17.13
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die heutige Dringliche Anfrage der FPÖ ist so etwas von absolut unnötig! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Nach der Aktuellen Stunde, in der wir unsere Positionen zur Europapolitik ausführlich ausgetauscht haben, geht es jetzt wirklich nur mehr darum, die FPÖ-Wahlslogans wiederzukäuen, die Reizwörter einzustreuen (Zwischenruf bei der FPÖ): Es ist einfach pures Wahlkampfgetöse, das Sie da zum Besten gegeben haben. Wenn Sie einen Austritt aus der EU, einen Öxit wollen, dann sagen Sie das doch bitte ehrlich und reden Sie nicht herum! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
Das trauen Sie sich aber offensichtlich nicht, denn was will die FPÖ? – Sie will unbedingt und um jeden Preis – um wirklich jeden Preis! – an die Macht kommen und dann das System so ummodeln, dass sie es auch bleibt, dass Sie nach Orbáns Vorbild auch an der Macht bleiben. Wir sehen in Ungarn schon die Blaupause eines idealen FPÖ-Staates, wie Sie sich das dann vorstellen: dass die Menschen nicht mehr lieben dürfen, wen sie wollen, dass sie nicht mehr die Bücher kaufen dürfen, die sie wollen, sondern sie in Packerln einpacken müssen, weil man nicht mehr frei Bücher kaufen darf. (Bundesrat Steiner: Wir geben den Kindern den Regenbogen zurück, so schaut es aus!) So stellen Sie sich die Freiheit vor, die Sie in Ihrem Namen tragen. (Bundesrat Steiner: Wir geben den Kindern den Regenbogen zurück!) Das ist schon ein Vorgeschmack darauf, was den Menschen blüht, wenn Sie an die Macht kommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
Statt konstruktive Kritik zu üben, die bei dieser Bundesregierung durchaus angebracht ist – da gibt es viele berechtigte Kritikpunkte (Bundesrat Steiner: Ja, ...!) –, versuchen Sie, das gesamte System, die gesamte Aufbauarbeit, die von vorangegangenen Generationen geleistet wurde, zu zerschlagen, in dem Fall das europäische Einigungswerk, das uns in den Mitgliedstaaten Frieden und wirtschaftlichen Erfolg gebracht hat (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner); das hat meine Vorrednerin Frau Kollegin Schwarz-Fuchs auch eingehend dargestellt. Mit dem von den Rechtsparteien Europas – insbesondere der AfD und der FPÖ – angestrebten Rückfall in die Nationalstaaterei (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner) würden wir um Jahrzehnte zurückkatapultiert werden.
Vor allem das europäische Lebensmodell mit den Wesensmerkmalen von Demokratie, Menschenrechten, den Werten der Aufklärung und natürlich auch dem Wohlstand würde zerstört werden. (Bundesrat Steiner: Corona!) Nur durch Überwindung der Nationalstaaterei, durch Überwindung von Nationalismus und auch Rassismus konnte dieses europäische Lebensmodell, dieses Erfolgsmodell realisiert werden. Zu diesem europäischen Lebensmodell, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehören auch eine Kultur des Miteinanders, eine Kultur des Respekts und der Wertschätzung.
Ja, in der Demokratie gehört eine harte Auseinandersetzung in der Sache dazu – das ist auch ein Wesenselement der Demokratie –, aber Sie von der FPÖ zerstören mit Ihrer Wortwahl, auch mit Ihrer Bildsprache permanent jede Diskussionskultur (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen – Bundesrat Steiner: Mimimimimi! Mimimimimi!), und zwar hier im Haus – wo Sie, so hat man den Eindruck, jeden Ordnungsruf wie einen Orden an der Brust tragen; das halten wir aber aus –, aber, was besonders schlimm ist, jetzt auch in den Schulen, bei den Schuldiskussionen (Bundesrat Steiner: Ui!), die derzeit vor der EU-Wahl besonders häufig stattfinden. Erst unlängst hat sich – es passiert leider öfter etwas mit FPÖ-Diskutanten – Bundesrat Leinfellner (Ah-Rufe bei der SPÖ) etwas Unglaubliches erlaubt (Bundesrat Steiner: Na, so schlimm! So schlimm, unglaublich! Unglaublich!) und mit einer Aussage für Entsetzen gesorgt. – Ich zitiere: Wer Schweinefleisch isst, neigt weniger dazu, sich in die Luft zu sprengen. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! – Bundesrätin Schumann: Und das als Beamter der Landesverteidigung! Der Landesverteidigung!)
