12.51

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Ja, die Abänderungen der Bundesgesetze sowohl zum Härtefall­fonds- als auch zum KMU-Förderungsgesetz sind nach wie vor wichtig, notwendig. Sie enthalten Maßnahmen wie eben die Verlängerungen des Verlustersatzes, auch mit der 50-Prozent-Verlustregelung, die Überbrückungshilfen, die Steuerbefreiungen für Masken und Desinfektionsmittel und vieles mehr. Auch wenn wir uns in einer Phase der Pan­demie befinden, in der Entspannung möglich ist, ist es Sorglosigkeit noch lange nicht, aber wir dürfen hoffen.

In den letzten Tagen ist sehr viel Optimismus über die wirtschaftliche Situation in Öster­reich aufgekommen. Es ist viel über den Aufschwung gesprochen worden. Auch das macht Mut, aber auch wenn es von der Regierung gern anders präsentiert wird, wissen wir doch alle: Die wirtschaftliche Situation ist vielerorts und für viele Menschen noch sehr, sehr angespannt.

Wir haben in Österreich nach wie vor über 360 000 arbeitslose Menschen, wir haben um 360 000 zu viele. Wir haben 360 000 Menschen, die mit 55 Prozent Nettoersatzrate leben oder, sagen wir, überleben müssen. Die können sicherlich nicht die Wirtschaft ankurbeln. Es ist wirklich Zeit – und ich sage das hier noch einmal –: Die Nettoersatzrate gehört angehoben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben auch noch 299 600 Menschen in Kurzarbeit, in der Phase vier sind 230 000 angemeldet. Auch das ist noch eine erheblich große Zahl.

Jetzt aber zurück zu den KMUs: Natürlich ist durch die Öffnungen ein Silberstreifen am Horizont zu erkennen, aber nicht in allen Branchen ist der Aufschwung gleich groß, und vor allem ist er auch nicht in allen Betriebsstrukturen gleich groß. Es sind gerade die Branchen, in denen man körpernah arbeitet, die im Kongresstourismus, die im Städtetourismus angesiedelt sind, und die Klein- und Mittelbetriebe und vor allem auch die EPUs noch sehr betroffen.

Die Einpersonenunternehmen sind ja auch schon vor der Krise mit erschwerten Bedin­gungen auf dem Markt konfrontiert gewesen. Ein ganz wichtiger Punkt des Sozialdemo­kratischen Wirtschaftsverbandes, des Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Nieder­öster­reich und Präsidenten des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Nieder­österreich Thomas Schaden und der Vizepräsidentin Kommerzialrätin Martina Klengl war auch schon bei der Investitionsprämie, dass die Mindestsumme von 5 000 Euro für EPUs, für Einpersonenunternehmen, gar nichts bringt. Die waren da schon ziemlich außen vor.

Es ist mir heute auch ein großes Anliegen, nicht nur über Maßnahmen der Krisenbewälti­gung zu reden, sondern vor allem auch über die Voraussetzungen, unter denen Klein- und Mittelbetriebe und vor allem Einpersonenunternehmen ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, und darüber, was die brauchen.

Das ist keine kleine Gruppe. In Niederösterreich sind 65 Prozent der Betriebe Einper­so­nenunternehmen. Das ist auch ein Frauenthema, denn über 50 Prozent sind Frauen, und nicht immer gehen Frauen in diese Selbstständigkeit, weil es ihr Lebenstraum war, sondern weil sie auf dem Arbeitsmarkt schwer unterkommen. Dazu kommt, dass das durchschnittliche Alter, mit dem gegründet wird, bei 47 Jahren liegt.

Dann preisen wir diese Einpersonenunternehmen als flexibel, anpassungsfähig, ganz schnell. – Ja, das sind sie, weil sie es sein müssen, um bestehen zu können, weil sie rund um die Uhr im Einsatz sein müssen – wie es so schön heißt: selbst und ständig arbeiten – und dabei sehr schlecht sozial abgesichert sind. Das ist die andere Seite der Medaille.

Warum zahlen diese UnternehmerInnen nach wie vor 20 Prozent Selbstbehalt für Arztbesuche? Das ist eine Ungerechtigkeit. Sie zahlen genau so viel ein wie die nach dem ASVG Versicherten. Warum müssen sie sechs Wochen darauf warten, wenn sie krank sind, dass sie ab dem vierten Tag der Krankheit, nicht ab dem ersten, rückwirkend Krankengeld bekommen? Warum gelten für diese Unternehmerinnen und Unternehmer bei langer Erkrankung nicht die gleichen Absicherungen? Warum gilt da nicht die Bezugsdauer von 52 Wochen und die Wartefrist von 13 Wochen?

Eine altbekannte Forderung: Steuergerechtigkeit! Warum dürfen diese Unternehme­rin­nen und Unternehmer ihren Arbeitsplatz, der zu Hause ist, nicht steuerlich geltend machen, schon gar nicht, wenn er nicht räumlich getrennt ist? Da wäre eine Pauschale angebracht.

Wichtig für diese kleinen regionalen Unternehmerinnen und Unternehmer wäre die Wie­dereinführung des Handwerkerbonus – das ist Konjunkturbelebung, das sichert Arbeits­plätze in der Region –, 2018 erfolgreich von der Wirtschaftskammer Niederöster­reich, vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband umgesetzt. Der wurde wieder ein­gestellt.

Was seitens der Regierung für diese Betriebe, für diese Unternehmen getan werden kann, ist auch, dass sie bei öffentlichen Auftragsvergaben mehr Möglichkeiten bekom­men: kleinere Losgrößen, mehr hin zum Bestbieterprinzip. Natürlich hat die Novelle des Bundesvergabegesetzes die beiden Kriterien aufgewertet, aber auch da gibt es noch viel zu tun.

Bedenken wir immer: 99,5 Prozent der österreichischen Betriebe sind kleine und mittlere Unternehmen. 62,8 Prozent des Umsatzes werden von Einpersonenunternehmen er­wirtschaftet. KMUs erwirtschaften 60 Prozent der Wertschöpfung. Sie haben zum Bei­spiel in Niederösterreich 16 943 Lehrlinge ausgebildet. Die 134 500 kleinen Betriebe in Niederösterreich haben 500 000 MitarbeiterInnen. Das alles sind wesentliche Faktoren für unsere Wirtschaft.

Ich möchte zum Schluss noch auf eine Meldung der letzten Tage eingehen, auf die vorhin angesprochenen Gratistestungen für die Gastgeberinnen und Gastgeber und die Mitarbeiter im Bereich des Tourismus. Liebe Frau Kollegin Mattersberger, ich muss Ihnen da widersprechen, denn auch da sind die PrivatzimmervermieterInnen und die Mitarbeiter in diesem Sektor nicht erfasst. Die sollen das selber zahlen, obwohl sie es sowieso schon sehr schwer haben.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gratis Corona-Tests für Privatzimmervermieter*innen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort sowie die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Touris­mus, solle umgehend die Berücksichtigung der Privatzimmervermieter*innen bei den Gratis Corona-Tests im Bereich der Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe veranlas­sen.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gratis Corona-Tests für Privatzimmervermieter*innen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile dieses.