19.53

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, die gute Nachricht ist: Elementare Bildung wird endlich, nach vielen Jahrzehnten, breit diskutiert und zumindest in der Theorie auch breit anerkannt – leider erst in der Theorie.

Ich muss vielleicht am Beginn vorwegschicken: Ich bin wahrscheinlich öster­reichweit der allergrößte Fan von elementarer Bildung. Ich bin immer wieder in elementaren Bildungseinrichtungen, um zu schauen, wie die Situation vor Ort ist, und ich bin tatsächlich im Grunde meines Herzens davon überzeugt, dass dann, wenn wir diese Qualität, die diese Art der Einrichtung liefern könnte, auch in sie hineinstecken, das wahrscheinlich der allerbeste Ort ist, den man sich für Kinder wünschen kann, weil er viele Dinge abdecken kann.

Er kann eine anregende Umgebung für Kinder anbieten, wo sie nach ihren Interessen und Bedürfnissen mit Freude das lernen, was sie gerade in ihrer Entwicklungsphase lernen wollen und lernen können. Sie werden begleitet von Profis, die – wenn sie gute Rahmenbedingungen haben – mit ihrem ganzen Herzblut diese Kinder dabei begleiten und fördern können und ihnen das geben, was sie gerade brauchen. Noch ein wunderbarer Faktor ist: Sie kön­nen mit Gleichaltrigen gemeinsam Zeit verbringen. Wir wissen aus sämtlichen Studien: Das Lernen von Gleichaltrigen ist das beste und das einfachste und das lustvollste Lernen für Kinder.

All das kann diese Einrichtung bieten, ohne Leistungsstress, ohne Leistungs­druck, und trotzdem passiert dort Bildung. Es ist nicht nur Betreuung und Aufbewahrung, sondern es ist Bildung, ohne dass man es merkt. Wie großartig kann das sein?! Ich sage immer wieder – ich habe es, glaube ich, auch hier schon öfter gesagt –, die Schulbildung könnte sich, was die Qualität und das lustvolle Lernen betrifft, ganz viel von der elementaren Bildung ab­schauen. Davon bin ich überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was für mich unterstreicht, dass die elementare Bildung derzeit in aller Munde ist, ist beispielsweise der Gipfel, der vor Kurzem stattgefunden hat, der durch die Sozialpartner:innen organisiert wurde und den auch unser Bundespräsident unterstützt hat – Herr Minister, auch Sie und Ihre Kollegin Ministerin Raab haben Statements abgegeben –, und dabei wurde klar: Es gibt wohl ver­schiedene Zugänge zum Thema elementare Bildung, aber die Zielvorstel­lung ist sehr, sehr ähnlich.

Es gibt quasi den pädagogischen Zugang, den ich vorhin beschrieben habe, nämlich dass sich Kinder unter Gleichaltrigen, begleitet durch Profis, ideal entwickeln können, um gesunde, zufriedene Erwachsene werden zu können. Das wäre sozusagen die pädagogische Perspektive.

Die wirtschaftliche Perspektive beziehungsweise die des Arbeitsmarktes wäre es, die Kinder möglichst früh in ihren Potenzialen zu fördern, damit sie eine gute Berufslaufbahn einschlagen können, um gute Arbeitskräfte zu werden. Das wäre sozusagen der wirtschaftliche Zugang.

Der familienpolitische Zugang dazu ist: Kinder sollen eine gute Bildung – ganz­tags – bekommen, damit die Eltern sozusagen zeitgleich ihrer Berufstätig­keit nachgehen können. Da ist der Betreuungsfaktor natürlich stärker im Fokus.

