RN/4

Aktuelle Stunde

„Ausrichtung Österreichs in gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Fragen“

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag.a Beate Meinl-Reisinger, die ich nochmals herzlich willkommen heiße! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

In der Präsidialkonferenz am 6. Mai 2025 wurde Einvernehmen über folgenden neuen Ablauf der Aktuellen Stunde erzielt: Nach einer ersten Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die 10 Minuten nicht überschreiten soll, kommt je eine Rednerin, ein Redner pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt eventuell eine zweite Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die 5 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt heute die erste Wortmeldung der Bundesrätin ohne Fraktion, NEOS, sowie anschließend je ein Redner, eine Rednerin der Fraktionen und schließlich eine Wortmeldung der Bundesrätinnen und Bundesräte ohne Fraktion, Grüne, mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit.

Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich nun die Frau Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten. – Ich erteile es Ihnen und weise nochmals darauf hin, dass Ihre Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten soll. Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

RN/5

9.25

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Werte Damen und Herren, die uns vielleicht zu Hause oder wo auch immer zuschauen! Ich glaube, auch heute in der Früh, wenn man die Nachrichten aufdreht, war es wieder so: Man merkt es, man spürt es, man hat das Gefühl, die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein, Kriege, Konflikte, ja schier – so scheint es – unlösbare Situationen, Handelskriege, die zunehmen. All diese Konflikte und Herausforderungen sind eine ganz große Herausforderung für Europa – für einen Raum der liberalen Demokratie, der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und des Friedens – und auch eine Herausforderung für unseren Wohlstand, auch bei uns in Österreich. Es ist wahrscheinlich die größte Herausforderung seit Bestehen der Zweiten Republik. 

Die Konflikte nehmen zu, von Sahel über den Nahen Osten bis hin zur Ukraine, und ebenso das, was man mittlerweile als multipolare Weltordnung bezeichnet – systemische Rivalitäten zwischen den Großmächten in der Frage, welches Modell, Wirtschaftsmodell, mehr oder weniger demokratisches Modell, vorherrschen soll. 

Es ist spürbar, die USA richten sich neu aus. Internationale Regeln werden sehr laut infrage gestellt. Wirtschaftliche Unsicherheiten wachsen, und es ist ein globaler Handelskrieg im Gange. 

Europa ist aufgrund seiner Geografie verwundbar. Ich glaube aber vielmehr, dass Europa auch deshalb verwundbar ist, weil es ein Raum des Friedens, der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit, der liberalen Demokratie ist und wir in einer Welt, in der sich das Recht des Stärkeren durchsetzt und nicht die Stärke des Rechts, nicht gewinnen. Wir sind das auch nicht gewöhnt. Es ist nicht unsere zivilisatorische Errungenschaft, insbesondere nach den Lehren des Zweiten Weltkriegs, durch die Welt zu gehen und sich als Bully auf dem Schulhof aufzuführen, sondern wir pochen auf die Einhaltung von internationalen Regeln, wir pochen auf Multilateralismus, wir pochen auf das Recht von Verträgen und wir pochen auch auf Fairness und Augenhöhe in der Frage, wie wir miteinander umgehen. 

Ich bekomme oft die Frage gestellt: Na ja, was gehen mich diese Kriege und Konflikte an? – Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind mittendrin. Die Frage der konventionellen Bedrohung muss uns beschäftigen, aber vielmehr noch die Frage der hybriden Bedrohungen. 

Ich kann Ihnen berichten, ich war gestern bei meinem tschechischen Amtskollegen in Prag: Dort wird sich intensiv, vor allem auch vonseiten des Außenministeriums, aber auch von der gesamten Regierung – übrigens: wie auch in Österreich – mit den Vorfällen, die es gibt, von verschiedenartigen hybriden Bedrohungen auseinandergesetzt – seien es Cyberattacken, sei es Informationsmanipulation, die ja gezielt auch von ausländischen Akteuren betrieben wird, um bestimmte Narrative zu verbreiten, um aber vor allem auch ganz konkret zu versuchen, die Frage der europäischen Unterstützung in der Ukraine zu erodieren. 

Das heißt, die Frage ist: Wie gehen wir damit um – in einer Weltlage, in der wir selber bedroht sind und in der wir in Europa uns ernsthaft die Frage stellen müssen, wie wir uns aufstellen müssen, um weiterhin die Flagge der Rechtsstaatlichkeit, des Multilateralismus, der regelbasierten Weltordnung, aber vor allem des Friedens, der Freiheit und des Wohlstandes hochzuhalten? 

Die Lehre daraus ist ganz klar: Wir müssen stärker werden. Wir müssen in einem gemeinsamen Vorgehen in Europa stärker werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in dieser Weltordnung Spielball sind, sondern wir müssen das Selbstbewusstsein und auch den Stolz entwickeln, selbst geopolitischer Akteur werden zu wollen – wieder werden zu wollen, sagen wir es einmal so. 

Das bedeutet, es braucht wirtschaftliche Stärke. Das ist ein ganz klares Bekenntnis zu wirtschaftlicher Stärke, die unseren Wohlstand schützt, und andererseits muss diese wirtschaftliche Stärke aber auch in der Welt eingesetzt werden. Wir sehen das gerade ganz konkret in der Auseinandersetzung, in den Zollstreitigkeiten mit der Trump-Administration, dass uns da wirtschaftliche Stärke und das Sprechen mit einer Stimme hilft. Es macht uns nicht schwächer, es macht uns stärker. 

Es geht aber auch um militärische Stärke. Wir müssen uns selber um unsere Verteidigung kümmern, weil wir uns nicht mehr darauf verlassen können, dass es andere für uns machen werden. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer die Arbeit der Bundesregierung in den ersten Wochen verfolgt, der sieht ganz klar, dass wir ehrlich zu den Menschen sind, dass wir uns auch in diesen ungemütlichen, unerfreulichen Zeiten nicht davor scheuen, diese unbequemen Wahrheiten auszusprechen. 

Eine unbequeme Wahrheit ist zum Beispiel: Neutralität allein schützt nicht, schon gar nicht vor diesen hybriden Bedrohungen, wie wir sie gerade erleben. Österreich muss und Österreich wird eine aktive Rolle in Europas Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik einnehmen und ein verlässlicher Partner sein, denn das Einzige, was uns schützt, ist Solidarität, ein Zusammenstehen in Europa, denn gemeinsam sind wir stärker als allein. 

Als Bundesregierung sind wir hin zu dieser Solidarität und zu diesem klaren Bekenntnis einen wichtigen Schritt gegangen, und wir werden diesen Weg konsequent weiterverfolgen. Wir bekennen uns dazu, dass Österreich in allen Schritten der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Richtung einer Verteidigungsunion eine aktive Rolle einnimmt und auch seinen Beitrag leistet. Wir haben das auch klargestellt – weil immer wieder diese Diskussion herrscht. 

