19.47

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Christoph (in Richtung des mit einer Bediensteten der Parlamentsdirektion sprechenden Bundesrates Steiner) macht ein Duett mit mir. – Christoph, reden wir zusammen, machen wir eine Doppelcon­férence! (Bundesrätin Zwazl: Das ist nicht vorgesehen in der Geschäftsordnung, Herr Dr. Hübner!) – Warum? Das hat ja nichts mit Kabarett zu tun, eine Doppel­conférence ist eine sehr geistreiche Sache. (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Da wirft man sich die Bälle zu. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)  Sicher, ja.

Dessen ungeachtet – Zuschauer kann ich jetzt leider keine mehr begrüßen –: Liebe Kollegen, die ihr noch andächtig den Reden und Beiträgen hier lauscht! Also ich habe bei der ganzen Diskussion nur eines nicht verstanden, vor allem, als ich Kollegen Scheuder, Schreuder zugehört habe (Bundesrat Schreuder – seinen Namen niederländisch aussprechend –: Schreuder!) – Schreuder (die Aussprache Schreuders imitierend), aha, Schreuder (den Namen deutsch ausspre­chend) – und auch dem Herrn Minister zugehört habe: Wieso sind die Grü­nen und die ÖVP nicht sofort dabei, wenn es heißt: Neuwahlen!? Wieso?

Kollege Schreuder (die Aussprache Schreuders imitierend), wie Sie meinen – ich sage: Schreuder (den Namen deutsch aussprechend) – hat uns ganz klar erklärt, dass diese Regierung in der schwersten Krise seit 1945, die eine Abfolge von Krisen gewesen ist, alles richtig gemacht hat (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja!), alles perfekt gelöst hat, wie das noch nie eine Regierung geschafft hat. Der Herr Bundeskanzler hat das ein bisschen vorsichtiger gesagt, aber im Wesentli­chen war laut ihm auch alles perfekt. Wenn man diese schwersten Krisen, wie sie angeblich seit 1945 nicht existiert haben, so perfekt löst, dann kann man sich doch dem Wahlvolk stellen und wird eine absolute Mehrheit für jede einzelne Partei erreichen. Warum versteckt man sich also? (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt habe ich mir natürlich schon überlegt, als ich auch dem Kollegen von der SPÖ zugehört habe (Bundesrätin Zwazl: Er heißt Schennach! – Bundesrat Schennach: Danke!) – Kollegen Schennach, ja, ja, Kollegen Schennach –: Woran kann das liegen? Da habe ich mir gedacht: Woran kann das liegen? Und da macht man ja in modernen Zeiten wie heute einen sogenannten Faktencheck. Da habe ich mir gedacht: Machen wir das einmal anhand der Asyl- und Ein­wanderungspolitik! Das ist ja ein interessantes Thema, weil es ja eine Last ist, die uns trifft. Wir haben die 100 000er-Grenze an Asylwerbern und Scheinver­folgten erreicht und überschritten. Das kostet uns heuer jedenfalls mehr als 3 Mil­liarden Euro zusätzlich zu dem, was wir schon aus dem Vorjahr mitgeschleppt haben.

Wie sieht es vor und nach dem Beginn der Innenminister- und später Kanzlerschaft des Herrn Nehammer aus? – 2018 haben wir 13 710 Asylanträge in Österreich gehabt. 2019 sind es nur mehr 12 000 gewesen. Das waren die Jahre eines Innenminister Kickl oder zumindest die Jahre, in denen Innen­minister Kickl noch nachgewirkt hat. (Bundesrat Bader – erheitert –: „Nach­gewirkt“!)

Dann aber – ich glaube, am 7.1.2020 – ist Innenminister Nehammer angelobt worden. Wie geht es da weiter? – Na, in diesem Jahr 2020 sind es schon 14 760 – eine Steigerung um ein Viertel. Also das Gefühl, Österreich ist für den Asylwerber nicht so gut, nimmt schon ab. Jetzt aber kommt das Jahr 2021, in dem wir bereits die Marke von 40 000 erreichen. Es hat sich also in Europa herumgesprochen: Es gibt ein Land, da kommst du und da bleibst du, da gibt es Full House oder – wie sagt man? (Bundesrätin Schartel: All inclusive!) – eine Vollpension, und das ist Österreich. In diesem Jahr überholt Öster­reich pro Kopf auch alle anderen Staaten. Nur Malta und Zypern halten noch ein bisschen mit. Die haben aber wenige Leute und liegen sozusagen direkt an der Front des Asylgeschehens.

Dann geht es weiter, die Zahlen von 2022 wissen wir eh: Bis 30.6.2022 erreichen wir wieder die 40 000er-Schwelle. Wir haben also in diesem halben Jahr schon gleich viel wie im Vorjahr erreicht. Diese Entwicklung ist keine arithmetische, sondern eine geometrische Reihe. Vom Bundeskanzler – oder früher Innenminister – hört man dazu nichts: Schweigen. Impfen und alles Mögliche, Populismus, Hetze und so weiter, aber nichts darüber, gar nichts.

Es geht dann natürlich munter weiter. Wir haben heuer am 31.10. bereits die Schwelle von 90 000 erreicht. Um die Zeit wird es dem Herrn Bundeskanzler, der ja weiter für das Innenministerium oberverantwortlich ist, offenbar schon mulmig. Ende September ist seine erste Aussage, die ich höre: „Die Asylpolitik der EU ist gescheitert“. Wir müssen jetzt mit den europäischen Kollegen ein ernstes Wort reden. (Bundeskanzler Nehammer: Schon gehört!)

Dann reist er sogar – er hat uns heute davon erzählt, das war am 16.11. – nach Belgrad und trifft sich mit Vučić und Orbán, was ja prinzipiell mutig ist, denn, wie wir ja von der SPÖ und den Grünen schon gehört haben, sich mit denen auch nur zu treffen oder auf einem Foto gesichtet zu werden, das ist schon an der Grenze zwischen Populismus und Rechtsextremismus. Der Herr Bundes­kanzler ist aber so mutig und erklärt dort auch, dass es keine Diskussionsverbote über Gesetze gibt, die uns an der Bewältigung des Asylstroms hindern. Er erwähnt dort ausdrücklich die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäi­sche Menschenrechtskonvention, über deren Sinnhaftigkeit und Anwen­dung man selbstverständlich zu diskutieren habe. (Bundeskanzler Nehammer: Und die EU-Aufnahmerichtlinie!) – Und die EU-Aufnahmerichtlinie, ja, genau.

Das wird auch im Nationalrat aufgenommen. Der Klubobmann übernimmt das Ganze.

Jetzt wollen wir einmal schauen, wie glaubhaft oder – Kollege Schreuder, der jetzt nicht da ist, würde sagen: nachhaltig – diese Ankündigungspolitik ist. (Bundesrat Schreuder – winkend –: Doch, da bin ich!) – Ah, da steht er eh. Da hi­nauf habe ich nicht geschaut. Wir machen eine Nachhaltigkeitsüberprüfung. Schauen wir einmal, wie das Innenministerium oder das Kanzler-Innenministe­rium auf diese Asylflut reagiert hat! Es muss ja offensichtlich einmal ein Grund gewesen sein, dass Österreich zum zentralen Magnet für die Einwande­rung geworden ist.

Wir haben ja lange Zeit pro Kopf ungefähr gleich viele Asylwerber wie Deutschland gehabt. Im Jahr 2021 waren wir pro Kopf schon dreimal so stark, und jetzt sind wir pro Kopf ungefähr siebenmal so stark wie Deutschland, obwohl Deutschland eine Regierung hat, die ja perfekt im Schreuder’schen Prin­zip die Regeln festlegt. (Bundesrat Schennach – niederländisch aussprechend –: Schreuder!) Hier ist Deutsch Amtssprache und Schreuder ist noch Schreuder. (Bundesrätin Zwazl: Also bleib bei Marco, dann verredest dich nicht!) – Na ja, ich bin ja ein höflicher Mensch: Es ist der Herr Schreuder für mich – zumindest in der Rede von diesem Pult aus. Also zumindest im Schreuder’schen Denken ist das Baerbock-Scholz-Land fast perfekt, aber selbst die haben es nur geschafft, weniger als ein Fünftel der österreichischen Asylzahlen pro Kopf zu haben. Woran könnte das liegen? – An der effizienten Behandlung natürlich.

Gehen wir einmal zu den sogenannten Zurückschiebungen! Es gibt ja bei uns keine Abschiebungen, sondern es gibt an der Grenze Zurückweisungen und Zurückschiebungen. Im Jahr 2021 haben wir wie gesagt circa 40 000 Anträge gehabt. Wie viele Leute wurden zurückgeschoben? – Das habe ich mir in der Sta­tistik des Innenministeriums angeschaut: 3 092. Das sind weniger als 9 Pro­zent. Mit anderen Worten: 91 Prozent derjenigen, die gekommen sind, sind ge­blieben. Die Zahl der freiwilligen Ausreisen ist vernachlässigbar.

Wir würden glauben, von diesen 3 092 Zurückschiebungen sind wahrscheinlich Inder, Somalis und Iraker betroffen. – Nein, es sind zu 90 Prozent Zurück­schiebungen in die Nachbarländer und auf den Balkan. Nur zu 10 Prozent – das heißt, in gerundet 309 Fällen – findet eine Zurückschiebung in Länder außer­halb Europas statt.