Das sind also drei verschiedene Zugänge mit einer Schnittmenge, die wir herausarbeiten müssen, wobei ich dazusagen muss: Gerade unter diesem Aspekt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist es so klar – und das ist in der Debatte, die in den letzten Tagen stattfinden musste, leider deutlich geworden –: Dort, wo die Betreuungsangebote nicht vorhanden sind, werden Eltern und vor allem Frauen in die Teilzeit gezwungen. Das hat wenig mit Freiwilligkeit zu tun. Diesen Menschen dann auch noch anzudrohen, dass man ihnen bei den Sozialleistungen etwas kürzt, finde ich, geht sich nicht aus. Das geht gar nicht. Ich würde sagen, Hände weg von unserem solidarischen Sozialsystem und der Idee dahinter! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber egal, von welchen verschiedenen Seiten man das betrachtet, ich glaube, die gemeinsame Schnittmenge ist – so hätte ich auch einen Großteil unserer De­batte heute verstanden –: Qualitativ hochwertige Elementarbildungsange­bote mit entsprechenden Öffnungszeiten bringen allen etwas. Ich glaube, das war uns klar und darin sind wir uns im Wesentlichen einig. Ich sage: im Wesentlichen, denn bei dieser Debatte, die ich auch am Rande höre, nämlich zum Beispiel von Anhängern eines Berndorfer Modells oder wenn es im­mer um diese Wahlfreiheit geht, habe ich das Gefühl, dass noch nicht erkannt worden ist, was das Potenzial dieser Elementarbildung eigentlich bedeutet. (Bundesrätin Schartel: Das kann doch jede Mutter, jeder Vater entscheiden!) Es geht nämlich nicht nur um Betreuung, um irgendwo Kinder aufzubewahren, son­dern darum, dass man hier Kinder in ihrer Entwicklung fördert und ihnen Bildung angedeihen lässt. Ich habe für mich als Mutter nie in Anspruch genommen, dass ich alleine das ganze Universum für Kinder darstellen kann, son­dern ich weiß, dass eine gute Elementarbildungseinrichtung mich als Elternteil ideal ergänzen kann und ich das nicht alles alleine meinem Kind angedei­hen lassen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Ziel wäre es, dass man ein gutes Gefühl dabei hat, sein Kind in eine elementare Bildungseinrichtung zu bringen, weil man weiß, das ist das Beste, was man dem Kind tun kann. Das muss die Zielrichtung sein, und nicht die Zielrichtung, Kinder herauszunehmen und privat zu betreuen, denn kein Elternteil kann das liefern, was eine elementare Bildungseinrichtung liefern kann.

Bei all diesem Konsens wundere ich mich, wie wenig in diesem Bereich trotzdem weitergeht und dass wir es nicht schaffen, diese Bedingungen tatsächlich wahr werden zu lassen, um diese in der Realität zu verwirklichen.

Da wird die Verantwortung – das war auch heute wieder sehr klar – oft zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben. Vielen Bundesländern ist es mittlerweile einfach zu blöd geworden, darauf zu warten, dass sich ganz Ös­terreich in dieselbe Richtung bewegt, und sie haben versucht, eigene Lösungen zu finden. Es ist nicht sehr effizient, wenn wir versuchen, in diesem Bil­dungssegment mindestens neun verschiedene Lösungen zu finden und jeder sich den Kopf zerbricht. In Wien haben wir den Gratiskindergarten schon früh eingeführt, viele Länder sind jetzt mit Gesetzen nachgezogen, Kärnten hat ge­rade den wahrscheinlich progressivsten Vorschlag vorgelegt. Es wäre aber doch viel effizienter und schöner, wenn wir gemeinsame Lösungen für alle Kin­der in Österreich finden könnten und nicht neun verschiedene Gesetze ma­chen und neun verschiedene Energien dafür verwenden müssen.

Und weil es immer wieder heißt, dass die Träger das doch machen sollen: Die Träger sind auf die Mittel aus dem Land angewiesen, die Länder sind auf die Mittel aus dem Bund angewiesen. Es ist leicht, zu sagen: Macht doch! – Alle Studien sagen: Wir brauchen in Österreich, wenn wir dieselbe Qualität wie Skandinavien liefern wollen, 1 Prozent vom BIP pro Jahr für diese elemen­tare Bildung, das ist ungefähr 1 Milliarde Euro, und darum fordern wir das. Und wenn der Bund dann sagt: Wir geben 1 Milliarde Euro für drei Jahre, dann geht sich das nicht aus, dann kann man das am Schluss nicht so verteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wenn die Länder jetzt aber vorpreschen und sagen, sie führen diese hohen Qualitätsstandards selber ein, wie es Kärnten gerade macht, dann bleibt am Schluss trotzdem übrig, dass sie auf den Bund angewiesen sind, und zwar nicht nur hinsichtlich der Mittel, sondern weil auch die Personalfrage im Bund angesiedelt ist.