Natürlich ist der Schutzschirm, der in Europa besteht – und das mag einem gefallen oder nicht –, derzeit vor allem durch die Nato begründet, und dabei vor allem durch den Artikel 5, die Beistandsverpflichtung in der Nato. Ich habe das letztlich auch in einem Interview der „Financial Times“ gesagt. Natürlich tut Europa alles, um die USA als Partner an Bord zu halten. 80 Jahre nach Weltkriegsende ist das auch mein Zugang für Österreich. Wir wissen, was wir den USA an Freiheit und Befreiung vom Nazi-Regime verdanken und übrigens auch der Klugheit und Weitsicht, mit dem Marshallplan dafür zu sorgen, dass wir wirtschaftlich wieder in Schwung kommen und auf solide und feste Beine gestellt werden. 

Also der Zugang ist sehr wohl, den Nutzen herauszuarbeiten, den beide Seiten von einer starken, verlässlichen Partnerschaft haben. 

Es ist aber nun einmal so eine Sache mit so einem Artikel 5. Wenn der einmal infrage gestellt wird, dann kann man nicht zurück zur Normalität gehen und sagen, da war nichts. Das kann man schon tun, aber dann macht man eine Politik auf Basis des Prinzips Hoffnung, und ich glaube, angesichts der Verwerfungen, die tagtäglich passieren, oftmals nur mittels eines Tweets, ist Hoffnung wohl nicht der beste Rat, den ich derzeit als europäische Politikerin geben könnte. 

Wir haben aber auch eine Beistandsverpflichtung in unseren europäischen Verträgen, und das ist auch in unserer Verfassung festgeschrieben. Wir haben auch als Bundesregierung ganz klargestellt, dass diese Beistandsverpflichtung selbstverständlich gilt und in der Frage des Ob nicht infrage gestellt wird. 

Selbstverständlich aber offen ist die Frage des Wie, wie es auch unserer Neutralität entsprechen würde, die natürlich innerhalb Europas durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verändert wurde. Aber das betrifft auch andere Staaten, das betrifft auch Nato-Staaten: dass die Frage des Wie noch oder jedenfalls in der vollen Autonomie eines Staates liegt und wir daher auch frei sind, dann zu entscheiden. (Beifall der Bundesrät:innen Sumah-Vospernik [NEOS/W] und Schwindsackl [ÖVP/Stmk].

Aber die Solidarität ist ganz wichtig. 

Ich habe vorhin von Stolz gesprochen, und ich möchte hier schon noch etwas zum Ausdruck bringen: Österreich leistet seinen Beitrag, und zwar seit vielen Jahren, sehr verlässlich bei zivilen Missionen der Europäischen Union genauso wie bei militärischen Missionen der Europäischen Union. Unser Einsatz, etwa bei Eufor-Althea – und ich glaube, ich habe hier darüber schon einmal gesprochen – zur Sicherung der Sicherheit und der Stabilität in Bosnien und Herzegowina, ist ein unerlässlicher Beitrag zur Friedenssicherung und wird geschätzt, so wie auch unsere Beiträge im Rahmen von anderen Missionen: KFOR im Kosovo, aber auch die UN-Mission im Libanon. Das sind alles Missionen, bei denen Österreich seit 1960 als verlässlicher Partner Teil der Friedenssicherung in der Welt ist. Ich glaube, darauf können wir stolz sein, und wir sollten da unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. 

Das ist alles kein Widerspruch zu Diplomatie und Multilateralismus. Ich habe es vorhin gesagt: In einer Welt, in der diese regelbasierte Friedensordnung infrage gestellt wird, ist es wichtiger denn je, Diplomatie als erste Verteidigungslinie fest aufrechtzuerhalten und sich gleichzeitig zu Multilateralismus zu bekennen. Das sind die Foren, wo wir auf Augenhöhe auch unsere Interessen, was den Schutz von Zivilisten, Abrüstung, Friedenssicherung angeht, durchsetzen können. 

Deshalb sage ich es an dieser Stelle gerne noch einmal – und ich bin sehr verwundert, dass ich gestern eine Kritik vonseiten einer FPÖ-Politikerin lesen musste –: Unsere Kandidatur als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, eine Kandidatur, die vor 14 Jahren begonnen wurde, daher auch unter einer freiheitlichen Außenministerin sehr aktiv vorangetrieben wurde, ist so ein Beispiel dafür, wie wir als kleines Land unseren Beitrag in der Welt zur Friedenssicherung leisten können und leisten wollen. – Ich bitte Sie, unterstützen Sie uns dabei! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

9.35

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Bundesrätin. 

RN/6

9.36

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier bei uns im Saal und auch liebe Zuseher via Livestream! Wir haben bereits von der Frau Bundesministerin gehört, es gibt weltweit sehr viele Krisenherde. 

Stellen Sie sich vor, ein österreichisches Unternehmen kann seine Produkte plötzlich nicht mehr exportieren, weil in einem Partnerland ein Konflikt ausgebrochen ist! Lieferketten reißen, Aufträge bleiben aus und österreichische Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Genau aus solchen Gründen ist Außen- und Sicherheitspolitik kein abstraktes Thema, sondern betrifft uns alle ganz konkret. 

Österreich ist ein kleines, exportorientiertes Land. Unser Wohlstand hängt davon ab, dass unsere Unternehmen, darunter viele Klein- und Mittelbetriebe, ihre Produkte und Dienstleistungen in stabile, sichere Regionen der Welt exportieren können. Fehlt diese Sicherheit, hat das ganz konkrete Auswirkungen, auch bei uns im Inland. 

Als Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist es mir daher ein besonderes Anliegen, die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit offen anzusprechen und dabei mitzugestalten. 

Außenpolitik ist kein abgehobenes Thema – die Frau Außenministerin hat es bereits gesagt; sie wird auch oft gefragt –, sie ist ein konkretes Thema. 

Sicherheit ist nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. 

In einer Welt, die sich rasant verändert, wächst auch die Verantwortung Österreichs. Unser außen-, sicherheits- und verteidigungspolitisches Handeln steht heute im Zeichen wachsender Herausforderungen und zugleich im Zeichen verstärkter europäischer und internationaler Zusammenarbeit. Es geht darum, zu Sicherheit, Stabilität und Frieden beizutragen, sowohl im nationalen Interesse als auch im Rahmen unserer europäischen und internationalen Verantwortung. 

Österreich bekennt sich, wie es auch im Regierungsprogramm „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ verankert ist, ausdrücklich zu seiner verfassungsmäßigen Neutralität und engagiert sich aktiv in multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der OSZE. 

Österreich ist ein militärisch neutraler Staat – das ist ein klarer verfassungsrechtlicher Auftrag –, aber diese Neutralität bedeutet nicht politische Gleichgültigkeit. Wenn Völkerrecht gebrochen wird, wenn Staaten angegriffen, Grenzen verschoben und Zivilisten bombardiert werden, dann ist unsere Stimme gefordert, denn wir stehen auf der Seite des Rechts, der Menschenwürde und der internationalen Ordnung. 

