18.43

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden diesen Bericht, wie das so schön heißt, nicht zur Kenntnis nehmen, weil wir aufgrund der Geschäftsordnung eine andere Möglichkeit der Willensäußerung nicht haben. Natürlich nehmen wir ihn zur Kenntnis, wir haben ihn auch gelesen, wir sind aber nicht der Ansicht, dass dieser Inhalt akzeptabel ist. Der vorliegende Vorhabensbericht sollte doch andere Worte seitens einer österreichischen Bundesregierung finden.

Ich fange einmal mit der Ukraine an, das ist ja in diesem Bericht etwas ganz Zentrales. (Bundesrat Schreuder: Das ist überraschend! Da hätten wir nicht damit gerechnet!) – Na, wer den Bericht gelesen hat, der muss damit rechnen – wer ihn nicht gelesen hat, nicht –, weil die Ukraine direkt oder indirekt 40 Prozent des Berichts des Ministeriums einnimmt.

Was ist bis jetzt passiert? – Die EU hat 19,7 Milliarden Euro – unter Anführungszeichen – „Hilfe“ an die Ukraine geleistet, zusätzlich noch – und das ist mein erster Ansatzpunkt – 3,1 Milliarden Euro reine Militärhilfe aus der sogenannten Friedensfazilität. Vor Kurzem, vor zwei Wochen, ist noch einmal 1 Milliarde Euro für Munitionskäufe aus der Friedensfazilität dazugekommen.

Die Friedensfazilität – nur zur Erinnerung! – heißt nicht nur Friedensfazilität; sie wurde vor zweieinhalb Jahren, im Jahr 2021, mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro eingerichtet und hat folgende Widmung: Sie dient zur Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung. – Wenn aus einer solchen Fazilität, die von der Union zur Konfliktverhütung und Friedenskonsolidierung eingerichtet wurde, reine Militärhilfen in einem Ausmaß geleistet werden, das fast die Hälfte der gesamten Fazilität umfasst, erwarte ich mir doch irgendeine Bemerkung des Außenministeriums dazu.

Weiters erwarte ich mir eine Bemerkung, wenn ein Konflikt 14 Monate lang in einer derartigen Härte geführt wird, wenn es Hunderttausende Tote gibt. Wir wissen nicht, wie viele Tote es gibt, weil keine Seite reelle Zahlen veröffentlicht und unabhängige Schätzungen fehlen. 200 000 dürften es sein, das räumt selbst die Ukraine ein. Vielleicht sind es sogar noch mehr, es gibt Schätzungen, die bereits bis zu 250 000, 280 000 gehen. Es ist jedenfalls entsetzlich. Täglich erfahren wir von 200, 300, 400 Toten, je nachdem, welchen Quellen wir glauben.

Man sollte davon ausgehen, dass ein neutrales Land wie Österreich, eine Gesellschaft, die vom Frieden nach den Lehren der beiden Weltkriege geprägt ist, irgendwann, zumindest nach 14 Monaten, die Idee hat: Wir werden jetzt eine Initiative setzen, um zumindest einen Waffenstillstand auszulösen! – Nein. Die Leute, die mit uns im Außenpolitischen Ausschuss waren - - (Bundesrat Schreuder: Das geht! Wenn Putin sich hinter die Grenzen zurückzieht, dann gibt es einen Waffenstillstand!) Bitte? Ja, jetzt hör zu! Wir waren ja gemeinsam im Europaausschuss, glaube ich, und haben dort auch die Vertreterin der schwedischen Ratspräsidentschaft getroffen und zur Sache befragt: Wie wäre es eigentlich mit einem Waffenstillstand und Frieden? Das ist eigentlich ein Konzept der EU: ein großes Friedensprojekt. – Geheißen hat es: Ja, wir sind natürlich für einen Frieden und für eine einvernehmliche Lösung (Bundesrat Schennach: Aber?), aber nur zu den Bedingungen der Ukraine.

Wo sind wir hingekommen? Das heißt, die Europäische Union vertritt den Standpunkt, es darf keinen - - (Bundesrat Schreuder: Ja, es ist nicht Russland überfallen worden!) – Es geht ja nicht darum, wer überfallen worden ist. (Bundesrat Schreuder: Na, sicher!) – Wie ist denn der Erste Weltkrieg ausgelöst worden? Da haben auch wir Serbien angegriffen. War es eine Rechtfertigung, zu sagen, Österreich hat Serbien - - (Bundesrat Schennach: ... Österreich hat Serbien ...!) – Polen hat im Ersten Weltkrieg ja gar nicht existiert, Blödsinn! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bundesrates Kornhäusl.) Polen ist überhaupt erst 1918 wieder zur Existenz gekommen.

Da haben aber wir – unter Anführungszeichen – Serbien angegriffen, und das wäre die Rechtfertigung dafür gewesen, dass der Erste Weltkrieg vier Jahre lang fortgesetzt werden muss, mit neun, zehn Millionen Toten, nur weil Serbien zum Beispiel das Recht haben soll, zu entscheiden, wann der Krieg aus ist? Irre! Niemand hätte solche Ideen gehabt. Niemand, der in einem Krieg vermittelt hat, niemand, der eine Friedensordnung wiederhergestellt hat, wäre auf die Idee gekommen, zu sagen: So, ein Frieden bedeutet, dass eine Seite, weil sie vielleicht angegriffen worden ist, entscheidet, wann es einen Frieden gibt, und bis dahin reden wir gar nichts! Bis dahin bringt euch um! Wir geben euch das Geld, wir geben euch die Waffen, wir geben euch die Munition, um euch die Schädel einzuschlagen!

Ist das ist österreichische Linie? Wenn es schon die europäische Linie zu sein scheint – und das hat gestern im Ausschuss die Aussage der schwedischen Vertreterin bestätigt –, dann ist es tragisch genug. Dass Österreich sich dieser Linie anschließt und kein Wort der Kritik, kein Wort einer Ermahnung, vielleicht zu einem Waffenstillstand zu kommen, in den Bericht einfließen lässt, ist doch erstaunlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein anderes Thema, das im Bericht auch vorkommt, sind ja die Rücknahmeabkommen. Da habe ich mir einen Satz des Ministeriums herausgeschrieben: dass die Bundesregierung mit Hochdruck daran arbeitet, Rücknahmeabkommen mit den betroffenen Staaten abzuschließen, und fordert, dass neue EU-Abkommen abgeschlossen werden.

Wir haben auch das im Ausschuss schon kurz besprochen, nämlich wie dieser Hochdruck aussieht. Noch einmal zur Erinnerung: Es gibt sogenannte Mandate der Mitgliedsländer an die Europäische Union, Rücknahmeabkommen abzuschließen. Diese Mandate reichen teilweise bis ins Jahr 2000 zurück, etwa im Fall Marokkos, ins Jahr 2002 im Fall Algeriens, und das sind wirklich Herkunftsländer von Asylbewerbern, abgewiesenen Asylbewerbern, illegal in der Europäischen Union aufhältigen Personen.

Wenn die Europäische Union in 22 Jahren nicht in der Lage ist, ein Abkommen mit einem Land abzuschließen, das zwei Drittel seines Außenhandelsumsatzes mit der Europäischen Union beziehungsweise ihren Mitgliedern macht, dann ist doch etwas faul im Staate Brüssel, Herr Minister.

Dann kann man entweder davon ausgehen, Sie wollen es nicht oder Sie wollen es und werden intern sabotiert. Ich traue mich, mit Ihnen zu wetten: Wenn die EU ernstlich will, dann dauert es keine 48 Stunden, um alle Zustimmungserklärungen der marokkanischen Regierung zu einem Rücknahmeabkommen zu bekommen. Ich glaube, alleine ein Wink mit der Möglichkeit der Aufkündigung bestehender Handelsabkommen, Zollpräferenzen, Marktzugängen und so weiter würde genügen, um ein solches Abkommen in Windeseile unterschriftsreif auszuarbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo findet sich das in Ihrem Bericht? Wo findet sich das? Sie fordern, dass neue EU-Abkommen abgeschlossen werden. Ist das nicht ein bisschen wenig? Nur zur Illustration: Wir haben aufgrund Ihrer Forderung in diesem Bericht dann auch einen Antrag im Ausschuss gestellt, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, der EU für den Abschluss dieser Abkommen, zu denen sie ein Mandat hat, eine Frist bis Jahresende zu setzen, und wenn die nicht gewahrt wird, im Fall Österreichs die Ermächtigung zurückzuziehen und selbst diese Abkommen zu schließen.

Wenn Sie wirklich energisch an diesen Rücknahmeabkommen arbeiten würden, dann hätten Sie dafür gesorgt, dass Ihre Bundesratsmitglieder dem Antrag zustimmen. Das haben Sie aber nicht, Sie haben genauso wie die Grünen und die Sozialdemokraten dagegengestimmt, weil es offenbar vom Ministerium nicht gewünscht wird. Vom Ministerium wird nur gewünscht, von ernsthaften Abkommen und Arbeit mit Hochdruck zu reden, aber sobald es darum geht, Hochdruck auch nur in Ansätzen anzuwenden, wird auf das Tröpferlsystem zurückgegangen, und Tröpferlsystem heißt, es geschieht nichts, außer zu sagen, wir arbeiten.

Eine andere Sache ist die mit dem Coronaimpfstoff. Da hätte ich mir doch etwas erwartet. Es ist ja einer der größten Skandale und einer der sehr, sehr teuren Skandale in der Europäischen Union, dass ohne jede Transparenz, ohne ein Offenlegen der Verträge um Milliarden und Milliarden mit Pharmakonzernen Verträge geschlossen wurden, dass Österreich jetzt auf Mengen von Impfstoff sitzt, in etwa 40, 50 Millionen Stück, die man entweder bereits abnehmen musste und gelagert hat oder noch abnehmen und zahlen muss, und nicht weiß, was damit geschehen soll.

