10.42

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Gäste hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, lieber Günter, ich muss sagen, ich kann die Gedanken, die ich mir gemacht habe, eigentlich wegwerfen, weil ich jetzt auf jeden einzelnen deiner Punkte eingehen kann und werde. Bei allem Verständnis, dass die letzten Stunden und Tage speziell für dich und die burgenländische Sozialdemokratie und große Teile der Sozialdemokratie verstörend, paralysierend waren (Bundesrätin Hahn: 37 Sekunden hast du gebraucht!), aber hier so eine Rede abzuliefern, Günter, in der alles kurz und klein gehämmert wird und alles schlechtgeredet wird, das verstehe ich wirklich nicht (Bundesrätin Schumann: Wir sind halt nicht für die Pflegelehre! Das ist halt so!) – bei allem Verständnis für eure Ausnahmesituation. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Babler ist jetzt nicht hier – dafür habe ich irgendwo auch Verständnis, der hat jetzt andere Aufgaben. Ich kann nur hoffen, dass es in eurer Partei endlich wieder zur Ruhe kommt (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), denn ich muss ganz ehrlich sagen: Das, was da jetzt präsentiert worden ist, kann man so nicht stehen lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Arbeitet selber in einem Spital! Fragt einmal die Pflegekräfte, was sie zur Lehre sagen!)

Das kann man vor allem so nicht stehen lassen, denn, liebe SPÖ, über zehn Jahre, von 2007 bis 2017, habt ihr den Gesundheitsminister gestellt, habt ihr den Sozialminister gestellt. Und ja, da haben wir auch gute Sachen zustande gebracht – ich denke da an den Pflegefonds –, aber sich heute hierherzustellen und zu sagen: Das ist schlecht, das ist schlecht, das ist schlecht!, obwohl man über zehn Jahre – und insgesamt waren es noch viel mehr – in dieser Position Verantwortung getragen hat (Bundesrätin Hahn: Auf die Patientenmilliarde warten wir heute noch!), das ist ein bisschen wenig, liebe SPÖ. Das ist ein bisschen wenig! (Beifall bei der ÖVP. –Bundesrätin Hahn: Wo ist denn die Patientenmilliarde, die ihr uns versprochen habt?)

Da fällt mir auch spontan der von mir wirklich hoch geschätzte ehemalige Bundesminister – Gott hab ihn selig! – Rudolf Hundstorfer ein, den ich in der Zusammenarbeit wirklich geschätzt habe – damals noch in der Ärztekammer und er als Sozialminister (Bundesrätin Grimling: Nein, nein, nicht ... Hundstorfer reden!) –, der damals schon die Pflegeberufe auf die Mangelliste hat setzen lassen. Damals war das schon bekannt! Heute so zu tun, als hättet ihr das nicht gewusst – da, das muss ich ganz ehrlich sagen, würde ich mich schämen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Grimling.)

Gehen wir die einzelnen Punkte aber durch, denn es ist mir schon wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen, dass auch unsere Gäste hier und die Menschen vor dem Livestream die Wahrheit erfahren: Du hast von der Durchlässigkeit gesprochen, lieber Günter. Es mag sein, dass es für dich im Gesetzestext zu wenig herauskommt, aber bitte wir schreiben gerade an der Ausbildungsordnung, und darin wird ganz klar festgelegt – und ich darf jetzt unseren Bundesminister anschauen, der das dann nämlich auch noch bestätigen wird (Bundesminister Kocher nickt zustimmend) –, dass es natürlich eine Durchlässigkeit nach oben und nach unten gibt, wenn ich draufkomme, die vierjährige Ausbildung ist nichts für mich, ich würde lieber die dreijährige machen. Es stimmt einfach nicht, dass die Durchlässigkeit nicht gegeben ist! Das ist ein Schnellschuss, einmal so hinausgeblasen, ohne dass ihr überhaupt die Ausbildungsordnung kennt. – Punkt eins. (Beifall bei der ÖVP.)