Seit dem EU-Beitritt 1995 engagiert sich Österreich aktiv in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, in der Gasp, sowie in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, GSVP, der Europäischen Union. Als verlässlicher Partner beteiligt sich Österreich seither an zivilen und militärischen Missionen der EU und der Nato-Partnerschaft für den Frieden. Dieses Engagement steht im Einklang mit der österreichischen Neutralität, die nicht nur gewahrt bleibt, sondern zugleich Verantwortung für Dialog, Vermittlung und Stabilität in Europa mit sich bringt. 

Ich durfte selbst inzwischen bereits mehrfach an den regelmäßig stattfindenden Gasp-GSVP-Treffen aller EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, was mir wertvolle Einblicke in die gemeinsamen sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene ermöglicht hat. Auch in Zukunft wird Österreich seine Möglichkeiten zur Mitgestaltung in diesen Politikbereichen gezielt nutzen, um europäische wie auch nationale außen- und sicherheitspolitische Interessen wirksam zu vertreten.

Weiters – ich habe es auch bereits erwähnt – ist die OSZE, also die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für mich ein sehr wesentliches Instrument für den Erhalt von Sicherheit und Frieden in Europa und darüber hinaus. Ihre Rolle als Dialogforum für alle Mitgliedsländer macht sie gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen unverzichtbar. Besonders schätze ich die breite Expertise der OSZE in zentralen Bereichen wie Monitoring, vertrauensbildenden Maßnahmen, Rüstungskontrolle, Reformunterstützung und dem Konzept umfassender Sicherheit. Diese Kompetenzen werden auch in einer künftigen Postkonfliktphase in der Ukraine von entscheidender Bedeutung sein.

Ich durfte selbst bereits im Rahmen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE aktiv mitwirken. So habe ich etwa an einer Konferenz in Armenien teilgenommen und war im Rahmen von Wahlbeobachtungsmissionen in Usbekistan und erst vor Kurzem in Albanien im Einsatz. Diese Erfahrungen haben meine Überzeugung gestärkt, dass die OSZE ein unverzichtbares Instrument für Frieden, Stabilität und demokratische Entwicklung bleibt.

Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage steht Europa vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen, die ein hohes Maß an Zusammenhalt und strategischer Weitsicht erfordern. Die anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine zeigt deutlich, wie ernst die sicherheitspolitische Lage ist. Laut dem am 19. März 2025 veröffentlichten Weißbuch zur europäischen Verteidigung wird Russland auch langfristig eine zentrale Bedrohung für Europas Sicherheit bleiben. Gleichzeitig sieht sich Europa einer Vielzahl hybrider Gefahren gegenüber – wir haben es auch bereits gehört –: von Cyberangriffen über Sabotageakte und gezielte Desinformationskampagnen bis hin zur Instrumentalisierung von Migration; aber auch sicherheitspolitische Folgen des Klimawandels dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, der globale Wettlauf um Schlüsseltechnologien und kritische Rohstoffe sowie die anhaltende Gefahr von terroristischen Bedrohungen. Auch die strategische Neuausrichtung der USA und die damit verbundene Infragestellung ihrer traditionellen Rolle als Sicherheitsgarant Europas stellen die europäische Sicherheitsarchitektur auf die Probe.

Die sicherheitspolitische Lage ist also herausfordernder denn je, und Österreich reagiert. Wir haben es auch von der Frau Bundesministerin bereits gehört: Wir investieren unter anderem mehr in unsere Landesverteidigung und beteiligen uns aktiv an der Weiterentwicklung der europäischen Verteidigungsunion. Zugleich setzen wir auch auf unsere Stärke als Brückenbauer, etwa – die Frau Ministerin hat es am Schluss noch gesagt, und ich finde das auch sehr wichtig – durch unsere Bewerbung für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Jahre 2027 und 2028, denn Sicherheit ist nicht nur militärisch, sie ist auch diplomatisch, ökonomisch, sozial und humanitär.

Ein umfassendes Sicherheitsverständnis heißt aber auch: Wir müssen unsere Bevölkerung einbinden. Sicherheit beginnt im Bewusstsein der Menschen. Deshalb brauchen wir mehr sicherheitspolitische Bildung, mehr öffentliche Debatten und eine stärkere Einbindung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch den geplanten Sicherheitsdialog in den Bundesländern. Das dient auch der Bewusstseinsbildung für Risiken und Bedrohung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal das Wesentliche betonen: Außen- und Sicherheitspolitik betrifft nicht nur die Politik, sie betrifft Unternehmen, Familien, jeden Einzelnen von uns. Sie entscheidet mit über unseren Wohlstand, unsere Freiheit und unsere Zukunft. In einer Zeit globaler Umbrüche braucht es mehr denn je eine klare Haltung, vorausschauendes Handeln und den Willen zur Zusammenarbeit auf europäischer wie internationaler Ebene. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Außen- und Sicherheitspolitik kein abstraktes Konzept ist, sondern gelebte Realität – für Österreich, für Europa und für eine friedliche Welt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

9.44

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.

RN/7

9.45

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Herzlichen Dank für diese Debatte. Liebe Frau Außenministerin, Sie wissen, dass ich Sie persönlich sehr schätze, aber ich muss trotzdem eine kleine Anmerkung zu Ihrer Rede machen: Die Neutralität als Fußnote darzustellen, ist mir ehrlich gesagt zu wenig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde die Neutralität kein Wackelpudding, sondern die Neutralität steht in unserem Beitrittspapier verschrieben. Die österreichische Neutralität ist der unverwechselbare Beitrag Österreichs für Sicherheit und Frieden in Europa: So steht es in unserem Beitrittspapier. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Deshalb unterstreichen wir, dass die Bewältigung der vielen Krisen, deren Analyse wir teilen – ja, es gibt viele Krisen –, die Bewältigung der Verwundbarkeit Europas aber bei Gott doch nicht nur eine militärische sein kann. 

Wir hatten gestern EU-Ausschuss. Zu meinem Entsetzen war da eine Akte nach der anderen, in der es nur um den einzigen Gewinner der jetzigen Zeit, die Rüstungsindustrie, geht. (Zwischenruf des Bundesrates Zauner [ÖVP/NÖ].) Da wird das Herzstück Europas, die Kohäsion, zugunsten der Verteidigungs- und Rüstungsindustrie aufgeweicht.

Beim Europäischen Sozialfonds geht es aber um etwas anderes: Da geht es um Beschäftigung, Bildung, Ausbildung und Armutsbekämpfung – und jetzt verlagern wir das in die Rüstungsindustrie. Das darf doch nicht wahr sein! (Beifall bei der SPÖ.) Die Aktien der europäischen Rüstungsindustrie explodieren nach oben, und gleichzeitig entziehen wir der Armutsbekämpfung und der Bildung das Geld. Das ist ein Armutszeugnis in Europa und das kann nicht sein.

Weiter: Das Safe-Programm hatten wir gestern auch. Das Safe-Programm – so wurde es uns am Anfang von einem Ministerium erklärt – hat gar nichts mit Aufrüstung zu tun. Nein, es ist nur eine Säule des Aufrüstungsprogramms der Europäischen Union, und in dieses Safe-Programm werden weitere 150 Milliarden für Anleihen verlagert, wobei – die Fußnote jetzt – sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Finanzministerium der Meinung waren, dass das für Österreich sozusagen völlig uninteressant ist, weil Österreich, das Bundesheer eine viel günstigere Beschaffung als zum Beispiel dieses Safe-Programm hat. (Zwischenruf des Bundesrates Ruprecht [ÖVP/Stmk.].)

