13.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herzlich willkommen im Bundesrat! Es gibt in Sachen Aids und HIV zwei wirkungsvolle Mittel, die schützen und helfen. Eines dieser Mittel, und auch das muss man bei aller Wertschätzung für Medikamente immer wieder betonen, ist und bleibt das Kondom. Ich kann allen Menschen nur raten, ein Kondom zu verwenden, wenn sie sich unsicher sind.

Zusätzlich gibt es aber eben ein zweites Mittel, nämlich ein Medikament, das jetzt eine prophylaktische Möglichkeit bietet, sich vor HIV und Aids zu schützen, und das ist die Prep. Herr Kollege Pröller, da es sich um ein prophylaktisches Medikament handelt, finanziert der Bund das den Krankenkassen, weil es ja tatsächlich so üblich ist, dass prophylaktische Medikamente nicht bezahlt werden, damit – und jetzt kommt der wesentliche Punkt – der Zugang zu diesem prophylaktischen Medikament keine Frage des Einkommens ist. Deswegen finde ich es sehr schade, dass Sie dagegenstimmen. Sie sind so gerne die Partei des kleinen Mannes, aber in diesem Fall wollen Sie, dass ärmere Menschen sich dieses Medikament nicht leisten können, und da bin ich vehement dagegen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder.)

Da wir im Bundesrat sind, möchte ich natürlich auch meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass die Länder, in denen es eine eigene Sozialversicherung gibt – denken wir an die KFA Wien –, da mitziehen und auch ihren Versicherten die Möglichkeit geben werden, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen. Beim Finanzausgleich mit den Ländern sind diesen erhebliche Steuermittel zur Verfügung gestellt worden, da gibt es einen dicken, fetten Präventionstopf, und ich hoffe, dass zum Beispiel auch die Versicherten der KFA Wien demnächst eine Gratis-Prep bekommen.

Erlauben Sie mir aber auch, meine persönliche Freude zum Ausdruck zu bringen, denn als jemand, der in seiner Jugend, so in den späten Achtzigerjahren, sein Coming-out als schwuler Mann hatte, gehöre ich der Generation Aids an. Ich war als Jugendlicher zum Glück in einer sehr guten Schule mit einer sehr guten Aufklärungsstunde, was in den Achtzigerjahren nicht selbstverständlich war. In unserer Schule war das ganz toll. Ich möchte explizit die Tourismusschule Bad Ischl und den damaligen Direktor, der damals für alle Schülerinnen und Schüler Aufklärungsstunden machte, erwähnen.

Ich gehöre einer Generation an, die noch bevor sie Sexualität erleben durfte, lernen musste, dass diese gefährlich ist, dass sie, wenn man nicht aufpasst, sogar tödlich sein kann. Das ist nicht sehr schön, so kommt man nicht gut ins Leben in seiner Pubertät.

Ich habe die Anfänge nicht ganz erlebt, dafür bin ich zu jung, und ein paar Jahre können da schon einen großen Unterschied machen. In dieser Zeit war aber auch eines interessant: Durch die Aids-Krise der Achtzigerjahre war die Politik zum allerersten Mal gezwungen, auch Leute aus der Community als Expertinnen und Experten wahrzunehmen und mit ihnen Gespräche aufzunehmen. Zum allerersten Mal gab es politische Partizipation.

Neu war, als ich 1988 nach Wien kam, auch – daran kann ich mich sehr gut erinnern –, dass man sich zum ersten Mal die Frage stellte: Wie ist das eigentlich, wenn du stirbst, wer erbt dann alles? Ich möchte daran erinnern, dass es damals gar keine Partnerschaftsregelungen gab, dass es ein Auskunftsverbot für Lebensgefährten gab, weil man im Gesetz in Österreich nicht existierte. Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Da war man jahrzehntelang mit jemandem zusammen und wenn dieser  ins Spital kam, hat man null Auskunft bekommen, wenn man Pech hatte, durfte man ihn nicht einmal besuchen. Dadurch stellten sich eben solche rechtlichen Fragen, und so ist auch ein extremer Schub in der Diskussion, wie wir eine rechtliche Gleichstellung schaffen, entstanden.

