9.48

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich bedanke mich auch namens meiner Fraktion zuerst für die wirklich objektive, korrekte und effiziente Vorsitzführung durch den scheidenden Präsidenten des Bundesrates. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das hat es hier nicht immer gegeben, gibt es hier auch nicht immer. Das gibt es auch im Nationalrat nicht immer – sagen wir es einmal so. Ein herzliches Dankeschön also, und wir hoffen, Ihre Tradition wird würdig fortgesetzt. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ja, jetzt aber zurück zum Thema: Das ist meiner Ansicht nach ja eine der absurdesten Themenstellungen, die ich in meiner parlamentarischen Zeit überhaupt vorgefunden habe: Keiner ist sicher, wenn nicht alle sicher sind. Was soll das heißen? Es geht offenbar um die Impfung. Das haben wir ja gesehen, weil das Wort Impfdiplomatie auch im Titel vorkommt. Was soll das heißen? Also entweder ist die Impfung wirksam oder einigermaßen wirksam, dann sind die Geimpften sicher, auch wenn die anderen nicht sicher sind, oder die Impfung ist unwirksam, schützt also nicht vor einem schweren Verlauf oder überhaupt vor einer Erkrankung, ja, dann werde ich mit Impfdiplomatie die Sicherheit auch nicht erhöhen können. Man muss also schon wissen, was man will. Gibt es eine wirksame Impfung, dann brauche ich mich nicht zu fürchten, wenn Einzelne nicht geimpft sind, und ich brauche als Geimpfter auch nicht mit der Maske herumzurennen. Oder gibt es keine Sicherheit? Lassen wir diese Frage einmal unbeantwortet.

Schauen wir uns einmal verschiedene Themenkreise im Zusammenhang mit der Impfung und dem Verlauf an, die teilweise angesprochen worden sind, teilweise nicht. Zuerst einmal die Frage – weil auch Kollege Schennach das gesagt hat: EU-weit muss vorgegangen werden – der internationalen Kooperation. Man hört ja immer und immer wieder, dass man das nationalstaatlich nicht lösen könne.

Welche Länder haben die höchsten Impfquoten? Welche haben am meisten geimpft oder haben den höchsten Prozentsatz an Geimpften? Es ist den Medien vielleicht von dem einen oder anderen entnommen worden: Interessanterweise ist Gibraltar an der Spitze. Warum weiß ich auch nicht, es ist auch kein enges Mitglied der EU, sondern ist vom Brexit betroffen, ausgeschieden. Ganz hoch liegen mit ungefähr 70 Prozent der Bevölkerung, die geimpft sind, Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain; über­haupt Weltmeister sind die Seychellen, sie sind die einzigen, die über 70 Prozent liegen. Das sind kleine Länder, die sich unabhängig von irgendwelchen bürokratischen Orga­nismen selbst organisiert haben, selbst gedealt haben. Die Preise, die diese Länder gezahlt haben, sind im Übrigen – das habe ich mir auch angeschaut – im Schnitt deutlich unter den Preisen, die uns die Gesamtbeschaffung über die EU beschert hat. Das muss man alles wissen, wenn man immer diese Phraseologie bemüht.

Jetzt ist die Effizienz dieser Impfung natürlich fraglich. Wir können es in den Zeitungen lesen, dass das mit Abstand am weitesten durchgeimpfte Land in Europa, nämlich Groß­britannien, als einziges wieder eine deutliche Zunahme der Fälle verzeichnet – aufgrund der sogenannten Delta- oder indischen Variante. Das zeigt uns also, dass die Impfung kein Allheilmittel ist, sondern allenfalls ein vorübergehendes Mittel. Einfach zu Impfen heißt also nicht, dass die Pandemie weg ist. Wie wir es ja von anderen vergleichbaren Virusstämmen, also vor allem der Influenza, aber auch anderen Coronastämmen, die für unsere Rhinitis – wo ist denn der ärztliche Kollege? – verantwortlich sind, kennen, wissen wir, dass diese sehr schnell mutieren. Sie mutieren innerhalb von vier bis sechs, acht Monaten, deswegen muss man sich ja auch jedes Jahr gegen die Grippe impfen.

