Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin!

1944/M-BR/2023

„Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie das Bundesland Tirol im Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr angesichts der angekündigten Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen unterstützen?“

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es in vielen auch öffentlichen Aussagen gesagt, ich habe es im Rat gesagt, auf EU-Ebene, ich sage es in jedem Interview zu dem Thema: Die Tiroler Maßnahmen auf der Brennerroute sind zum Schutz der Bevölkerung, zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit, zur Einhaltung unserer Luftqualitätsgrenzwerte weiterhin unbedingt erforderlich. Die Notmaßnahmen wirken, das sehen wir, sie schützen die Bevölkerung vor Ort und haben deswegen auch die volle Unterstützung der Bundesregierung, und wir werden das natürlich auch im Falle der Einleitung eines Verfahrens vor dem EuGH genau so handhaben.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch eines erwähnen und noch einmal klarstellen: Ein Verfahren vor dem EuGH wird die Transitproblematik mit Garantie nicht lösen. Deswegen ist es vielmehr erforderlich, dass sich die betroffenen Länder zusammensetzen, dass Italien an den Verhandlungstisch zurückkehrt und versucht, gemeinsam mit uns Lösungen für die Problematik zu finden.

Deswegen haben wir in Österreich auch immer gesagt, wir unterstützen den Lösungsvorschlag aus der Region, nämlich ein Slotsystem, eine buchbare digitale Abwicklung auf der Brennerroute. Das ist eine Basis für eine gemeinsame Diskussion auf europäischer Ebene. Ich habe das der EU-Kommission, auch gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der EU-Kommissionspräsidentin gegenüber, ich habe das bilateral in Terminen mit Deutschland und Italien wiederholt angesprochen und dafür geworben, dass man, wenn es Vorschläge aus der Region gibt, diesen nähertreten sollte, man darüber auch sprechen sollte, sie konkret entwickeln und nicht vom Tisch wischen sollte, wie es leider Italien derzeit gerade macht.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Das Transitthema betrifft ja nicht nur den Brenner, sondern zukünftig auch den Bereich Osttirol. Meine konkrete Frage wäre: Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um den Umwegverkehr durch das Osttiroler Pustertal zu vermeiden, wenn die Luegbrücke saniert wird?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie sprechen ein sehr wichtiges und sehr großes Projekt an. Es geht um eine sicherheitstechnisch notwendige Sanierung der Luegbrücke. Die Asfinag arbeitet zurzeit in Abstimmung mit allen Beteiligten vor Ort und natürlich ganz besonders intensiv mit dem Land an einem Maßnahmenpaket für die Zeit der Sanierung und insbesondere für die Zeit einer möglichen Einspurigkeit. Also sollte es sicherheitstechnisch notwendig werden, weil die Brücke es nicht mehr trägt, dann sind natürlich Maßnahmen, zusätzliche Maßnahmen notwendig, und natürlich bereiten wir uns auf alle Szenarien vor.

Herzstück wird ein abgestimmtes System an Verkehrsführungen auf der Luegbrücke sein, aber natürlich braucht es Maßnahmen rundherum. Diese werden, wie gesagt, aktuell mit dem Land Tirol und dem BMK erarbeitet und dann natürlich auch präsentiert, sobald das fertig und abgestimmt und mit allen Beteiligten akkordiert ist.

Was die Asfinag jedenfalls machen wird, ist eine breite, auch internationale Informationskampagne, weil sich die Situation auf der Route natürlich auch in den Nachbarländern entscheidet. Das heißt, über die verkehrlichen Auswirkungen dieser Sanierung soll auch breit informiert werden.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Daniel Schmid zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Kommissionschefin hat vor einiger Zeit in einem Schreiben klar Stellung bezogen und ihre Position gegenüber Bayern und Italien klar zum Ausdruck gebracht. In der vorliegenden Einigung zur Wegekostenrichtlinie ist davon nicht mehr viel übrig. Davon ausgehend, dass es zwischen Ihnen beziehungsweise Ihrem Ministerium und der Kommissionspräsidentin diesbezüglich Gespräche gegeben hat: Wie waren die Ableitungen beziehungsweise die Ergebnisse aus diesen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur Wegekostenrichtlinie? – Entschuldigung, nur dass ich die Frage richtig beantworte. (Bundesrat Schmid nickt.)