Was ist der Vorhabensbericht der EU und was ist der Vorschlag des Ministeriums? (Bundesrat Spanring: Weitere kaufen!) – Na ja, das wäre ja noch besser! So weit geht es nicht, dass man sagt, wir haben nur 40 Millionen, kaufen wir noch 30 dazu, aber diese Impfstoffe werden jetzt als Hilfsmaßnahme an Drittstaaten weitergegeben. Österreich wird sich vor allem für die Hilfe an die Staaten des Westbalkans einsetzen, damit man dort diese bei uns lagernden – im Übrigen schon abgelaufenen und praktisch nicht mehr verwendbaren – Impfstoffe bekommt. Generell will man aber auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um die Weitergabe dieser Impfmengen auf europäischer Ebene an Drittstaaten zu erreichen.

Herr Minister, das ist doch kein Bericht! Da muss ein Minister zumindest einmal sagen: Wo sind die Verträge, wo sind die geschwärzten Teile? Warum wurde so viel bestellt, warum hat es keine Rücknahmemöglichkeit gegeben? (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wer ist auf österreichischer Seite dafür verantwortlich? Zumindest muss drinnen stehen, da haben wir einen Fehler gemacht, da haben wir uns von der Europäische Kommission und unseren eigenen Experten an der Nase herumführen lassen und haben ohne Absicherung, ohne entsprechende Erprobung und ohne Ausstiegsklauseln in irrer Weise Impfstoffe gekauft. Nichts davon ist da enthalten!

Ein Letztes vielleicht noch, weil die Zeit fortgeschritten ist: Das ist natürlich die Vertiefung der europäischen Partnerschaft mit den USA. Herr Minister, was ist das bitte für eine Partnerschaft mit den USA, oder – wenn Sie wollen – die europäische Unterordnung unter die Wünsche, Ziele und Interessen der USA? Wenn Sie das so ausdrücken, dann würde ich Ihnen zustimmen. Wir arbeiten an einer Vertiefung und weiteren Unterordnung europäischer Interessen unter die USA. Das wäre eine korrekte Wiedergabe des Vorhabensberichts der EU in Ihrem Bericht. Auch das vermisse ich aber.

Ich vermisse es genauso wie eine Auseinandersetzung mit der Sanktionspolitik. Da rede ich jetzt gar nicht von Russland. Nehmen Sie den Iran: Österreich war ja Gastland des Iranabkommens, des Fünf-plus-eins-Abkommens. Wichtige europäische Staaten wie Frankreich, England, Deutschland haben dieses in Österreich, sozusagen unter österreichischem Ehrenschutz, mit dem Iran abgeschlossen. Die USA haben es einfach zurückgenommen, haben gesagt, wir fühlen uns nicht mehr gebunden, wir haben neue Sanktionen verhängt.

Die Europäische Union war nicht in der Lage, die eigenen Unternehmen davor zu schützen, unter amerikanische Sanktionen zu kommen, wenn sie der europäischen Rechtsordnung entsprechend wieder Handelskontakte mit dem Iran aufnehmen.

Nicht eine einzige europäische Bank hat es bis heute gewagt, Geschäfte mit dem Iran abzuwickeln. Sogar die englische Botschaft – das haben Sie vielleicht gelesen, es war ein Kuriosum – musste eingestehen, dass sie ihre eigenen Mitarbeiter nur mehr bar bezahlen kann, indem sie im Diplomatengepäck Geldscheine mitnimmt. (Bundesrat Schreuder: Ich hab gar nicht gewusst, dass ihr ... seid!)

Das sind Dinge, die man von einem Partner nicht erwartet. Ich erwarte auch bei der Vertiefung der Partnerschaft, dass das Außenministerium dazu Stellung nimmt, wenn der angebliche Partner nicht nur verdächtig, sondern – wie man aus den letzten Enthüllungen weiß – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür verantwortlich ist, dass etwa eine Gaspipeline, die unter anderem mit österreichischem Geld von österreichischen Investoren errichtet wurde, wie Nord Stream 2 gesprengt wird. Ist das ein normaler Umgang zwischen Partnern, dass man ihnen eine Pipeline wegsprengt, um zu verhindern, dass dieser Geschäfte macht?

Noch dazu dient diese Partnerschaft ja vor allem der Sicherung der europäischen Energieversorgung dadurch, dass wir auf den Import von amerikanischem Schiefergas in einem höheren Ausmaß abhängig sind, als wir es bisher waren, und dass mögliche Alternativrouten durch die Zerstörung von Gaspipelines verhindert werden.

Ich sehe das nicht als eine Partnerschaft an, sondern als das, als das ich es vorher schon bezeichnet habe, und ich hätte mir erwartet, dass auch das Ministerium ein paar eigene Worte dazu findet und nicht EU-Sprech – ich sage nicht das Wort plappert – nachspricht.

Damit, glaube ich, habe ich unsere Ablehnung dieses Berichts ausreichend begründet und wünsche allen, auch dem Minister, einen schönen Abend. (Beifall bei der FPÖ.)

18.57

Präsident Günter Kovacs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat.