16.38
Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Jetzt muss ich nur schnell meinen Saustall ordnen. (Der Redner ordnet seine auf dem Rednerpult liegenden Unterlagen.) – So, ja: Die ÖVP und die Demokratie ist bekanntlich ein schwieriges Thema. Seit die Grünen in der Regierung sind, ist das Thema mit der Demokratie nicht einfacher geworden, das wissen wir nun.
Wenn man das jetzt vielleicht ein bisschen von unten aufrollen will und ein bisschen auch in ÖVP-geführte Gemeinden, in ÖVP-geführte Länder schaut, dann sieht man, es wird noch schwieriger mit der Demokratie, denn da wollen die ÖVP-Funktionäre – je weiter es hinuntergeht – umso weniger von der Demokratie wissen. Ich glaube, es gibt hier herinnen nicht viele, die mir da dagegenreden können, wie schnell in einer Gemeinde mit ÖVP-Bürgermeistern – der SPÖ wird es auch oft passieren – über die Leute, über die Gemeinderäte drübergefahren wird, dass es nur so raschelt im Gebälk.
Aber das ist halt die ÖVP. Mit dem haben wir gelernt umzugehen, da haben sich in Gemeinden Bürgerbewegungen gebildet, die dann dagegen aufstehen – und, und, und. Das ist dann aber auch Demokratie, und wenn vorhin dann von – ich weiß jetzt nicht mehr, wer das war – ÖVP oder SPÖ zu hören war: Ja, und die Meinungen gehen so weit auseinander und das ist dann oft ein Problem! – Nein, eben das ist kein Problem, auch das ist Demokratie: wenn ganz, ganz viele verschiedene Meinungen einen Platz kriegen, um sie kundzutun, und das ist halt einmal das Parlament, das ist der Gemeinderat, das ist der Landtag, das ist das Wirtschaftsparlament, das ist – ein bisschen weniger – das EU-Parlament, aber das ist dann Demokratie, in der wir alle leben.
Wenn Kollege Himmer von der ÖVP dann herausgeht und an dem Bericht, den es da gegeben hat, kritisiert, dass es quasi die falschen Experten waren (Bundesrat Bader: Nein, nicht die Falschen! – Ruf bei der ÖVP: Zu wenige!), dann darf ich bitte nur daran erinnern, mit welchen Experten diese Regierung zweieinhalb Jahre lang die Coronageschichte gemacht hat, was das für Experten waren. Also mit der ÖVP berate ich mich zumindest nicht mehr über Experten, denn das waren Chaoten und keine Experten. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir sind also ganz weit weg davon, dass ein ÖVPler irgendwelche Experten bewertet. Das liegt uns fern, aber natürlich, wenn es nicht in euren Kram passt, dann sind es plötzlich keine Experten mehr, dann waren es zu wenige, dann waren es die falschen, die haben sich zu wenig damit befasst, das ist dann nicht empirisch und dann wischen wir das einfach so weg.
Liebe ÖVP, das ist aber nicht Demokratie. Man kann nicht immer nur – das geht in Österreich, ja – jene Experten aussuchen, die eh das sagen, was man hören will. Das geht halt dann nicht mehr, wenn wir plötzlich einen internationalen Bericht kriegen. Der war halt international und das waren halt über 3 700 Experten, es hilft nichts. Das waren 3 700 Experten, von denen jeder Einzelne wahrscheinlich zehnmal mehr Experte war als die Regierungsexperten in der Coronazeit – denn das waren ja auch noch Tierärzte. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Da hättest du aber die EU-Reform auch ...! Du hast ja bei der EU-Reform nicht so ...!)
Gut, dann hat sich Kollege Schennach darüber beschwert, dass man den Kanzler nicht mehr sieht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wasser predigen und Wein trinken!) Ich kann mich noch daran erinnern – ich weiß gar nicht, bei welcher Regierungsumbildung die Frau Staatssekretärin zur Staatssekretärin wurde –, als ich bei der Regierungserklärung gesagt habe: Ja, Herr Kanzler, das wird es jetzt gewesen sein, auf Wiederschauen, wir werden Sie nicht mehr sehen. – Und genau so ist es gewesen. Ja, logisch, das Staatssekretariat wurde dafür geschaffen – der Ressortname Jugend ist ja nur ein Mascherl, damit man etwas drauf hat, weil es passiert ja nichts –, damit die Frau Staatssekretärin den Kanzler im Parlament vertritt, sodass er sich hier herinnen vor dem gewählten Nationalrat oder vor dem Bundesrat nie für das, was er da aufführt, rechtfertigen muss. Deswegen haben wir dieses Staatssekretariat. (Beifall bei der FPÖ.)