Wir haben – Sie wissen, ich beginne vom Ende her –, Österreich als Republik hat am Ende der Wegekostenrichtlinie dem vorgeschlagenen Kompromiss unter deutscher Präsidentschaft nicht zugestimmt, weil ich der Meinung bin und weil wir der Meinung sind – diese teilen wir natürlich auch in dieser Bundesregierung –, dass die Wegekostenrichtlinie in der vorliegenden Form und im vorliegenden Kompromiss unser Grundproblem nicht löst, nämlich dass bei steigender Kapazität und bei steigender Nutzung einer Autobahn der Kilometer im Lkw-Verkehr günstiger wird, günstiger werden muss aufgrund der Systematik, während, Sie wissen das, bei der Bahn jeder Kilometer einfach einen fixen Preis hat. Dieses Ungleichgewicht und diese Ungleichbehandlung zwischen Bahn und Straße konnte die Überarbeitung der Wegekostenrichtlinie nicht lösen.

Die Kommissionspräsidentin hat sich in der Diskussion und im Konflikt rund um den Brenner immer wieder konstruktiv eingebracht. Die Verhandlungen zur Wegekostenrichtlinie laufen aber im Rat der Verkehrsminister, Verkehrsministerinnen, wo sich eben 27 auf eine gemeinsame Position und dann ein gemeinsames Okay zum Verhandlungsergebnis mit Kommission und Rat einigen müssen, und dort konnten wir leider trotz aller Bemühungen keine Mehrheit für eine tatsächliche Reform finden.

Wir werden heute im Bundesrat ja noch ein weiteres Mal das Thema verhandeln, ich glaube, auch in der Fragestunde noch einmal, deshalb: Die Reform der Wegekostenrichtlinie bietet neue Möglichkeiten, aber sie verändert nicht das grundlegende Missverhältnis zwischen Schiene und Straße, und deswegen haben wir wie gesagt am Ende nicht zugestimmt.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Steiner zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, Frau Minister, als Tiroler ist man natürlich leidgeplagt, was den Transit betrifft. Seit Jahrzehnten wird er immer mehr und mehr, das wissen Sie wahrscheinlich auch aus den Berichten. Es wird auch in den Wahlkämpfen immer versprochen, dass sich etwas ändert, nur ändert sich natürlich wenig.

Jetzt wird von vielen Experten davor gewarnt, dass das von Landeshauptmann Mattle viel gepriesene – Sie haben eh schon darüber gesprochen – und geplante Lkw-Slotsystem in Zusammenarbeit mit Bayern und Italien das Verkehrsaufkommen über den Brenner nicht reduzieren – also es warnen nicht die Freiheitlichen, schon auch, aber ganz viele externe Experten –, sondern nur verteilen wird, ja der Grenzwert von 2,5 Millionen Lkw durch eine erhöhte Aufnahmekapazität des Güterverkehrs zwischen Rosenheim und Trient sogar überschritten werden könnte.

Meine Frage jetzt dazu: Gibt es Prognosen Ihres Ministeriums beziehungsweise Szenarien, wie sich das Verkehrsaufkommen des Güterverkehrs über den Brenner mit Umsetzung des Lkw-Slotsystems entwickeln wird?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Eines einmal zur Baseline: Wo stehen wir gerade am Brenner? – Wir haben am Brenner dreimal so viele Transitquerungen wie auf allen anderen Alpenquerungen der gesamten Schweiz. Wir stehen momentan bei 2,48 Millionen transitierenden Lkw im Jahr 2022 – das ist ein neuer Transitrekord. Vor diesem Hintergrund – by the way – sind die Meldungen aus Italien noch weniger verständlich. Wir haben einen neuen Transitrekord.

Wir haben in allen Gesprächen mit der Kommission immer auch deutlich gemacht, dass wir ein Maßnahmenbündel brauchen werden, das auf verschiedenen Säulen aufbaut, damit wir dieser Transitbelastung Herr werden. Etwas ganz Wesentliches ist der Ausbau der Schieneninfrastruktur. Sie wissen, wir bauen mit dem Brennerbasistunnel am größten Infrastrukturprojekt, an dem sich Österreich jemals beteiligt hat, um die Kapazitäten auf der Schiene zu erhöhen. Wir brauchen aber – siehe auch die Maßnahmen, die jetzt in Tirol gesetzt werden – ein Maßnahmenbündel, das dazu geeignet ist, nicht nur eine Verlagerung auf die Schiene, sondern auch eine bestmögliche Abwicklung und eine bestmögliche Verlagerung auf emissionsarme Fahrzeuge zu gewährleisten. Das Slotsystem alleine wird die Problematik am Brenner nicht lösen, aber es kann ein wesentlicher Beitrag dazu sein, eine bessere Abwicklung zu ermöglichen.

Insofern kann ich Ihnen jetzt nicht für diese eine Maßnahme eine extrapolierte Zahl nennen, aber unser gemeinsames Ziel – und ich freue mich, wenn auch Ihre Fraktion das unterstützt; hoffentlich nicht nur am Brenner, sondern auch auf den anderen Transitrouten – ist die Verlagerung auf die Bahn. Eine entsprechende Bemautung, damit wir keine Umwegverkehre aus der Schweiz haben, und viele weitere Maßnahmen werden da notwendig sein, für die wir auf europäischer und nationaler Ebene arbeiten. (Bundesrat Steiner: Also Prognosen gibt es keine?) – Ich kann gerne im Ministerium nachfragen, ob es eine extrapolierte Zahl gibt. Ich sage nur, die extrapolierte Zahl macht aus meiner Sicht wenig Sinn, weil es immer ein Maßnahmenbündel sein muss, das in Summe wirkt. Ich kann die Zahl gerne schriftlich nachliefern, habe sie aber jetzt nicht aus dem Effeff parat. (Bundesrat Steiner: Super, danke schön!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage geht in eine sehr ähnliche Richtung. Wir wissen ja vorher oft nicht, was kommt, daher frage ich: Wollen Sie etwas in Bezug darauf ergänzen, welche Initiativen Sie insbesondere auf europäischer Ebene gesetzt haben, um den Transitverkehr über den Brenner auf ein erträgliches Maß zu beschränken? – Ich weiß, Sie haben das schon beantwortet, vielleicht haben Sie noch Ergänzungen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe aufgrund der unterschiedlichen Fragen und Zusatzfragen schon Etliches aus diesem Themenkomplex beantwortet, deshalb darf ich es kurz machen. Wir haben einerseits natürlich die Diskussionen im Rat der Ministerinnen und Minister, wo ich in jeder Runde beständig die Tiroler Maßnahmen verteidige – und das mache ich nicht nur im Rat, sondern auch bei allen bilateralen Terminen, nicht nur mit den Nachbarländern, sondern auch mit potenziellen Verbündeten im Bereich des Straßengüterverkehrs.

Parallel dazu setzen wir uns bei der Kommission, im Rat, in allen anderen Bereichen für alle Maßnahmen ein, die dazu beitragen können, die Verlagerung auf die Schiene zu forcieren – seien es Pushmaßnahmen im Straßengüterverkehr oder Pullmaßnahmen im System Bahn –: von besseren Standards im Güterverkehr über entsprechende Streckenkapazitäten im Bereich Infrastruktur bis hin zu den entsprechenden nationalen Fördermaßnahmen.

Wir werden ja bald auch das Budget diskutieren. Wir haben im Europavergleich eine wirklich vorzeigbare Güterverkehrsförderung, für die ich in anderen Ländern auch immer werbe, weil gerade der Güterverkehr natürlich etwas Grenzüberschreitendes ist und die Verlagerung auf die Bahn nicht nur von einem Land vorangetrieben werden kann. Wie gesagt setze ich mich darüber hinaus bei jeder Gelegenheit für den Vorschlag Südtirols, Tirols und Bayerns eines Slotsystems ein, den wir gerade diskutiert haben, weil es ein wesentlicher Beitrag sein kann. – Danke. (Bundesrätin Kittl: Vielen Dank!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1950/M –BR/2023.

Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Horst Schachner, um die Verlesung der Anfrage.