Punkt zwei, weil die hohe Drop-out-Rate in der Schweiz angesprochen wurde: Liebe Freunde von der SPÖ, ihr müsst die Dinge zu Ende lesen. So, wie ihr zu Ende rechnen solltet (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP – Ah-Rufe bei der SPÖ), müsst ihr auch zu Ende lesen. Warum? – 4 500 Lehrlinge im Jahr schließen in der Schweiz die Pflegelehre ab. 80 Prozent bleiben im Beruf. Und was hat es mit dieser Drop-out-Rate auf sich? – Die kommt dadurch zustande, dass sich junge Menschen aufschulen lassen; insgesamt bleiben aber 80 Prozent im Beruf! Da also von einer hohen Drop-out-Rate zu reden ist einfach ein Zeichen eines mangelnden Zahlenverständnisses. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Oh Gott! – Bundesrätin Schumann: Noch einmal, ...!)

Quod erat demonstrandum!, muss ich in diesem Zusammenhang sagen. (Bundesrätin Schumann: Ja, quod erat – jetzt sind wir Lateiner geworden! – Ruf bei der SPÖ: Jetzt muss er das große ... raushängen! Quod licet Iovi, non licet bovi!)

Seit 2006 gibt es in der Schweiz diesen Beruf, und er ist mittlerweile der drittbeliebteste Lehrberuf in der Schweiz – was mich zum Thema Lehrberufe führt.

Weil der Kritikpunkt, fast schon die Anschuldigung kam, da gehe es um billige Arbeitskräfte: Liebe Sozialdemokratie, glaubt ihr und vertraut ihr nicht mehr der Sozialpartnerschaft? (Bundesrätin Schumann: Was?! – ..., das ist zu viel!) Sich als SPÖ hierherzustellen und zu sagen, dass ein Lehrling eine billige Arbeitskraft ist (Bundesrätin Schumann: Schauen wir einmal in die Gastronomie!) und sonst gar nichts – da muss ich sagen, das ist enttäuschend. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Schauen wir einmal in die Gastronomie!)

Fast noch trauriger finde ich es, muss ich ganz ehrlich sagen, lieber Herr Präsident, Günter, dass du da gleich auflistest, warum diese Ausbildung so schlecht ist, bevor es noch die Ausbildungsordnung gibt, bevor sie überhaupt noch in den Pilotregionen gestartet ist und bevor, und das ist ein wesentlicher Punkt, es überhaupt eine wissenschaftliche Evaluierung gibt – denn es wird eine wissenschaftliche Evaluierung geben, und dann wird man sehen, wo man nachschärfen kann und wo die Dinge gut laufen.

So viel jetzt zum Thema. Ich habe ja mit dem Sezieren der Ausführungen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP) des Herrn Kovacs meine Redezeit fast verbraucht. (Bundesrätin Schumann: Dann hättest es lassen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben natürlich große Herausforderungen in der Pflege, und ja, wir haben große Personalengpässe in vielen Bereichen der Pflege. Die Gesundheit Österreich GmbH hat das in der Pflegepersonalbedarfsprognose auch beziffert: Bis 2030 fehlen uns über 75 000 Pflegekräfte. Eines möchte ich in dem Zusammenhang schon auch sagen: Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass das aller Weisheit letzter Schluss ist (Bundesrätin Schumann: Na endlich!), natürlich ist das nicht alles, was wir brauchen, aber es ist ein wesentlicher Bestandteil, es ist ein Mosaikstein zu den vielen Maßnahmen, die schon gesetzt worden sind, und wir werden heute noch weitere Teile eines Pflegepakets verabschieden.

Wir haben auch in der Vergangenheit Pflegepakete verabschiedet. 570 Millionen Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen, fließen allein in die Grundgehälter! Ich habe nie verstanden, warum unsere Gewerkschaft und eure Gewerkschaft – ich bin selbst Gewerkschaftsmitglied – das so zerrissen haben. (Bundesrätin Schumann: Weil ihr nicht alle Gruppen hineingenommen habt! – Bundesrätin Grimling: Herr Doktor, wo arbeiten Sie?) 570 Millionen Euro, das sind 285 Millionen Euro pro Jahr, sind 175 Euro pro Monat. Das ist eine Vorrückungsstufe. (Bundesrätin Grimling: Aber nicht für die Leute in der Küche!) Jetzt warten wir einmal den Finanzausgleich ab, da wird man natürlich schauen, dass man das in die Regelfinanzierung überführt. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.)