Impfen ist also nie ein Allheil- und Endmittel, sondern Impfen ist allenfalls ein vorüber­gehendes Mittel. Auch wenn wir also 100 Prozent der Erde durchimpfen, ist damit die Sache nicht erledigt, sondern wir sind in einem Impfzirkel drinnen, in dem wir ständig neue Impfstoffe entwickeln und immer wieder impfen müssen.

Kommen wir jetzt vielleicht zu den internationalen Anstrengungen, den armen Ländern die Impfung zu verschaffen. Ich sehe einmal davon ab, dass – das traue ich mich zu sagen – es in den armen Ländern, etwa Afrikas, eine Menge Probleme gibt und Corona sicher nicht das größte Problem ist, weil die Verbreitung des Virus dort eine sehr, sehr geringe und sehr langsame ist und die Todesfälle im Zusammenhang damit im Vergleich zu denen im Zusammenhang mit anderen Krankheitsursachen sehr, sehr gering sind.

Wenn man wirklich sagt: Das Wichtigste für Staaten wie Afghanistan oder Nigeria ist, dass sie die Bevölkerung gegen Covid impfen, auch wenn es dort keine oder ganz wenige Fälle gibt!, was könnte man dann machen? – Man könnte zum Beispiel inter­national versuchen, die Pharmafirmen dazu zu zwingen, auf ihre Patentrechte an den Impfungen zu verzichten, denn es hat für die Pharmaindustrie, die in diesem Impf­geschäft drinnen ist, nie ein größeres Geschäft gegeben als diese Impfung. Es hat nie eine Impfung gegeben, die nach einem sechsmonatigen Entwicklungszyklus weltweit auf den Markt gebracht werden durfte. Bei Impfungen haben wir normalerweise drei-, vier­jährige Entwicklungszyklen mit mindestens Zehntausenden Testpersonen und Milliar­denkosten. Das ist da alles weggefallen. Das war die günstigste Impfung, weil alles, was auf den Markt gekommen ist, blitzschnell sogenannte Notzulassungen, vorläufige Zulas­sungen, eingeschränkte Zulassungen und so weiter erhalten hat. Das hat es, soweit ich mich erinnere, nie gegeben. Trotzdem wird da das Geschäft des Jahrtausends gemacht.

Ich habe einmal nachgeschaut, was Pfizer allein im Jahr 2020 zusätzlich nur durch die Pfizer-Biontech-Impfung verdient hat. Das waren 15 Milliarden Dollar. Dabei war 2020 aber ein Rumpfjahr, da hat man also erst begonnen, im November ist die Impfreihe überhaupt erst losgegangen. Zahlen darüber, was Pfizer in den ersten sechs Monaten 2021 mit dieser Impfung verdient hat, liegen mir nicht vor. Es wäre doch naheliegend zu sagen, in diesen Fällen wird der Patentschutz aufgehoben. Mit einer internationalen Konvention, einem internationalen Abkommen oder zumindest einem europäischen Abkommen, dass für alle Impfstoffe, die jetzt am Markt sind, ab sofort der Patentschutz aufgehoben wird, könnte das in riesigen Mengen von den Ländern, die die Kapazitäten haben, wie zum Beispiel Indien, in großer Zahl billigst nachproduziert werden.

Die gelobte Agentur Covax – so, glaube ich, heißt sie – von der WHO, die Impfstoffe für die ärmsten Länder beschaffen soll, hat ja ganz, ganz wenig weitergebracht. Die Ver­breitungszahlen sind minimal. Das einzige Land, das wirklich in großen Mengen Impfstoff verschenkt hat, ist tatsächlich China. Kollege Schennach irrt, wenn er sagt, China hätte politische Bedingungen gestellt. Das hat es nicht. China hat den Ländern über Anfor­derung je nach ihrer Einkommenskraft den Impfstoff geliefert, geschenkt oder teilge­schenkt. Das ist also auch eine Möglichkeit. Ich bin jetzt kein Lober oder Fan von China, aber das muss man einfach objektiv sagen. Die internationalen Organisationen bringen kaum etwas oder nichts zusammen. Das einzige Land, das wirklich viel verschenkt hat, ist China. Das betrifft die Impfstoffe Sinopharm und Sinovac, die ja von der WHO auch zugelassen worden sind.