Als ich mir dann die Anfragebeantwortung, um die es eigentlich geht, angeschaut habe – ich habe sie erst heute durchgeschaut, als ich gesehen habe, dass die SPÖ sie im Plenum diskutieren will –, habe ich mir schon gedacht: Zu Recht wollt ihr diese Anfragebeantwortung! Bisher hat noch keiner die Fragen und die Antworten, zumindest in Stichworten, vorgelesen. Ich mache das jetzt einmal, denn die Leute draußen sollen wissen, wie hier herinnen seitens des Kanzlers mit Fragen der Parlamentarier umgegangen wird.
Da wird die Frage gestellt: „Waren Sie als Bundeskanzler vorab über die schlechtere Einstufung Österreichs im Democracy Report 2022 informiert?“ – Die Antwort: nichts. Ja oder nein – was ist denn daran so schwer? Entweder war ich informiert oder ich war nicht informiert. Warum kann man das nicht beantworten?
Zweite Frage: „Haben Sie als Bundeskanzler das Thema auf die Tagesordnung des Ministerrates setzen lassen [...]?“ – Keine Antwort – ja oder nein? Heute ging es dann auf einmal leicht: Ja, er hätte es ja gemacht, aber er war nicht zuständig, denn zuständig ist Frau Verfassungsministerin Edtstadler. – Anscheinend kennen sich die zwei nicht, denn wie sonst kann so etwas passieren? Entweder ich will es auf der Tagesordnung haben oder nicht – also: eine Katastrophe!
„Welche Schritte werden Sie konkret setzen, um Österreich wieder zu einer Einstufung als liberale Demokratie zu verhelfen [...]?“ – Keine Antwort (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und das von einem Kanzler!), null, und das von einem Kanzler, der eine Staatssekretärin für Jugend hat, und obwohl man zuerst davon geredet hat, dass die Jugend für die Demokratie so wichtig ist. (In Richtung Staatssekretärin Plakolm:) Ja, Sie werden doch wohl zu Ihrem Kanzler gesagt haben: Bitte, Karli, da werden wir eine Antwort geben müssen, also gebe ich als Jugendstaatssekretärin die Antwort darauf, was wir mit der Jugend vorhaben, um Österreich wieder zur liberalen Demokratie zu verhelfen! – Null, auch heute nichts, kein Wort.
Das ist abgehoben und hat mit Demokratie genau gar nichts zu tun. Da haben die Kollegen von der linken Seite recht. Das ist ein massives Problem dieser Regierung. Sie sind ja selber als Abgeordnete hier herinnen gesessen. Natürlich haben Sie es sich als ÖVP-Abgeordnete gefallen lassen, das ist mir schon bewusst, aber Sie werden sich wohl damals auch oft einmal gedacht haben: Ich als Abgeordnete will es wissen, ich will Informationen haben! – Nur weil man ein bisschen aufgestiegen ist, kann man sich doch nicht hierhersetzen und das dann plötzlich so herunterkanzeln, die Fragen herunterkanzeln, quasi: Ihr kennt euch nicht aus, ihr dürft so eine Frage nicht stellen. – Natürlich dürfen sie das!