Horst Schachner, jetzt schaue ich bei aller Wertschätzung auch bewusst dich an: Wir – und in der Steiermark gibt es eine äußerst gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und der Sozialdemokratie – verhandeln gerade das S-II-Schema in der Pflege. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass es uns in der Steiermark gelingen wird (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), ein modernes, schlagkräftiges und am Ende des Tages gut dotiertes Dienstschema zustande zu bringen. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Ich habe nicht verstanden, warum das so zerrissen worden ist.

Wir verabschieden heute die Pflegelehre, es ist schon gesagt worden, worum es geht; auch mein Kollege Ernest Schwindsackl wird noch einiges dazu sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine Maßnahme – es ist eine Maßnahme von vielen. Worum geht es denn am Ende des Tages? – Wir müssen junge Menschen wieder für die Pflege begeistern und dafür, in die Pflege einzutreten. Wir haben sie – das muss man leider Gottes sagen – durch die Akademisierung teilweise verloren, weil eben ein 17-Jähriger, 18-Jähriger bereits einen anderen Beruf ergriffen hatte und es schwierig war, ihn zurückzuholen. Diese Lücke zwischen dem 15. und 17., 18. Lebensjahr versuchen wir jetzt damit zu schließen.

Alles, was ich gerne hätte, ist, dass man sagt: Versuchen wir es! – Es ist eine Maßnahme, und es wird – auch das wird der Herr Bundesminister dann noch bestätigen – wissenschaftlich evaluiert, wie das bei vielen Lehrberufen der Fall ist. Wir haben über 200 Lehrberufe in Österreich. Österreich ist ein Vorzeigeland – wir waren erst im April auf einer Delegationsreise in Madrid –, auch was das anbelangt: das duale Bildungssystem, unsere Lehrberufe. Ganz Europa schaut neidvoll auf unser Österreich. (Bundesrätin Grimling: Aber nicht in der Pflegelehre! – Bundesrat Reisinger: Das soll so bleiben! Deshalb ...! – Bundesrat Spanring: Neidvoll ...!)

Am Ende des Tages – unsere Meinungen mögen da vielleicht etwas auseinanderliegen, das ist auch gut so, das ist einem jeden unbenommen –, worum geht es? – Punkt eins: junge Menschen für die Pflegeberufe zu begeistern. (Bundesrätin Grimling: Aber nicht mit Lehrausbildung!)

Punkt zwei: Es geht um die Menschen in diesem Land, die Pflege benötigen, und um Entlastung von pflegenden Angehörigen. Das sollte unser aller Anspruch sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher freue ich mich auch auf Zustimmung vonseiten der Oppositionsparteien. (Bundesrätin Grimling: Ja, natürlich! Danke!) Ich würde mir wünschen, dass man da auch noch zusammenfindet.

Ich wünsche an dieser Stelle – ich weiß nicht, jetzt ist er, glaube ich, gerade nicht da – Kollegen Egger alles erdenklich Gute im Salzburger Landtag. Es ist heute sein letzter Auftritt hier im Bundesrat. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Grimling: Der wird schon noch reden! Das macht er selber! Das machen wir selber!)

Ich wünsche, auch wenn er nicht hier ist, Kollegen Babler alles Gute für seine neue Aufgabe. (Bundesrätin Schumann: Gut, da applaudieren wir! – Beifall der Bundesrätin Schumann.) Es ist eine Aufwertung für den Bundesrat, hätte ich gesagt, einen amtierenden Bundesparteivorsitzenden da zu haben (Bundesrat Spanring: Er ist ja nicht da! – Zwischenrufe bei der SPÖ) – soll uns nichts Schlechteres passieren und soll euch nichts Schlechteres passieren, als dass in den Reihen der Sozialdemokratie wieder Ruhe einkehrt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Das wird es, danke! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

10.53

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Fraktionsobfrau Korinna Schumann. – Bitte.