Das ist derzeit der Befund, und wir müssen sagen: Es führt kein Weg vorbei an Multilateralismus, es führt kein Weg vorbei an den internationalen Organisationen. Meine Vorrednerin hat die OSZE gewürdigt, die würdige ich auch, aber ich möchte auch noch die OECD nennen und nicht zuletzt den Europarat, der mit 127 Konventionen die Bürger und Bürgerinnen Europas schützt: von Medikamentenkriminalität, über – weil ich gerade Dr. Mertel sehe – die Konventionen Europas in Sachen Sport, die vom Europarat kommen, und so weiter und so fort, bis zum Behandeln von Menschen in Würde und gegen die Tortur. Das sind alles Dinge, auf die wir stärker reagieren müssen, aber das ist nicht nur alles eine Frage von Rüstung, das ist eine Frage des Dialogs. 

Deshalb, liebe Frau Außenministerin, mein volles Bekenntnis zur und meine volle Unterstützung für die Bewerbung Österreichs in den UN-Sicherheitsrat. Genau dort gehören wir hin. Wir sollen aber auch eine Rolle mit friedenssichernden Maßnahmen spielen, wie wir das ja in der Vergangenheit auch getan haben – also nicht friedensschaffend, sondern friedenssichernd, denn das ist ein großer Unterschied für ein neutrales Land. 

Allerdings, Libanon, liebe Frau Außenministerin: Da waren wir, das Bundesheer, die führende Truppe. Diese wurde leider – gegen den Willen der Soldatinnen und Soldaten – schmählich abgezogen und durch Truppen der Insel Fidschi ersetzt, die für ein gebirgiges Gebiet wie die Golanhöhen überhaupt nicht ausgerüstet waren. Wir haben dann das militärische Gerät zurückgelassen, damit die Insulaner sich dort in Sicherheit bewegen können. 

Es ist auch sehr bedauerlich, dass wir unser Ausbildungscamp verloren haben, nämlich auf Zypern. Auf Zypern konnten wir alle Soldaten und Soldatinnen für internationale Missionen in einer relativ friedlichen Umgebung ausbilden. Wenn man heute durch die Kasernen an der Demarkationslinie, in Nikosia zum Beispiel, geht, ist alles auf Österreichisch oder Wienerisch angeschrieben, denn das Bundesheer war dort über 40 Jahre lang. Wir können schon stolz darauf sein, was das Bundesheer geleistet hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) 

Ich kann mich erinnern, dass ich einmal in Tuzla war, in Bosnien. Damals hat gerade das österreichische Bundesheer das Oberkommando über die Friedenssicherungstruppen übernommen. Da leisten wir etwas, und das ist sicher richtig. Für diese friedenssichernden Einsätze gehören unsere Truppen auch entsprechend ausgerüstet, das ist gar keine Frage. 

Was wir aber auch im Auge behalten müssen, ist: Frieden, Sicherheit und Entwicklung in Europa werden nicht ohne irgendein Verhältnis zu Russland möglich sein. Es muss, wenn Putin nicht mehr ist oder wie auch immer sich die Situation in Russland darstellt, irgendwann wieder zu einem Dialog mit Russland kommen. 

Wir müssen auch all diese wahnsinnigen – und da unterstütze ich die Frau Außenministerin – hybriden Bedrohungen und Cyberbedrohungen, die Trolle und Fakes, die sozusagen herumschwirren, alles vergiften und Einfluss auf unsere Rechtsordnung, auf unsere Meinungsbildung nehmen, mit Wachsamkeit verfolgen. 

Aber am Multilateralismus führt kein Weg vorbei; das ist etwas, was wirklich notwendig ist. Eine Gemeinsame Außenpolitik? – Ja! Aber warum ist denn Europa verwundbar? – Europa ist verwundbar, weil einige Staaten wie zum Beispiel Ungarn oder Regierungschefs ausscheren und gar kein Interesse an einer gemeinsamen europäischen Politik haben. Das ist etwas, was uns viel, viel schwächer macht, wenn wir hier nicht mit einer Sprache sprechen. 

Kommen wir zu einer Diskussion, die wir derzeit in Europa in einigen Staaten bedauerlicherweise haben: Das ist das Aufschnüren der Menschenrechtskonvention. Ich traue mich, für meine Fraktion hier zu sagen: Nicht mit uns! Die Europäische Menschenrechtskonvention und der darauf fußende Europäische Menschenrechtsgerichtshof ist, wie er ist. Wir sind bei der letzten Sitzung hier im Gedenken an Papst Franziskus aufgestanden. Als Papst Franziskus in Straßburg war und vor den europäischen Institutionen gesprochen hat, war ich mit Herrn Amon von der ÖVP auch dort. Dort hat er etwas gesagt, was für einen Kirchenführer bemerkenswert ist: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof – jetzt nicht Gott, sondern der Europäische Menschenrechtsgerichtshof – ist das Gewissen Europas. Und daran sollten wir festhalten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder [Grüne/W].) 

Ich weiß, dass es in einigen Staaten derzeit Bemühungen gibt, die Menschenrechtskonvention aufzuschnüren und zu ändern. – Nein, das darf nicht sein und das bedarf wirklich Widerstands, denn das ist eine der größten Errungenschaften: erstens, eine Menschenrechtskonvention zu haben, die zum Beispiel die Todesstrafe und so weiter ausschließt, und gleichzeitig einen eigenen Gerichtshof zu haben, der genau über diese Fälle wacht und richtet. So etwas nennt man Menschlichkeit und eine Entwicklung der Humanität, wie es, glaube ich, kein anderes Beispiel auf dieser Welt gibt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder [Grüne/W].) 

9.55

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.

RN/8

9.55

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Danke, Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuseher via Livestream! Solange diese Regierung, die aktuelle Regierung, und insbesondere die NEOS weiter so eine Außen- und Sicherheitspolitik betreiben, fürchte ich, dass Österreich noch mehr auf der Strecke bleiben wird als bisher. (Beifall bei der FPÖ.) 

Waren die Aktivitäten von Außenminister Schallenberg auf internationaler Ebene schon spannend, gab es aber bei ihm doch auch lichte Momente, als er im Jänner 2023 zur gemäßigten Haltung gegenüber der Aggression Russlands aufrief – Sie erinnern sich vielleicht, und da schließe ich jetzt bei Kollegen Schennach an –, womit er natürlich dort, vor allem in der Ukraine, nicht auf besondere Gegenliebe gestoßen ist. Mittlerweile wissen wir aber – und davor kann sich keiner verschließen, Kollegin Schwarz-Fuchs hat die Wirtschaft in Europa angesprochen –, dass die Russlandsanktionen hauptsächlich der europäischen Wirtschaft, vor allem auch der österreichischen Wirtschaft, geschadet haben und immer noch schaden. 