Das heißt: Wer aus der ganzen Welt nach Österreich kommt, hat die Gewissheit: Da kann er bleiben. Da kommt der Faktencheck vielleicht schon an die Quelle der Dinge, warum Österreich so interessant ist.

Ich habe mir dann angeschaut, wie es denn 2022 weitergegangen ist. Da hat sich ja die geometrische Reihe des Massenansturms nach Österreich fortgesetzt. Da haben wir die Hunderttausenderschwelle erreicht. Ich habe die Statistiken nur bis 30.6. gefunden. Da haben wir ja die Zahlen von 2021 schon erreicht. Also bis 30.6. haben wir bereits knapp 40 000 Asylwerber gehabt – also eine Ganz­jahresleistung des Vorjahrs –, und da hat sich die Zahl der Zurückschie­bungen halbiert: Statt 3 092 waren es nur mehr 1 600. Das heißt, die Verdop­pelung des Asylansturms führt zu einer Halbierung der Zurückschiebungen. Das ist also eine sogenannte nachhaltige Politik.

Machen wir vielleicht noch den letzten Faktencheck: wie den Worten dann Taten folgen! Wir haben ja schon gesagt, dass der Herr Bundeskanzler gesagt hat, es gibt keine Diskussionsverbote, und er hat sogar drei rechtliche Vor­schriften genannt, die einer vernünftigen Regelung dieses Ansturms im Wege stehen. Die müssen wir überdenken und überarbeiten, so seine Worte.

Was hat das für Konsequenzen in der ÖVP? – Alle Bundesräte haben es heute bemerkt. Es kommt ein Antrag von der SPÖ: Die EMRK ist in Stein gemeißelt. Da darf kein Jota geändert werden. Es gibt keine Diskussion über die EMRK. Und was passiert? – Die gesamte ÖVP-Fraktion stimmt zu. Da könnte man vielleicht sagen: Na ja, das erklärt schon ein bisschen die Ernsthaftigkeit und Glaub­würdigkeit des Herrn Bundeskanzlers. Das könnte sein.

Zum Beispiel – andere Geschichte – Abschiebungen und Zurückschiebungen: Ein wesentliches Mittel, den Asylzustrom zu stoppen, ist es natürlich, Leute, die keinen Asylgrund haben, glaubwürdig zurückzuschicken – sollte man glauben. (Bundesrat Schennach: Genau das habe ich vorher auch gesagt!)

Jetzt schauen wir uns einmal an, wer am 21.10. den Europäischen Bürgerpreis des Europäischen Parlaments erhalten hat und wer dort die Laudatio ge­halten hat. Vielleicht weiß es jemand. Erhalten – ich will den Namen jetzt nicht nennen – haben diesen Bürgerpreis zwei Antiabschiebungsaktivisten ge­meinsam, die verhindert haben, dass eine 20-jährige Georgierin, deren Namen ich auch nicht erwähne – Tina, eine 20-jährige Georgierin –, in ihre Heimat zurückgeschoben wird. Eine Georgierin aus einem Land, in dem zweifelsfrei auch nach unserer Diktion demokratische, dem europäischen Standard plus/minus entsprechende Verhältnisse bestehen. (Bundesrätin Grimling: Was hat das mit der Dringlichen zu tun?)

Die haben viereinhalb Jahre ein Asylverfahren mit der Familie geführt. Nachdem alles abgewiesen wurde und sie allen Versuchen, sie zur freiwilligen Ausreise zu bewegen, widerstanden haben, mussten sie abgeschoben werden. Da hat sich eine Initiative gebildet, und die beiden Köpfe der Initiative, die den Vollzug des Rechtes und des Rechtsstaates blockiert haben, wurden mit dem Europäischen Bürgerpreis des Europäischen Parlaments ausgezeichnet. Das zeigt uns auch, was von der sogenannten europäischen Initiative zu erwarten ist.

Jetzt meine letzte Frage, dann bin ich schon fertig: Wer, glauben Sie, hat die Festrede, die Laudatio, auf diese beiden Rechtsblockierer gehalten? Ein Tipp? – Othmar Karas, Fraktionsführer der ÖVP im Europäischen Parlament. (Bun­desrat Steiner: Der EU-Pfarrer! – Bundesrätin Zwazl: Fraktionsführer ist er nicht!)

Ich glaube, liebe Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen. Wir verstehen jetzt ein bisschen besser, warum sich der Bundeskanzler doch nicht so um Neuwahlen reißt. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. (Zwischenruf des Bundesrates Novak. – Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zum Redner:innenpult, erheitert –: Nein, mit Gott hat das gar nichts zu tun, Herr Kollege Novak!)