Uns fehlt jetzt schon das Fachpersonal, und wenn wir die Qualität erweitern wollen, die Gruppengrößen reduzieren wollen, dann wird uns das Personal noch stärker fehlen. Das heißt, die Ausbauoffensive in der Ausbildung der Päda­gog:innen, auch auf verschiedenen Niveaus – es müssen nicht alle tertiär ausge­bildet werden, sondern man soll in verschiedenen Konstellationen zusam­menarbeiten können – ist jetzt das Gebot der Stunde.

Herr Minister, ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie sagen, Sie wissen nicht, wie viel Personal fehlt. Aus dem Elementarbildungsbeirat – ich bin dort Stellvertreterin für die Träger – weiß ich, dass jedes Mal Daten und Fakten erhoben werden. Es geht dort hauptsächlich darum, Daten und Fakten zu erheben, und man weiß mittlerweile, wo die Bedarfe liegen. Man hätte diese Zahlen längst abrufen können, um zumindest zu wissen, wie groß der Bedarf ist und in welchem Ausmaß wir ausbilden müssen.

Das ist es, was vor allem dort passiert, aber offensichtlich auch nicht gut. Was, wie ich glaube, im Elementarbildungsbeirat aber passieren sollte, ist ein Schulterschluss: miteinander zu schauen, welche Ziele wir in welchem Stufen­plan miteinander erreichen wollen, und sich darauf zu verständigen, um herauszufinden, wo der Konsens ist, wohin man sich miteinander bewegt. So hat Kärnten es mit all den dortigen Stakeholdern gemacht. Man hat alle an einen Tisch gesetzt – Tabula rasa –, um zu sagen: Wie ist unser Stufenplan, wie soll in den nächsten fünf Jahren gemeinsam vorangegangen werden? Klar, jedes Bundesland startet von einem anderen Level, jedes Bundesland hat gute Teile und auch Dinge, wo es hintenansteht, aber miteinander das Ziel zu definie­ren und sich gemeinsam auf den Weg zu machen, das wäre aus meiner Sicht das Ziel für den Elementarbildungsbeirat.

Große Hoffnung wird zurzeit in das TSI-Projekt gesetzt, wo noch einmal auf anderer Ebene ausgelotet wird, welche Rahmenbedingungen es in die­sem Bereich braucht. Jede Initiative ist gut und richtig. Die Erwartungen sind hoch, aber auch die Ungeduld wächst, denn wir wissen mittlerweile, glau­be ich, gut genug, was es bräuchte. Wir sollten jetzt zu dem Punkt kommen, das auch zu tun und die Reformen tatsächlich umzusetzen.

Zum Abschluss muss ich sagen, dass das, was das Land Kärnten aktuell vorgelegt hat, meine größte Bewunderung hat, weil es zeigt, dass mit Mut und Konse­quenz etwas gemacht wird, von dem man weiß, dass es gebraucht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz ehrlich gesagt: Ich glaube, dass das auch eine Grundlage sein könnte, um mit den Ländern noch einmal neu darüber nachzudenken, ob das nicht die gemeinsame Zielrichtung sein könnte. Es wäre es wert, sich das wirklich genau anzuschauen.

Herr Minister, Sie und Ihre Ministerkollegin Raab könnten diejenigen sein, die die Bundesländer an einen Tisch bringen, um noch einmal zu schauen: Was sind die Ziele, wo geht die Reise gemeinsam hin? Bitte nutzen Sie diese Möglichkeit! Nutzen Sie das ganze Potenzial der elementaren Bildung und damit auch das unserer Kinder selber! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

20.05

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.