13.12

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­si­dentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hier Gäste im Hohen Haus sind oder uns via Livestream folgen! Wir diskutieren vorläufige Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas, eines demokratiepolitischen Labors, das stattgefunden hat, das in der Tat mit Fragen über seine Zusammensetzung behaftet war, das in der Tat auch von den ganz konkreten Zielsetzungen her offen gewesen ist. Das sage ich als einer, der die Ehre hatte – als einer von vier Parlamentariern des österreichischen Parlaments, drei Abge­ordnete zum Nationalrat, ein Bundesrat –, an dieser Konferenz mitwirken zu dürfen, und als jemand, der auch an dieser von Kollegen Leinfellner angesprochenen Abschluss­veranstaltung des Parlaments, des Nationalrates und des Bundesrates gemeinsam, teilgenommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist über dieser Konferenz immer die Frage gestanden: Wie wollen wir Österreicherinnen und Österreicher, aber auch wir Europäerinnen und Europäer in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leben? Wie wollen wir in Frieden und in Freiheit leben? Wie wollen wir die Grundfreiheiten, die uns dieses gemeinsame Europa gebracht hat – vom freien Personenverkehr über den freien Warenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr – auch in Zukunft ausgestalten? Wie wollen wir die innere und die äußere Sicherheit Europas und damit auch unserer Heimat gewährleisten? Wie wollen wir gemeinsam die Werte Europas hochhalten? Und wie wollen wir das, was die Frau Bundesministerin mit der Rechtsstaatlichkeit angesprochen hat, sicherstellen? Wie wollen wir dafür sorgen, dass Menschenrechte in Europa, aber auch darüber hinaus gewahrt werden? Wie wollen wir Medienfreiheit, Gleichheit und andere Prinzipien des gemeinsamen Europas gemeinsam in die Zukunft tragen?

Für mich war das Spannende, dass diese Konferenz – es wurde angesprochen – über ein Jahr gelaufen ist, vom 9. Mai 2021 bis zum 9. Mai 2022 mit dem Finale in Straßburg, der großen Schlussveranstaltung, die an sich eine sehr, sehr positive Stimmung gebracht hat, wobei die Frage im Raum stand: Wie wollen wir diese gemeinsamen Ziele in die Zukunft tragen?

Ich habe es als sehr, sehr wohltuend empfunden, Kollege Leinfellner, dass sich die europäischen Bürgerinnen und Bürger in die eigenen Angelegenheiten eingemischt haben. Ja, sie sind durch einen Zufallsgenerator ausgewählt worden, es haben aber auch viele Österreicherinnen und Österreicher in den Formaten, die die Frau Bundes­ministerin angesprochen hat, die Möglichkeit gehabt, sich entsprechend einzubringen.

Sie haben ihre Ideen investiert – ich habe das als ein Investment in die Zukunft Europas und damit der gemeinsamen Heimat gesehen –, sie haben ihre Zeit investiert, sie haben manche Mühen investiert, weil es nicht ganz so einfach ist, in Straßburg anzureisen und auch wieder in die Heimat zurückzukommen, und sie haben das mit vollem Herzen getan, in einer positiven Grundgesinnung. Sie haben das gemeinsam mit Vertretern der Europäischen Kommission getan, mit Vertretern des Europäischen Parlaments, mit Vertretern des Europäischen Rates, auch mit den Expertengremien des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, also des Sozialpartnergremiums auf europäischer Ebene, und, was für uns als Länderkammer besonders entscheidend ist, auch mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen, wo ja die Gemeinden und die Regionen entsprechend vertreten sind. Die nationalen Parlamente konnten ihre Meinung dabei einbringen.

In diesem gemeinsamen Prozess, der ein nicht ganz einfacher war – das gestehe ich zu; das war aber auch nicht zu erwarten in dieser Konferenz –, sind 49 Vorschläge mit 320 Maßnahmen herausgekommen. Man muss nicht zu allen diesen Vorschlägen und Maßnahmen immer eins zu eins stehen, aber diese Vorschläge und Maßnahmen haben ein Bild gezeichnet, in welche Richtung Europa sich entsprechend entwickeln kann.

Für mich war es sehr spannend – ich war in der Arbeitsgruppe für die Wirtschaft, So­ziales und den Arbeitsmarkt –, dass sich seit Februar des heurigen Jahres die Tonalität und das Bewusstsein verändert haben, weil es seit diesem Zeitpunkt den Angriffskrieg Putins in der Ukraine gibt und sich manche Themenstellungen auf einmal völlig anders dargestellt haben.

Denken Sie beispielsweise an die Frage der Lieferketten, denken Sie beispielsweise an die Frage der Lebensmittelsicherheit, denken Sie beispielsweise an die Frage der Ener­gieversorgung: Plötzlich haben Themen eine ganz andere Qualität bekommen, als sie sie vorher gehabt haben. Ich habe das als sehr wohltuend empfunden und das hat auch Eingang in das finale Papier dieser Zukunftskonferenz gefunden.

Kollege Leinfellner, nur damit ich mich nicht verschweige: Du hast manche Persönlich­keiten aus der Abschlussveranstaltung zitiert. Ich habe die Zitate anders empfunden; ich möchte es hier nur sagen. Die Herrschaften können sich selbst bei dir melden, wenn sie sich missverstanden gefühlt haben. Es war aber auch die Stimmung der Bürgerinnen und Bürger in dieser Veranstaltung vergangene Woche eine sehr, sehr positive.