Zum Abschluss möchte ich, obwohl es nicht zum Thema gehört, ein bisschen etwas zu dem sagen, was Kollege Schennach noch über Ungarn gesagt hat. Das ist ja immer die gleiche Frage: Es wird zuerst geredet, wie wichtig es ist, nicht diskriminierend vorzu­gehen – bei der Impfung darf man niemanden diskriminieren und jeder hat sie zu krie­gen, ohne Wenn und Aber –, aber es gibt natürlich Länder, die politisch nicht gewünscht sind. (Bundesrat Schreuder hebt ein Fähnchen in Regenbogenfarben in die Höhe.) Der Kollege zeigt es im Grunde schon an. Für diese Länder gibt es natürlich nur Bedingun­gen. So hat die EU im Fall Ungarns zum Beispiel schon zweimal die Auszahlung von EU-Geldern gestoppt, blockiert, verweigert, weil Gesetze beschlossen worden sind, die politisch nicht gepasst haben.

Ich möchte wirklich wissen – der Herr Außenminister wird uns vielleicht eine Antwort darauf geben –, gegen welchen europäischen Wert oder gegen welche Regelung in der Europäischen Charta Ungarn mit einem Gesetz, das gewisse Formen der Werbung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Verhältnisse nicht gestattet, verstoßen hat. Es ist in Ungarn in keinster Weise eine Kriminalisierung von LBGT-Communities oder LBGT - - (Na-Rufe bei der SPÖ) Es ist in keinster Weise eine rechtliche Diskriminierung erfolgt. (Bundesrat Steiner: Die kennen nicht einmal das Gesetz, die Sozialisten!) Es ist die Möglichkeit, solche Formen zu bewerben, eingeschränkt oder gesetzlich geregelt worden. Das ist ein großer Unterschied.

Ich sage es vor allem Kollegen Schreuder, weil er diese Fahne in die Höhe gehoben hat: In einer Demokratie – Meinungsfreiheit! – ist das Wichtigste, dass der andere das Recht hat, zu entscheiden und zu sagen, was er will, nicht, dass man es selber macht. Der­jenige - - (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Kollege, gleich, gleich, gleich! Derjenige, der ein LBGT-Aktivist ist, der darf sich nicht nur darum kümmern, dass LBGT-Gedanken verbreitet werden können, und er darf es nicht als das Maß der Freiheit sehen, dass er am Bundeskanzleramt oder am Außenministerium vielleicht die LBGT-Fahne hissen kann. Freiheit ist es, auch gegen diese Gedanken aufzutreten. Freiheit ist, wie Rosa Luxemburg so schön gesagt hat, immer die Freiheit der anderen.

Ein Land mit einer demokratischen Struktur – das ist Ungarn unbestritten, das bestreitet in der EU niemand – (Zwischenruf bei der SPÖ), das eine – mehrfach – gewählte Re­gierung hat, das im Kern eine Pressefreiheit hat, in dem alle westlichen Medien über Internet - - (Bundesrat Schennach: Pressefreiheit in Ungarn? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), in dem alle westlichen Medien frei erhältlich sind - - Pressefreiheit in Ungarn - - (Bundesrat Schennach: 80 Prozent der Medien sind unter Orbán-Kontrolle! Das ist Pressefreiheit? – Bundesrat Steiner: So wie Österreich, in Österreich, Kurz!) Also ich steige in diese - -

Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Kollege Hübner, ich bitte, zum Schluss zu kommen.

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich komme jetzt zum Schluss: Mein Schlusswort oder mein Schlussappell geht vor allem an die LBGT-Aktivisten: Wer ein Aktivist für eine Sache ist und wer an Vielfalt, Meinungsfreiheit und Demokratie glaubt, muss sich dafür einsetzen – das ist meine Sicht der Dinge –, dass auch der andere seine Positionen vertreten kann, und dass er diese Positionen, wenn sie demokratisch zu­stande kommen, in einer Rechtsordnung umsetzen kann. Das ist das Wesen der Volks­herrschaft, der sogenannten Demokratie. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.59

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zur Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte.