11.45
Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Wien, 9.5.1873. „Börsebericht. [...] Die erschreckenden Dimensionen, welche die Börsekrisis erreicht, und die Furcht, daß daraus eine allgemeine Calamität entstehen könne, waren Ursache turbulenter Scenen. Die bestehende Ordnung war gestört und durch die Bildung von Gruppen, welche mit Leidenschaft die Fragen discutirten, wurde die Abhaltung eines regelmäßigen Geschäftes unmöglich gemacht. Im Verkehr von Banken und Bankhäusern unter einander fanden gleichwohl einige Schlüsse Vollzug. So wurden Rente zu 69.50, Francobank zu 114, Creditactien zu 314 begehrt. Auch in Devisen kamen Schlüsse vor [...]. Die Börsekammer beschloß, für heute Abends eine Sitzung unter Zuziehung von Banken und Bankhäusern zu halten, um die zu ergreifenden Maßregeln zu berathen.“ – So weit der Bericht der „Wiener Zeitung“ am 9.5.1873.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Am 9.5.1873 war ein schwarzer Tag. Mehr als 150 Jahre später, fast auf den Tag genau, ist wieder ein schwarzer Tag. Kollegin Korinna Schumacher hat es heute schon ausgeführt. (Bundesrätin Schumann: Schumann!) – Schumann, entschuldigen Sie bitte! – Diese Regierung vernichtet vorsätzlich eine Qualitätszeitung. (Bundesrat Kornhäusl: Das Bundesland spaltet sich ab!) – Das Burgenland spaltet sich absolut nicht ab – aber gehen wir weiter!
Unseren breiten und massiven Protest nehmen Sie nicht zur Kenntnis, Sie ignorieren ihn einfach. Sie verweigern konsequent sämtliche Gespräche mit den Betroffenen. Sie haben die Zeitung öffentlich als hoffnungslosen Fall hingestellt. Sie haben sie schlechtgeredet, statt ihre Zukunft zu sichern. Erst gestern erreichte uns ein Mail mit diesem Inhalt, und dem stimmen wir zu. Das Mail ist ein Appell österreichischer Schriftsteller:innenverbände zu diesem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich hoffe, dass auch Sie alle dieses Mail gelesen haben und darüber nachdenken. Aber so, wie Sie sind, emotionslos und kalt (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Hallo! – Bundesrätin Zeidler-Beck: Das stimmt ja nicht!), stimmen Sie zu, die „Wiener Zeitung“ in ihrer bisher gedruckten Form einzustellen. Kalt blieb man aber auch im Jahre 1873 nicht, als es an der Wiener Börse krachte und die „Wiener Zeitung“ über diesen fulminanten Finanzcrash am österreichischen Aktienmarkt, der das Ende einer globalen Hochkonjunktur einläutete, berichtete. Am berüchtigten Schwarzen Freitag, am 9. Mai, platzte eine Immobilienblase. Wir hoffen, dass auch diese Regierungsblase bald platzt. (Beifall bei der SPÖ.)
Kurse brachen um bis zu 90 Prozent ein. Noch am selben Tag gingen 120 Unternehmen pleite. Viele persönliche Schicksale waren eng damit verbunden, so wie auch heute bei der „Wiener Zeitung“. Überlegen Sie bitte einmal! Das Einstellen der „Wiener Zeitung“ ist für uns gleichbedeutend mit einer Bankrotterklärung der sogenannten Kulturnation Österreich, etwas, was sich gerade die ÖVP ja immer auf die Fahnen heftet. (Beifall bei der SPÖ.)
320 Jahre österreichischer Zeitgeschichte gehen unwiederbringlich verloren. Ist das nicht beschämend für diese sogenannte Kulturnation?
Die „Wiener Zeitung“ – wir haben es gehört – erschien erstmals 1703. Haben Sie sich diese Zeitspanne schon einmal vorgestellt? 320 Jahre ist nicht nichts. Sie hat Kriege, Krisen und andere Kalamitäten überlebt, und jetzt kommt diese Bundesregierung. Immer wieder hat die „Wiener Zeitung“ die Menschen in Österreich sachlich und korrekt informiert und wird von dieser – Sie verzeihen mir – untauglichen schwarzen, türkisen Regierung quasi eingestampft. Das hat sich dieses Qualitätsmedium nicht verdient.
Unkluge und hemmungslose Spekulationen lösten 1873 den von mir angesprochenen Börsencrash aus, eine unkluge und hemmungslose Regierung löst in diesem Land die Einstellung der ältesten Tageszeitung der Welt aus. Als bei der Finanzkrise 1873 die Gründer und Gründerinnen krachen gingen, berichtete die „Wiener Zeitung“. Und seien Sie unbesorgt: Wir von der SPÖ berichteten und werden weiter berichten, immer wieder, dass diese Regierung mit ihren Aktionen krachen geht und am Ende ist. Gehen Sie zurück an den Start, gehen Sie in sich und überlegen Sie noch einmal, wie Sie mit der „Wiener Zeitung“ wirklich umgehen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
11.50
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Präsident Günter Kovacs. – Bitte, Herr Kollege.