Gott sei Dank, Frau Minister, agieren Sie da jetzt ganz anders. Gleich nach Ihrer Ministerweihe sind Sie zuerst in die Ukraine gereist und haben Selenskyj Geld der österreichischen Staatsbürger, der österreichischen Steuerzahler überbracht. Sie treten zurzeit, auch dort, wie eine EU- und Nato-Gesandte auf und nicht wie die Außenministerin des neutralen Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses problematische Amtsverständnis schadet den Interessen und der Sicherheit unserer Heimat und unserer Bevölkerung, wie in Wirklichkeit überhaupt diese gesamte Regierung. Außenpolitisch erfährt man außer den typischen NEOS-EU-Schwärmereien auch nichts Greifbares. So wollen Sie der US-Zollstrategie einen Boykott von Jeans, Bourbonwhiskey und Harley-Davidson-Motorrädern entgegenhalten und glauben, Sie können damit Herrn Präsidenten Trump schaden. Sie trommeln auch weiter für Freihandelsabkommen auf der ganzen Welt inklusive Mercosur. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Weil wir schon über Ihre internationale Kampagne für einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat geredet haben: Liebe Frau Minister, 20 Millionen Euro zu investieren, obwohl wir in Österreich ein Sparpaket haben, aber dafür in New York einen millionenschweren Sitz bekommen, das finde ich ziemlich spannend. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Da gratuliere ich Ihnen und auch der ganzen Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Anstatt sich für Frieden, Diplomatie und eine eigenständige österreichische Verteidigungspolitik einzusetzen, fordern Sie nichts anderes als die bedingungslose Gefolgschaft gegenüber Brüssel und eine Verteidigungsunion mit der EU mit einem militärischen Beitrag Österreichs. Wenn Sie und die NEOS von Neutralität sprechen, steckt dahinter eine geplante Aushöhlung oder sogar die Auflösung dieser Neutralität – da bin ich jetzt auch bei Kollegen Schennach –: Auch diesbezüglich vertreten wir diese Standpunkte nicht. Neutralität ist nichts Knetbares, vor allem nicht die Art von Neutralität, die bei uns im Staatsvertrag steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Junos, liebe Frau Minister, fordern den Zusammenschluss der Mitgliedstaaten zu den Vereinigten Staaten Europas. Was das bedeutet, liebe Kollegen hier im Bundesrat, brauche ich Ihnen, glaube ich, nicht zu erklären. Das wäre das Ende des Föderalismus in Österreich, es gäbe keine Landesregierungen mehr, nur mehr Landes- und Verwaltungseinheiten ohne politisches Mitspracherecht. Wie, glauben Sie, soll das weitergehen?! Weiters findet man dort die Konsolidierung und Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Kommission sowie die Integration der nationalen Streitkräfte und des Eurokorps zu einer gemeinschaftlichen Europaarmee. Das ist die Zukunft.

Das Allerbeste aber findet man auf der Homepage der Junos: „Wer denkt, die Neutralität schützt uns, irrt“. (Bundesrätin Kittl [Grüne/W]: Das stimmt auch! – Bundesministerin Meinl-Reisinger: Das stimmt ja auch!) Das ist ein Werbeslogan der NEOS. Und glauben Sie mir, kein Mensch, kein - - (Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: ... das hat sich auch nicht verändert!) Das steht so auf der Homepage der NEOS. (Bundesministerin Meinl-Reisinger: Das sagen ja die Österreicher mehrheitlich auch mittlerweile! Das wissen die Österreicher auch schon!) Das glauben aber nur Sie, Frau Minister. Kein Mensch, weder die Errichter des Staatsvertrages noch irgendein vernünftiger Staatsbürger glaubt, oder glaubte jemals, dass uns die Neutralität gegen militärische Aggression schützt (Bundesrat Schreuder [Grüne/W]: Wegschauen! Abschotten!), aber haben Sie Kollegen Schennach nicht zugehört? – Die Neutralität ist mehr als nur ein Schutzschirm gegen Aggression. Ich glaube, damals waren sich die Errichter des Staatsvertrages schon einig, dass das nicht so ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen, dass die immerwährende österreichische Neutralität auch im Verfassungsrang steht. Also scheinbar haben da einige beim Festakt anlässlich 70 Jahre Staatsvertrag, der vor Kurzem stattgefunden hat, nicht wirklich gut zugehört. Darüber hinaus hat der außenpolitische Sprecher der NEOS, Herr Veit Dengler, vor Kurzem bei einer TV-Diskussion auf die Frage, ob Österreich unter einen europäischen Schutzschirm schlüpfen und trotzdem neutral bleiben könne, interessanterweise gesagt: Nein, wir sind ja nicht neutral. Das ist ja auch so eine Sache. Wir sind Teil der Europäischen Verträge der Europäischen Union, und da gibt es eine gegenseitige Beistandspflicht. – Da ist das, von dem Sie (in Richtung Bundesministerin Meinl-Reisinger) vorhin schon gesprochen haben. Der dort auch anwesende frühere SPÖ-Nationalratsabgeordnete Josef Cap hat sich darüber schwerstens empört. (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Guter Mann!) Er hat gesagt: Wir sind natürlich neutral, das steht überall drinnen. Und: Es sei brandgefährlich, sich an die Nato und an Sky Shield dranzuhängen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: Das stimmt ja nicht! Die Schweiz ist dabei!)

Ich gratuliere dieser Regierung aus ÖVP und SPÖ, die sich mit den NEOS einen genialen Partner ins Boot geholt hat, der die Auflösung des Staates Österreich im Parteiprogramm hat! (Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: Die Schweiz ist dabei! Die Schweiz ist auch dabei!) Statt dass wir uns als Friedensvermittler - - Wollten Sie etwas sagen, Herr Kollege? (Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: Die Schweiz ist auch dabei!)  Ja, sehr gut. Das ist ein gutes Beispiel, dass wir uns jetzt mit der Schweiz vergleichen wollen. (Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: Na ja, Neutralität! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Da hat es was, glaube ich. (Bundesministerin Meinl-Reisinger: Er verrennt sich, glaube ich! – Ruf bei der ÖVP: Das steht nicht am Zettel oben!) Statt dass wir uns als neutraler Staat in dieser heiklen Situation als Friedensvermittler starkmachen und uns für Friedensverhandlungen anbieten und empfehlen, heulen wir im Chor der europäischen Wölfe mit, gefährden in Wirklichkeit unser Land und finanzieren eine Kriegspartei – das müssen wir beim Namen nennen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Sie gefährden Europa! Nur Sie!)

