Unsicherheiten noch größer werden lassen. Wir müssen kontrolliert – mit Vertrauen, aber kontrolliert – nächste Schritte gehen. Sie sagen, die Entwicklungen in Vorarlberg sollen abgewartet werden. Dort gelten die Selbsttests in der Gastronomie gar nicht. Sagen Sie mir, wofür das ein Vorbild sein soll! Sie versuchen es dort nicht einmal mit der Gastronomie, also ist die Hoffnung, dass die Selbsttests im Rest des Landes zum Eintritt berechtigen werden, wohl von Anfang an sehr gering – auch, wenn Sie medial dafür eintreten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Hübner.)
19.42
Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.