Es wird jetzt vom Follow-up abhängen, wie es mit diesen Ideen und Vorstellungen wei­tergeht. Dieses Follow-up ist aber auch immer von uns als Bundesrat, als Länderkammer, die sich auch mit hoher Europakompetenz ausgestattet fühlt, begleitet worden. Ich bin dem EU-Ausschuss sehr dankbar dafür, dass wir dieses Thema heute hierher gebracht haben. Wir hätten es ja auch im EU-Ausschuss erledigen können, aber ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns im Hohen Haus gemeinsam ein Bild über die Zukunft Europas machen.

Wir haben ja auch einen Entschließungsantrag formuliert, dass wir gerne möchten, dass uns die Bundesregierung auf dem Laufenden hält, wie es jetzt mit diesen Ideen und Vorschlägen aus der Zukunftskonferenz weitergeht, und dass, sollte es zu einem Kon­vent kommen, auch die Vertreter der nationalen Parlamente, in unserem Fall des österreichischen Nationalrates und Bundesrates, fraktionsübergreifend hier miteinge­bunden werden.

Wir haben sehr früh begonnen, uns einzubringen. Während der steirischen Vorsitz­führung im Bundesrat 2021 haben wir erinnerlich diese Jugendveranstaltung gemacht – ich darf auch eine Broschüre zeigen (ein Exemplar der Broschüre „Zukunft.Jugend.Europa.“ in die Höhe haltend) –, bei der wir mit jungen Leuten, mit der Bundesjugendvertretung gemeinsam über die Zukunft diskutiert haben und bei der aus meiner Sicht sehr spannende Vorschläge artikuliert worden sind. Ich weise nur auf die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre hin, die es auch auf europäischer Ebene geben könnte, als einen der Vorschläge aus dieser Konferenz.

Subsidiarität und Proportionalität waren uns immer wichtig, aus einem ganz einfachen Grund: weil wir wissen, dass die Verantwortlichen auf Gemeindeebene, auf kommunaler Ebene, auf regionaler Ebene den besten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern haben. Deswegen halte ich diese Initiative von Karoline Edtstadler, mit den regionalen Vertretern auch immer den Dialog zu führen, auch für sehr gut. Das sind die Botschafter Europas, aber umgekehrt auch jene Melder, die Stimmungslagen, wie die österreichi­sche Bevölkerung zu manchen Themen steht, sehr genau tarieren können. Es ist gut, ein Gegenstromprinzip zu haben, was solche Vorschläge betrifft.

Wir waren aber nicht nur für Subsidiarität und Proportionalität, sondern immer auch für die Erweiterung in Europa. Das wird auch ein Thema des Follow-up-Prozesses sein: Wie gehen wir mit den Ländern des westlichen Balkans um? Wie ernsthaft ist das, was der Rat jetzt bezüglich Ukraine und Moldawien beschlossen hat, tatsächlich? Da werden noch einige Fragestellungen zu klären sein.

Ich glaube, dass der weitere Prozess dieser Zukunftskonferenz – und es werden sich jetzt die drei Institutionen, also die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament, zu diesen Vorschlägen äußern müssen – auch eine Frage der Glaubwürdigkeit Europas ist: Nehmen sie Bürgeranliegen ernst oder nicht? Ich persönlich bin ein Fan davon, dass wir das tun, wenn auch nicht jede Maßnahme eins zu eins sofort umgesetzt werden kann. Es wird ein iterativer, schrittweiser Prozess sein, um Europa ein Stück weiter­zubringen.

Um mich nicht zu verschweigen, was das Einstimmigkeitsprinzip betrifft: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin ein Fan davon, dass Europa um seine Positionen ringt, auch wenn das manchmal mühsam ist, auch wenn das manchmal Zeit braucht, auch wenn es manchmal manchen lästig erscheint. Ich glaube, dass eine Einstimmigkeit in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durchaus einen Wert für Europa darstellt, wenn es darum geht, Solidarität auszuüben, und dass wir jedenfalls sehr sorgsam mit diesem Gut umgehen müssen.

Ob es zu einem Konvent kommt, werden die nächsten Monate zeigen. Wir haben gestern mit den Vertretern des tschechischen Senats auch über die tschechische Ratspräsidentschaft im Rahmen des EU-Ausschusses sprechen können. Da kommt auch dem tschechischen Ratsvorsitz große Verantwortung zu, und die Kollegen sind sich sehr bewusst, dass es da vieler, vieler Gespräche bedürfen wird, um einen Schritt weiterzukommen.

Ich schließe damit ab, dass natürlich der Gesprächsstoff nicht zu Ende ist. Es wurde von der Frau Bundesministerin darauf hingewiesen, dass es zwar ein finaler Bericht ist, aber nicht das Finale des Prozesses. Ich gehe davon aus, dass es, wo auch immer, mög­licherweise wieder in Straßburg, auch ein Follow-up-Event mit den Bürgerinnen und Bürgern geben wird, um sie auch über den Gang und die Lage dieses Prozesses informiert zu halten.

Ich schließe mit dem Zitat eines Franzosen, der als Schriftsteller weltberühmt ist, aber auch Politiker war, nämlich von Victor Hugo, der einmal gemeint hat: „Nichts ist so mäch­tig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ – Die Idee Europa ist von einer zeitlosen Eleganz. Ihre Zeit ist seit Langem gekommen, aber sie muss weiterentwickelt werden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Himmer.)

13.23

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet: Dr. Johannes Hübner. – Bitte schön.