Für uns Freiheitliche ist eine solche Außen- und Sicherheitspolitik mehr als nur verwerflich. (Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Sie gefährden unsere Sicherheit, Herr Samt, ausschließlich Sie!) Wir wollen unsere Neutralität ernst nehmen und diese nicht weiter aushöhlen lassen. Schon gar nicht wollen wir bei einem Militärbündnis wie der Nato oder der Europäischen Armee mitmachen oder dieser beitreten. Wir sind seit Jahrzehnten UNO-Mitglied, das ist bereits erwähnt worden, und in diesem Rahmen sind unsere Soldaten auf der ganzen Welt in vielen Krisengebieten im Einsatz. Sie leisten in diesen Krisengebieten seit vielen, vielen Jahren hervorragende Arbeit und setzen dort nicht zuletzt ihre Gesundheit und ihr Leben ein. Das ist für einige Kollegen hier offenbar spaßig. Zuerst gehört bei uns in Österreich das Bundesheer ordentlich aufgerüstet und modernisiert, damit unsere Landesverteidigung wieder diesen Namen verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Sehr gut! Das macht die Bundesregierung!)

Daran sollten wir denken, und nicht an eine engere Zusammenarbeit Österreichs mit der Nato oder solchen Projekten wie Sky Shield. Das sind alles Fehlentwicklungen, die mit unserer Neutralität nicht vereinbar sind und letztendlich dem Status und der Souveränität unseres Österreich massiv schaden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesministerin Meinl-Reisinger: Sie verrennen sich da ein bissl argumentativ, glaube ich!)

10.05 

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer weiteren Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

RN/9

10.05

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Danke vielmals. – Ich möchte ein bisschen auf das hier Gesagte eingehen, zunächst auf das Thema internationale Organisationen – von denen wir glücklicherweise einige hier in Wien beheimaten dürfen –: Es ist die OSZE angesprochen worden, wir sind aber auch UNO-Sitz. Darüber hinaus sind noch über 50 andere internationale Organisationen in Wien beheimatet, und das ist gut, wichtig und richtig so.

Vielleicht ganz konkret zur OSZE: Die OSZE ist eine wichtige Organisation, wie ich glaube, die im Moment aber, da muss man ehrlich sein, nicht sehr handlungsfähig ist. Warum ist das so? – Weil sie im Konsens entscheidet und – das ist eigentlich gut in so einer Situation – sowohl Russland als auch die USA als auch die Ukraine dort Mitglied sind. Wichtig ist, solch eine internationale Organisation nicht abzuschreiben, wenn sie in der derzeitigen Kriegssituation nicht zu einstimmigen Beschlüssen kommen kann, sondern sich aktiv vorzubereiten – und das habe ich letzthin mit dem Generalsekretär besprochen –, dass natürlich die OSZE dereinst, wenn wir hoffentlich einen langen, gerechten und anhaltenden Frieden in der Ukraine haben, eine Rolle einnehmen kann und soll. Ich bitte Sie, das auch zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Ich freue mich, dass der Europarat in diesem Zusammenhang angesprochen wurde. Das ist auch ein Beitrag zur Friedenssicherung oder zur Unterstützung der Ukraine, da es in unserem, im ureigensten Interesse Österreichs ist, dass die, die Gesetze brechen, auch bestraft werden. Ich freue mich sehr, dass wir in Österreich sehr maßgeblich daran beteiligt waren, gemeinsam mit dem Europarat ein Sondertribunal für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine auf den Weg zu bringen. Für alle, die es interessiert: Nehmen Sie sich das Römer Statut und daraus den Artikel betreffend Verbrechen der Aggression her. Lesen Sie sich das durch und sagen Sie mir, welches der dort genannten Kriegsverbrechen Russland eigentlich nicht begangen hat. Sie werden keines finden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Ich höre aus den Redebeiträgen aber auch etwas sehr Positives heraus, nämlich ein Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung. Denn auch wenn man sagt: Nein, wir wollen nicht Mitglied der Europäischen Union sein!, und das entnehme ich den Redebeiträgen der FPÖ – ich meine, wir sind Mitglied der Europäischen Union, die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik steht in unserer Verfassung, wie auch der Beitrag zu einer Verteidigungsunion; das gefällt Ihnen (in Richtung FPÖ) nicht, Sie wollen den Austritt, das ist in Ordnung; ich finde das nicht gut, ich glaube, das würde uns ärmer, schwächer und weniger geschützt machen (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]) –, wenn man als Insel, als neutrales Österreich über umfassende Landesverteidigung spricht, dann bedeutet das sehr wohl, dass man in die Verteidigungsfähigkeit investieren muss – und das ist nun einmal militärisch. Das mag einem gefallen, lieber Herr Kollege Schennach, oder nicht. Mir wäre es auch lieber, wir würden das Geld im Sinne einer Friedensdividende in Bildung investieren. (Beifall der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) Wobei: Das tun wir übrigens, diese Bundesregierung investiert mehr in Bildung, als das Vorgängerregierungen getan haben. Die Zeiten sind aber nun einmal nicht so.

Verteidigung braucht es aber nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich, Stichwort einseitige Abhängigkeit von einem Gaslieferanten in Russland. Und auch geistige Landesverteidigung braucht es, und deshalb freue ich mich auch, dass wir das Thema der Resilienz und auch der Wehrhaftigkeit in diesen Foren, in den Bundesländern, auch diskutieren werden, weil eine Stärkung der Wehrhaftigkeit der Bevölkerung nur gemeinsam mit der Bevölkerung möglich ist.

Was ich jetzt schon noch einmal ansprechen möchte, ist das Thema, das Sie (in Richtung Bundesrat Samt [FPÖ/Stmk.]) angesprochen haben: unsere Haltung im Ukrainekrieg. Ihre Aussage, man brauche eine gemäßigte Reaktion auf Russland, müssen Sie einmal den Ukrainerinnen und Ukrainern erklären (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]), deren Kinder verschleppt wurden, deren Mütter und Väter ermordet wurden. Dort werden Zivilisten auf Spielplätzen zerbombt – erst letzte Nacht, vorletzte Nacht, die Nächte davor mit Drohnen, mit Raketen, durch einen Bombenhagel. Und da sagen Sie: Na, bitte, es braucht eine gemäßigte Reaktion auf den Aggressor! – Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, und das ist übrigens auch nicht im Einklang mit der UN-Charta. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Dann kommen Sie daher und sagen – und damit machen Sie ja russische Propaganda –: Die Sanktionen wirken nicht, die schaden uns mehr! – Ich weiß eh, das will ja der Kreml gerne, dass ihr das hier erzählt. (Bundesrat Zauner [ÖVP/NÖ]: Freundschaftsvertrag!) Aber das Gegenteil ist der Fall! Das Gegenteil ist der Fall! Selbstverständlich wirken die Sanktionen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Genau! Weil alles so billig geworden ist ...! Weil die Energie so billig geworden ist! ..., ihr seid eine echte Wirtschaftspartei!) wirtschaftlich. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) Russland ist am absteigenden Ast, hat enorm hohe Zinsen zu zahlen, und was wir brauchen, ist Geduld. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, genau!) Was wir aber auch brauchen, ist – es ist angesprochen worden – Einigkeit in Europa beim Thema Verschärfung der Sanktionen, und das ist mit Ungarn sehr schwierig, weil diese Sanktionen umgangen werden. Jetzt sage ich Ihnen, wie sie zum Beispiel umgangen werden: indem Russland Schiffe, die nicht gewartet werden, mit Rohöl befüllt und dann unter falscher Flagge versucht, die Sanktionen zu umgehen. 