Es gibt nämlich mittlerweile eine rechtliche Einschätzung und Sie werden sie wohl gelesen haben; es ist nämlich die rechtliche Einschätzung zur Dringlichen Anfrage von der Freiheitlichen Partei im Nationalrat vor Kurzem, wo der Herr Kanzler auch durch seine Staatssekretärin vertreten wurde, weil er da ja auch nicht mehr hingeht. Da haben Sie sich in einer Abgehobenheit hingestellt, also wirklich. Ich empfehle jedem Österreicher, das noch einmal in der Mediathek nachzuschauen, ich habe es heute gemacht. Es ist unglaublich, dass man als ehemalige Abgeordnete dann als Staatssekretärin von der Ministerbank aus die ehemaligen Abgeordnetenkollegen so abkanzelt. Das ist wirklich tiefste Schublade, das sage ich Ihnen, Frau Staatssekretärin. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist die Einschätzung vom Wissenschaftlichen Dienst im Parlament. Ich lese Ihnen jetzt nur zwei, drei Sachen vor, weil Sie mich so anschauen, als ob Sie das noch nie gesehen hätten. Wenn ich es habe, dann werden Sie es wohl auch haben.
Da geht es um das allgemeine Interpellationsrecht, auf das Sie sich heute berufen haben: Es ist ein „zentrales Instrument der Kontrolle der Vollziehung durch die Gesetzgebungsorgane“ – (in Richtung Staatssekretärin Plakolm:) das verstehen wir hoffentlich – und der Sinn davon ist, dass man „Kenntnis von der Tätigkeit der Bundesregierung [...]“ erlangt. Das heißt, wir alle hier herinnen, aber auch die Abgeordneten der Regierungsparteien hätten die verdammte Pflicht, solche Fragen zu stellen. Natürlich hättet ihr (in Richtung ÖVP) auch die Pflicht, euch zu informieren. Ich weiß schon, das macht ihr nicht gern, weil man dann wahrscheinlich auf noch mehr Skandale draufkommen würde. Dann steht da noch drinnen: Man kann es nur dann zulässig verweigern, „wenn die Unmöglichkeit der Beantwortung begründet wird“ oder wenn die Antwort tatsächlich unmöglich ist. Das war bei einem Gros der Fragen aber nicht der Fall. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)
Es geht weiter: „In der parlamentarischen Praxis werden auch Fragen beantwortet, die sich nicht konkret auf ‚einen Gegenstand der Vollziehung‘ beziehen.“ – Ich habe jetzt deswegen so viele Zetteln mit, weil das ein relativ umfänglicher Bericht ist, und da ging es dann um die Fragen 1 bis 33. Dazu schreibt der Wissenschaftliche Dienst, der sich wohl besser auskennen wird als die Jugendstaatssekretärin: „Hierbei handelt es sich um Fragen betreffend die Arbeit der Bundesregierung bzw. die Tätigkeit und Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers und somit um einen ‚Gegenstand der Vollziehung‘.“ – Natürlich hätten diese Fragen beantwortet werden müssen, logischerweise, aber diese abgehobene Bundesregierung steht ja über allem und denkt: Die minderen Abgeordneten brauchen nicht zu wissen, was wir alles Gutes tun und Perfektes machen. Dann entzieht man sich halt der Beantwortung – zu Unrecht, wie wir wissen, seit der Bericht da ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Es geht so weiter – zu den Fragen 5, 6, 8, 10, 14, 15 und 18: “Derartige legistische Maßnahmen sind nach der überwiegenden Meinung in der Literatur vom Vollziehungsbegriff [...] umfasst [...] und wären insofern“ – natürlich –„zu beantworten gewesen.“
Das heißt, eigentlich hätten Sie, wenn Sie Anstand gegenüber unserer Demokratie, unserem Parlamentarismus und vor allen Dingen gegenüber den Abgeordneten im Nationalrat gehabt hätten, von den über 40 Fragen alle bis auf zwei natürlich beantworten müssen. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist halt eine Unart. Nennt man es so? – Ich weiß es ja nicht. Unart wird da wahrscheinlich nicht ausreichen. In der Regierung ist es mittlerweile eingerissen, dass sich der Kanzler nicht mehr ums Parlament schert. Der heilige Sebastian hat das ja auch immer wieder versucht, aber der hat halt keine Staatssekretärin gehabt, die er schicken konnte. Er hat das Parlament aber auch nicht gemocht. Der 100-Prozent-Karli war ein bisschen gescheiter und hat sich gedacht: Ich setze mir die Staatssekretärin da hinein, denn dann betrifft mich das Parlament oder der eventuell lästige Bundesrat ohne Redezeitbeschränkung nur noch peripher. – Ja, das hat er jetzt natürlich geschafft.
Jetzt müssen Sie sich das halt antun, aber Sie haben sich ja dafür entschieden und Sie haben gewusst, was auf Sie zukommt und dass Sie nur noch als Vertretung fungieren werden.
Dann stellt sich halt wirklich die Frage, wie ernst es der ÖVP mit der Demokratie im Land ist. Ich gehe da jetzt gar nicht auf eure ganzen Skandale ein, es reicht nämlich, wenn man sich den Umgang dieser Partei mit den Medien anschaut: Hier kaufen wir uns diese Zeitung und da kaufen wir uns diese Zeitung. Hier inserieren wir ein paar Millionen Steuergelder, da inserieren wir ein paar Millionen Steuergelder. Der in Vorarlberg geht überhaupt keilen und droht, wenn man nicht im Parteiblatt inseriert. – So geht man in der ÖVP mit öffentlichen Geldern, den Medien und der Demokratie um. Das kennen wir ja.
Der Kanzler ist jetzt – ich habe dazu vorhin noch etwas gelesen – ja auf einem Nato-Gipfel, wie es die Frau Staatssekretärin gesagt hat. Na, Gott sei Dank ist er nicht auf dem Nato-Gipfel, weil wir kein Nato-Mitglied sind, sondern er ist am Rande des Nato-Gipfels und sitzt natürlich nicht mit den Nato-Ländern am Tisch. Gott sei Lob und Dank, denn wir sind neutral, Frau Staatssekretärin. Ich gebe da gerne Nachhilfe. (Beifall bei der FPÖ.)
Und es ist natürlich weitaus wichtiger, zum Rande eines Nato-Gipfels zu fahren, als hier herinnen Rede und Antwort zu stehen. Das verstehe ich schon, das ist weitaus wichtiger. (Bundesrat Buchmann: Das glaube ich auch!)
Ja, Herr Kollege Buchmann sagt: Das glaube ich auch. – Schaut, das ist die ÖVP! (Bundesrat Buchmann: Wenn es um Frieden in der Welt geht, wird das wohl wichtiger sein!) Herr Kollege Buchmann von der ÖVP, der Herr Landesrat außer Dienst – Sie können googeln, warum er Landesrat außer Dienst ist – sagt: Das glaube ich auch, dass das wichtiger ist, als dem Parlament von da, wo der Bundeskanzler herkommt, Rede und Antwort zu stehen. (Bundesrat Buchmann: Das hab ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, es ist wichtig, dass der Bundeskanzler hinfährt!) Das ist die ÖVP, wie sie leibt und lebt. Perfekt, Herr Buchmann, darauf hab ich jetzt gewartet. (Beifall bei der FPÖ.) Also unglaublich – unglaublich!
Jetzt grattelt er da irgendwo durch die Weltgeschichte, und dann trifft er noch Bürgermeister Klitschko. Ich bin mir aber nicht ganz sicher: Ist es dann der Bürgermeister? Ist es ein Hologramm? – Keine Ahnung. Wir wissen es nicht. Der Wiener Bürgermeister hat mit ich weiß nicht wem telefoniert, aber halt nicht mit Klitschko. Jetzt hoffen wir einmal auf das Gespür des außenpolitischen Dienstes, des diplomatischen Dienstes von Österreich, dass sie den Kanzler zum richtigen Klitschko schicken und nicht zu einem Hologramm. Schauen wir einmal und beurteilen wir dann nachher, ob er nicht doch besser im Bundesrat gestanden hätte, denn sonst wird es eh wieder noch peinlicher für den Kanzler der Fettnäpfchen. (Beifall bei der FPÖ.)
Zu den Fragen, die da nicht beantwortet wurden, die auch heute nicht beantwortet wurden, und zu der kurzen Stellungnahme von Ihnen kann ich nur eines sagen. Es wird die Zeit kommen, Frau Staatssekretärin, wo Sie nicht mehr auf diesem Sessel sitzen, sondern die Rollen vielleicht vertauscht sind. Ich hoffe, dass Ihre Abgehobenheit dann nicht zu einem Bumerang verkommt. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
16.53
Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Karl Bader zu Wort gemeldet. – Ich bitte.