Sie applaudieren jetzt auch noch dazu, anstatt sich zu schämen, obwohl sich – das wollte ich nämlich auch noch dazusagen – Bundesrat Leinfellner dafür sogar entschuldigt beziehungsweise sich dann sogar davon distanziert hat. Jetzt aber distanziert er sich sogar wieder von seiner Entschuldigung (Bundesrat Steiner: Nein!), und das ist erst wirklich ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Leinfellner: Also für die Aussage ...!)
Das hat auch besonders fatale Auswirkungen, weil sich viele Lehrerinnen und Lehrer jetzt überlegen, solche Schuldiskussionen überhaupt noch zu veranstalten, weil sie ihre Schülerinnen und Schüler mit so etwas einfach nicht konfrontieren wollen. Also das ist auch eine ganz, ganz bedenkliche Tendenz (Zwischenrufe bei der FPÖ), die Sie da eingeleitet haben.
Es ist aber leicht durchschaubar, was Sie wollen, nämlich den Boden aufbereiten, alles zerstören – auch die Diskussionskultur –, ein Klima des Miteinanders zerstören (Bundesrat Steiner: Corona! Corona! – Bundesrat Schennach: Das ist eine Heilige! Heilige Corona! Das ist eine Heilige!), um eben den Boden, der Ihnen dient, aufzubereiten. (Bundesrat Steiner: Corona! Du warst bei jeder Schweinerei dabei, Frau Kollegin!)
Es ist auch leicht durchschaubar, warum Sie sich so gegen einen europäischen Plan wehren, das Asyl- und Migrationswesen, das eben nur europäisch zu lösen ist, weil es ja alle Staaten umfasst, auch europäisch zu lösen. Das tun Sie, weil Sie befürchten, dass Sie dann, wenn eben weniger geflüchtete Menschen ins Land kommen, an Themen verlieren, denn in Wahrheit sind diese armen Menschen Ihre Wahlkampfmunition, die Sie weidlich nützen wollen.
Die Mitgliedstaaten haben endlich die Europäische Union dazu ermächtigt, an europäischen Lösungen zu arbeiten – die Europäische Union kann nämlich nur machen, was sie die Mitgliedstaaten machen lassen, weil es da eben dieses Prinzip der Subsidiarität und der begrenzten Einzelermächtigung gibt. Jetzt wurde das eben gemacht, es wurden jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, Asylverfahren und die Registrierung an den Außengrenzen vorzunehmen, was auch notwendig ist, weil wir wissen müssen, wer sich auf Unionsgebiet aufhält, damit wir die Menschen natürlich auch rechtzeitig – sofort – mit den Regeln eines Miteinanders in Europa vertraut machen und auch Integrationsmaßnahmen setzen können.
Bei einem Solidarmechanismus würde Österreich massiv entlastet werden, Schätzungen zufolge sogar um 100 000 Personen pro Jahr – so hätte sich das 2022 beziffern lassen –, aber genau das würde Ihren Interessen entgegenstehen, weil Ihnen dann einfach ein Thema abhandenkommen würde, denn Sie leben in Wahrheit von diesen armen Menschen, und das ist wirklich sehr, sehr traurig.
Wir vertreten das Prinzip Integration vor Neuzuzug. (Bundesrat Steiner: Seit wann?) – Das steht auch im Kaiser-Doskozil-Papier. (Bundesrat Steiner: Das interessiert den Babler aber nicht!) – Sie freuen sich über jeden, der von Orbán nach Österreich durchgewunken wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Nein! Der macht es aber richtig! Der macht das Richtige für sein Land!) Sie freuen sich da über jeden, weil das Ihre Wahlkampfmunition ist. (Bundesrat Steiner: Der macht das einzig Richtige in seinem Land ...!)
Wir setzen alles daran, die Menschen bestmöglich zu integrieren – das ist dringend notwendig. (Bundesrätin Schumann: Das glaube ich auch!) Die beste Asyl- und Migrationspolitik ist, die Fluchtgründe zu beseitigen, nicht die Flüchtlinge zu bekämpfen, sondern die Fluchtgründe, und das geschieht eben durch Entwicklungszusammenarbeit, durch faire Handelsbeziehungen wie etwa auch das Lieferkettengesetz (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), aber auch durch einen wirkungsvollen Klimaschutz (Bundesrat Steiner: Das Lieferkettengesetz ist das neue ...!), denn den Menschen dürfen nicht die Lebensgrundlagen genommen werden.
Es ist auch von Kollegin Schwarz-Fuchs angesprochen worden: Auch Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit sind wesentliche Aspekte. Die nicht getätigten Maßnahmen führen dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil es klimatische Veränderungen gibt und die Menschen in ihren gewohnten Gebieten nicht mehr ihre Nahrungsquellen finden.
Sie reden von Neutralität, bringen aber bei jeder Gelegenheit die Putin-gesteuerten Russlandinteressen in den innenpolitischen Diskurs ein. Da werden Anträge gestellt, Postings, Redebeiträge getätigt. Also echte Neutralität sieht tatsächlich anders aus, ist wertebasiert (Bundesrat Spanring – erheitert –: Genau, eure Werte!) und distanziert sich vor allem von jeglichen diktatorischen Regimen. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Spanring: Aber das Gas von den Saudis ...!)
Ein Wort noch zu Ihrem Spitzenkandidaten Vilimsky: Sie haben jetzt auch einige primärrechtliche Dinge angesprochen (Bundesrat Schennach: Uh! Ehemaliger Bundesrat!) und sind über die Kommission hergezogen, die entmachtet gehöre, und auf der anderen Seite möchte Vilimsky unbedingt Kommissar werden. (Bundesrat Schennach: Einer der schlechtesten Bundesräte ...!) Wie passt denn das zusammen?! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sie haben entmachtet gesagt, also ist das jetzt vielleicht - - (Bundesrat Spanring: Wenn er gebeten wird, hat er gesagt, macht er’s! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Um einen positiven Aspekt aus Ihrer Rede herauszuholen: Sind Sie jetzt vielleicht auch für das Initiativrecht des Europäischen Parlaments? Die Kommission hat ja jetzt das alleinige Initiativrecht. (Bundesrat Schennach: Da haben sie aber ein Problem!) Also wenn Sie für das wären, wäre das ein einziger positiver Aspekt der Rede.
Vilimsky hat dann auch für Überraschung gesorgt, denn plötzlich spricht er sich für die Atomkraft aus (Oh-Rufe bei der SPÖ) und bringt da einen entsprechenden Antrag ein, Änderungsantrag 307 nennt sich das, von Bernhard Zimniok und - - (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja genau, Harald Vilimsky ist hier (ein Schriftstück in die Höhe haltend) zu lesen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Man sei „äußerst besorgt, dass die Energiewende vorankommt und dabei von der Kohle auf Solar- und Windenergie umgestellt wird, auch durch von der Union unterstützte Projekte wie das Solarkraftwerk Oslomej und den Ausbau des Windparks Bogdanci, und empfiehlt stattdessen“ – ich zitiere – „die Nutzung von Kernenergielösungen“. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Ah-Rufe bei den Grünen.)
Also das erklären Sie jetzt einmal! (Bundesrat Schreuder: Oh! Ah! Oh!) So viel zur Ehrlichkeit in der Politik. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
17.25
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Auch ein Freund der ...!)