Ich kam 1988 nach Wien. Mein Studentenjob war in der Community, ich habe in einem Lokal gearbeitet. Wenn ich mich daran zurückerinnere: Schwule Männer starben wie die Fliegen. Sie starben und starben und starben. Man konnte eigentlich jede Woche auf ein Begräbnis gehen. Ich kann noch viele beim Namen nennen und manche kann ich nicht einmal mehr beim Namen nennen, aber diese Erinnerung macht mich heute noch sehr betroffen.

Wir haben es der medizinischen Forschung – der vielgescholtenen Forschung, liebe FPÖ – zu verdanken, dass es seit 1996 eine Therapie gibt, die HIV-positiven Menschen ein Leben, ein gesundes Leben ermöglicht. Seit 1996 starben die Menschen nicht mehr. Meine Freunde und Freundinnen, die sich schon in den Achtzigerjahren angesteckt haben, leben heute noch und sie leben gesund. Ein Nachteil war natürlich, dass dann das Bewusstsein zu dieser Krankheit etwas abgenommen hat und sozusagen das Gefahrenpotenzial unterschätzt wurde.

Seit 2016 ist die Prep auch in der Europäischen Union zugelassen. Nur zur Erklärung: Was heißt Prep? – Prep ist eine Abkürzung für die Präexpositionsprophylaxe, also eine Prophylaxe für die HIV-Ansteckung. Ich bin übrigens einer der 3 000 Menschen, welche die Prep nehmen, ich kann mich hier ja mal outen. Ich kann dazu auch sagen, dass für alle, die in einer Partnerschaft leben, in der ein Partner HIV-positiv und der andere HIV-negativ ist, die heute zu beschließende Maßnahme und dass es keine Frage mehr ist, ob man es sich leisten kann oder nicht, ungeheuer erleichternd und entspannend ist.

Ich musste ein Coming-out mit dem Wissen, dass Intimität gefährlich sein kann, erleben und ich würde mich freuen, wenn wir eine nächste Generation hätten, die Aids und HIV vielleicht nur noch aus den Geschichtsbüchern kennt. Die Prep ist eine Chance, sie kann wesentlich dazu beitragen. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt. Ich kann alle Menschen, die sich bis heute die Prep nicht leisten konnten, nur bitten: Geht zu einem Experten, einer Expertin, geht zu eurem Arzt oder eurer Ärztin und lasst euch beraten!

Ich bin ja schon sehr lange mit diesem Thema beschäftigt, der Herr Minister und ich hatten ja diesbezüglich auch schon das eine oder andere Gespräch, und ich möchte mich bei allen, die das heute ermöglichen, wirklich ganz herzlich bedanken: bei allen NGOs, bei allen Aids-Hilfen in Österreich. Ich möchte auch ganz explizit meiner Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic, die heute gesagt hat, dass sie nach der Wahl nicht mehr dabei sein wird, danken; sie hat sich sehr dafür eingesetzt. Ich möchte mich allerdings auch ganz herzlich bei Mario Lindner bedanken. Beide sind ja ehemalige Bundesräte, das ist also schon ein guter Ort hier.

Ich möchte mich bei allen und natürlich vor allem auch bei Bundesminister Rauch dafür bedanken, dass es nach all den Jahren und Forderungen heute passiert. Es ist ein erfreulicher Tag, aber es ist  nichts zum Feiern, weil HIV, weil Aids noch in der Gesellschaft vorhanden ist. Es ist noch immer da. Das ist eine Möglichkeit, dass diese – Entschuldigung, dass ich das sage, aber ich habe so viele Freunde daran verloren – beschissene Krankheit verschwindet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.17

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile dieses.