11.50
Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein sehr trauriger Tag, das muss man wirklich ganz offen sagen. Wir sehen auch heute wieder einen Punkt des Totalversagens der Regierung wie in den letzten Monaten und Jahren. Heute: die „Wiener Zeitung“.
Wir sind europaweit in die höchste Inflation – es wurde vorab schon ein paar Mal erwähnt –hineingeschlittert, 1,3 Millionen Menschen in Österreich sind armutsgefährdet – 1,3 Millionen Menschen! Das ist das Ergebnis von Schwarz-Grün in den letzten Jahren. Dazu kann man schon sagen: sehr, sehr spannend. Und heute wird als Höhepunkt des Tages die „Wiener Zeitung“ abgeschafft und die „Wiener Zeitung“ praktisch dem Erdboden gleichgemacht. Und beim Beschluss des Endes der „Wiener Zeitung“ im Nationalrat ist – das muss man dazusagen – von einem Neuanfang, von einem Weg in die Zukunft gesprochen worden, vonseiten von Vertretern der Bundesregierung war sogar von einem Überlebensakt die Rede. Es wurde und wird alles versucht, da etwas schönzureden, was nicht schönzureden ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Man muss es jetzt auch so deutlich sagen: Die älteste Tageszeitung der Welt einzustellen ist eine medien- und eine kulturpolitische Schande, Marco Schreuder. Es ist in keinster Weise nachvollziehbar, warum dieser Schritt in dieser Form gesetzt werden musste. Hätte man gewollt, so hätte man die „Wiener Zeitung“ durchaus retten können, aber anscheinend wollte man das nicht. Anscheinend ist es der Bundesregierung nicht wichtig genug, dass diese Institution in der Presselandschaft weiter bestehen kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Gerade in diesen Zeiten von Fakenews, wie sie über Social Media immer verbreitet werden, wäre es ein Gebot der Stunde, seriösen Journalismus nicht zu schwächen, sondern ihn ganz im Gegenteil zu stärken, so gut es nur geht. Gerade jetzt benötigen wir unabhängigen Journalismus und eine möglichst große Medienvielfalt. Es gibt bei der „Wiener Zeitung“ wie auch in anderen Medien Journalistinnen und Journalisten, die ausgezeichnete und seriöse Arbeit leisten, die durch ihre Recherche, ihre Kritik einen Grundpfeiler einer liberalen Demokratie bilden und die Pressefreiheit mit Leben erfüllen. Wer das Ende der ältesten Tageszeitung der Welt herbeiführt, der zeigt leider, dass er für diese wichtige Funktion von seriösem Journalismus sehr wenig oder sogar kein Verständnis hat.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es, das gilt auch für die „Wiener Zeitung“. Da es diesen Willen anscheinend nicht gibt, wurde der Weg auch nicht gesucht. Das neue Geschäftsmodell, das hier entwickelt wurde, kann kein Ersatz sein, es zeugt nur davon, dass der historische und kulturelle Wert dieser Zeitung nicht erkannt wird. Das Ende der „Wiener Zeitung“ zeugt von einer verfehlten Medienpolitik. Daher hat sich meine Fraktion natürlich stets klar für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ ausgesprochen und das möchte ich hier im Bundesrat auch noch einmal erwähnen.
Ich möchte Ihnen aber heute ein Zitat vorlesen, die Geburtstagswünsche einer ganz prominenten Person, die damals der „Wiener Zeitung“ alles Gute gewünscht hat, und zwar von Dr. Andreas Khol. (Bundesrätin Gerdenitsch: Ist das ein Schwarzer?!) Was hat Dr. Andreas Khol vor einigen Jahren gesagt?
„Versucht man, die 300 Jahre umfassend in den Blick zu nehmen, sticht ein direkter Zusammenhang ins Auge, der nach den Erfahrungen so langer Zeit als Gesetz gelten kann: Zeiten, in denen der Geist der Freiheit weht, sind gut für die Zeitungen und haben gute Zeitungen; Zeiten der Enge und der Illiberalität sind schlecht für Zeitungen und haben schlechte – sagen wir’s ganz allgemein: Medien. Von diesem Gesetz mag’s Ausnahmen geben, die die Regel bestätigen. So war es der ‚Wiener Zeitung‘ nicht gegönnt, von den Freiheiten unter dem aufgeklärten Joseph II. zu profitieren – der Herrscher machte sie zum Amtsblatt und verdonnerte sie zur Hofberichterstattung.
Unter Metternich ging’s Redakteuren und Zeitung schlecht, es brauchte Ausdauer, Mut und Einfallsreichtum, um das Überleben zu schaffen – bis ins Sturmjahr 1848, als das Blatt an vorderster Front für die Rechte des Volkes und für die Freiheit der Presse kämpfte. Die Reaktion rächte sich, die Restauration brachte die Zeitung an den Rand ihrer Existenz. Bessere Zeiten kamen wieder mit den Anfängen des Verfassungsstaates. Das Engagement der Redaktion ist nicht zuletzt an den ausführlichen Berichten aus dem Reichsrat abzulesen.“
Und jetzt bitte aufgepasst, was er noch sagt: „In den finsteren Jahren der Naziherrschaft gab es weder Freiheit noch die ‚Wiener Zeitung‘.“
Mit diesen Aussagen von Dr. Andreas Khol möchte ich heute schließen, und ich möchte die Grünen noch ersuchen – Claudia, Adi, Marco –, vielleicht nehmt ihr euch heute noch ein Herz, ihr könnt es noch beeinflussen, die „Wiener Zeitung“ zu erhalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
11.55
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Claudia Arpe zu Wort gemeldet. (Rufe bei der SPÖ: Arpa!) – Entschuldigung, Arpa. – Bitte, Frau Kollegin.