Dagegen sind wir als Europäische Union jetzt gerade entschieden vorgegangen. Ich halte das für wichtig und richtig, weil wir nicht die Kriegsmaschinerie von Putin finanzieren wollen, und andererseits, sage ich Ihnen auch, eine ökologische Katastrophe drohen kann, wenn da irgendwelche Schiffe, die seit 20 Jahren nicht gewartet wurden, im Baltischen Meer mit Rohöl herumfahren und dann vielleicht lecklaufen. Das ist kluge Politik, und ich sage Ihnen ehrlich: Sie verrennen sich hier komplett. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Ein Letztes noch, weil Sie unsere Friedenseinsätze und den UN-Sicherheitsrat gelobt haben: Ja, das tun wir, und wir sind stolz darauf – Friedenssicherung, auch Friedensschaffung, aber Friedenssicherung. Im Rahmen der UNO tun wir das, und ja, das kostet Geld. Das gibt es auch nicht zum Nulltarif. Sie müssen sich schon entscheiden: Entweder ist Ihnen die UNO wichtig, Friedenssicherung wichtig, dann muss man das ordentlich und gescheit machen und braucht eine gesamtstaatliche Anstrengung – ich lade Sie gerne dazu ein –, oder man lässt es und begibt sich in den Isolationismus. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

10.11

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Stellungnahme.

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf. 

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Manuela-Anna Sumah-Vospernik. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen. 

RN/10

10.12

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist mir eine unfassbare Ehre, die allererste liberale Außenministerin der Zweiten Republik im Bundesrat willkommen heißen zu dürfen. Sehr geehrte Frau Außenministerin, liebe Beate, in deiner bisherigen Amtszeit hast du beeindruckt und zahlreiche neue Akzente gesetzt.

Unter deiner Führung steht Österreich ganz klar an der Seite der Ukraine – wir haben es gerade gehört –, holt aber auch die Staaten des globalen Südens als Vermittler an Bord. Unter deiner Führung ist Österreich ein klarer Unterstützer der EU-Perspektive des Westbalkans, tritt aber zugleich unmissverständlich gegen Autokraten in dieser Region auf. Unter deiner Führung hält Österreich intensiven Kontakt mit allen Nachbarstaaten, einschließlich Ungarns, lässt dabei aber die LGBTQ-Community nicht im Regen stehen.

Besonders schön ist, dass du ganz zu Beginn deiner Amtszeit im UNO-Sicherheitsrat das Wort ergriffen und damit Österreichs Bewerbung um den Sitz im Sicherheitsrat tatkräftig unterstützt hast – wir haben es heute schon gehört –, denn gerade heute braucht es in der Staatengemeinschaft ein Land wie Österreich, das sich unmissverständlich zum Primat des Völkerrechts und zur multilateralen Zusammenarbeit bekennt. Die UNO wird sehr oft unter ihrem Wert geschlagen und missverstanden, vielleicht weil sie Prinzipien hochhält, die so unerreichbar fern von der harten Realität zu sein scheinen. Wir dürfen aber niemals vergessen, welche Erfahrungen den Vereinten Nationen vorausgegangen sind, nämlich jene des unfassbaren Menschheitsverbrechens des Holocaust und das Morden des Zweiten Weltkriegs. 

Es ist wichtig, dass wir uns ständig auf diese Prinzipien besinnen: etwa das absolute Gewaltverbot und Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ – Wenn wir alle diesen Satz wirklich ernst nehmen würden, wäre die Welt ein friedlicher Ort. 

Ich selber hatte das große Privileg, im Jahr 2000 ein Internship in der Treaty-Section der Vereinten Nationen in New York zu absolvieren, und ich durfte damals auch der Hinterlegung einer Ratifizierungsurkunde des Römischen Statuts beiwohnen. Die unfassbare Bescheidenheit der Zeremonie, in einem einfachen Raum, mit wenig anwesenden Personen, hat mich sehr beeindruckt. Welchen Unterschied eine Unterschrift machen kann! Es schmerzt, wie dieses wegweisende Dokument heute zum Spielball für kurzsichtige politische Interessen geworden ist. 

Das beeindruckendste Erlebnis in der UNO war aber sicher das Kennenlernen von Kofi Annan, der das Amt des Generalsekretärs mit einer unglaublichen Eleganz und Würde bekleidet hat und damit die Welt inspiriert hat.

Vor dem UNO-Headquarter steht ja die bekannte Skulptur einer Waffe mit verknotetem Lauf. Sie versinnbildlicht das absolute Gewaltverbot, ein Grundprinzip der UNO-Charta. Was aber oft übersehen wird, ist, dass im Artikel 51 der Charta auch ein explizites Recht auf Selbstverteidigung festgeschrieben ist. Darin heißt es: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“

Der Nahostkonflikt beschäftigt uns jetzt seit fast acht Jahrzehnten. 1948 haben die Vereinten Nationen einen Teilungsplan für eine Zweistaatenlösung vorgelegt. Der neue Staat Israel wurde aber von seinen arabischen Nachbarn nie anerkannt, sondern sofort angegriffen und hat seitdem Krieg um Krieg führen müssen. In all diesen Kriegen hat Israel seine Kontrolle über die Palästinensergebiete ausgedehnt, mit Armeepräsenz, Siedlungen, Mauern, und jetzt soll auch der Gazastreifen geräumt werden. Ich frage mich aber: Ist Israel durch all die Kriege, durch all die Mauern sicherer geworden? Am 7. Oktober 2023 wurden auf israelischem Staatsgebiet mehr als 1 200 Menschen bestialisch ermordet, weitere 200 Menschen entführt, und viele sind immer noch nicht zu Hause. 

Und was ist mit den Palästinensern? – Sie sind nach dem ersten verlorenen Krieg zu Hunderttausenden vertrieben worden. 1967 hat Israel im Sechstagekrieg die Kontrolle über die palästinensischen Gebiete übernommen und sie seither nicht mehr hergegeben. Nach einem zwischenzeitlichen Abzug aus dem Gazastreifen hat sich die Hamas etabliert. Also frage ich mich: Hat der jahrzehntelange Terror und Befreiungskampf die Palästinenser ihrem Traum nach Selbstbestimmung näher gebracht? 

Österreich steht ganz klar und unmissverständlich an der Seite Israels. Gerade deshalb ist es uns ein so großes Anliegen, Israel und den Palästinensern aus der derzeitigen Sackgasse herauszuhelfen. Die Lösung kann aber letztendlich nur von beiden Parteien von innen heraus erfolgen.

Wir erinnern uns: Österreich hat seinen wahren Frieden auch erst gefunden, als es die Verantwortung seiner Mitschuld ganz klar übernommen hat. Österreich ist aufgrund seiner Geschichte und seiner klaren Positionierung einer der wenigen Staaten weltweit, der in der jetzigen verfahrenen Situation noch einen fruchtbaren Austausch sowohl mit Israel als auch mit den Palästinensern leisten kann. 

Sehr geehrte Frau Außenministerin, liebe Beate, die Welt braucht gerade heute starke, mutige Frauen wie dich, die alles dafür tun, damit wir wieder in Sicherheit und Frieden leben können. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Aber wir lassen dich damit nicht allein. Wir alle, Politiker:innen und Zivilgesellschaft, müssen alles dafür tun, die Welt dem Ziel von Freiheit und Sicherheit wieder jeden Tag ein Stück näher zu bringen – mit Zuversicht, Hoffnung und, ja, Liebe, denn mit einem hatte JJ sicher recht: „Love is never wasted“. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Love is never wasted – genau!)

10.17

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. 

RN/11

10.17

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich glaube, es ist vieles in dieser Debatte hier schon gesagt worden. Wir diskutieren über einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Ich möchte ein bisschen auf die Diskussion, die wir bislang hatten, reflektieren und darf mit dem Fraktionsobmann der SPÖ beginnen. – Ehrlich gesagt, Stefan, ganz habe ich noch nicht das Gefühl, hier einen Koalitionspartner reden zu hören. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) 

Eine künstliche Aufregung über von der Außenministerin nicht Gesagtes als Einleitung der Rede finde ich wirklich unpassend – weil die Frau Außenminister nicht länger als 1 Minute über die Neutralität gesprochen hat. Das als Ansatzpunkt zu nehmen, um ihr zu unterstellen, sie wäre nicht für die Neutralität, halte ich für polemisch und für peinlich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Der nächste Punkt ist, dass ich sage: Man darf doch unterschiedliche Meinungen haben, und gerade in der Sicherheitspolitik darf man natürlich unterschiedliche Ansätze haben, wie man mit den Konflikten umgeht, wie man mit den Konfliktparteien umgeht, das ist ja gar keine Frage. Im Rahmen der umfassenden Sicherheitspolitik ist natürlich nicht nur die militärische Verteidigung ein wichtiges Thema, es ist auch die wirtschaftliche, es geht auch um die Infrastrukturen und vieles andere mehr. Natürlich geht es auch um die soziale Sicherheit. Die steckt natürlich am Ende des Tages immer dahinter – dass wir wollen, dass es den Menschen gut geht. Den Menschen geht es natürlich auch nur gut, wenn eine soziale Sicherheit gegeben ist. Aber wenn da aus Sicht der Sicherheitspolitik und der Außenpolitik anerkannt wird, dass wir uns wohl irgendwie verteidigen müssen, und wenn wir uns verteidigen können wollen, dann müssen wir auch sicherstellen, dass das theoretisch und praktisch möglich ist. 

Das ist einfach die notwendige Voraussetzung. Jemand, der sich eine Versicherungspolizze kauft, hat ja auch nicht vor, dass er das Haus abfackelt. Das Gleiche gilt in der Sicherheitspolitik. Die Aufrüstung ist natürlich nicht damit verbunden, dass man Europa in die Luft sprengen möchte. Das ist ein völlig absurdes Umdrehen der Notwendigkeiten. Die soziale Sicherheit ist auch nicht gegeben, wenn wir die militärische Sicherheit nicht haben. Also, man muss nicht jeden Gedanken der Frau Außenministerin teilen, aber ich persönlich bin sehr froh darüber, dass sie sich über diese wichtigen Fragen Gedanken macht und sich in diesen wichtigen Fragen engagiert. – Dafür herzlichen Dank, Frau Außenminister. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Ich möchte auch kurz Replik auf den Kollegen von den Freiheitlichen nehmen: Es ist halt immer einfach, wenn man die Welt schwarz und weiß sieht – alles, was Kickl sagt, ist super; alles, was Trump sagt, ist super; alles, was Putin macht, ist super. – Das ist halt ein bisschen schwarz-weiß. Ich sage nicht einmal, dass alles falsch ist, was Kickl sagt. Ich sage auch nicht, dass alles falsch ist, was Trump sagt. Ich sage selbst, dass nicht alle Ausführungen von Putin dazu, wie dieser Konflikt entstanden ist, komplett unrichtig sind. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Aha!)

Niemand darf aber übersehen, wer der Aggressor ist. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Niemand darf übersehen, welches Leid da über die Zivilbevölkerung der Ukraine gekommen ist. Wenn mir jetzt zum Beispiel meine Kollegin Geieregger, die die Vorsitzende des EU-Ausschusses ist, erzählt, dass sich die Freiheitlichen beim nächsten Cosac-Meeting nicht einmal mit den Delegierten der Ukraine treffen wollen und da sozusagen nicht einmal das Gespräch stattfinden lassen wollen, dann, muss ich sagen, verstehe ich die Welt wirklich nicht, denn so kommt man nicht weiter. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Daher empfehle ich uns allen einen pragmatischen Zugang. Zu dem pragmatischen Zugang gehört auch dazu, dass diese Programme, die jetzt von der EU zu mehr Sicherheit gefahren werden, auch wirtschaftlich nicht unbedeutend sind. Ich bin daher dafür, dass auch Österreich da seinen Beitrag abholt, dass wir auch wirtschaftlich daran partizipieren, was es da an Investitionen gibt. Von dieser Seite wird die ÖVP-Fraktion auf jeden Fall die Frau Außenminister – jetzt könntest du noch korrigieren, ich habe nicht Außenministerin gesagt (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Du lernst ja!), ich sage auch noch einmal Frau Außenministerin – sehr gerne unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

10.23

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Arpa. – Bitte, Frau Bundesrätin. Ich erteile es Ihnen.

RN/12

10.23

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörende hier im Saal und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzter Kollege Himmer, das ist ja so: Demokratie ist etwas, bei dem man aufeinander zugeht und bei dem man sich - - (Bundesrat Spanring spricht mit Bundesrat Himmer.) Herr Kollege Himmer, ich möchte mich gerne - - Herr Kollege Himmer? – Ich würde gerne etwas replizieren. 

Demokratie lebt ja von unterschiedlichen Meinungen und vom Aufeinanderzugehen. Wir arbeiten daran, dass wir eine Koalition machen (Rufe bei der ÖVP: Wir haben eine! – Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP) oder haben. Da dürfen wir auch unterschiedlicher Meinung sein oder unterschiedliche Meinungen haben. Kollege Schennach darf seine Meinung äußern, das ist in Ordnung. (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Ich auch!) – Ja, eben, deswegen passt das ja. Ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, dass das Aufeinanderzugehen etwas ist, das uns in einer Demokratie auszeichnet. (Beifall bei der SPÖ.) – Danke schön.

Wir haben es heute schon öfter gehört: Wir leben in einer Zeit von Unsicherheit, der Spannungen und der großen Umbrüche – geopolitisch, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich. Umso wichtiger ist es natürlich, dass wir uns heute damit auseinandersetzen, welche außen- und sicherheitspolitische Rolle Österreich in Europa einnehmen will und natürlich auch einnehmen muss. Als überzeugte Europäerin bin ich natürlich davon überzeugt, dass sich Österreich aktiv für Frieden, für Sicherheit und auch für den Zusammenhalt in Europa einbringen muss. 

Die großen Aufgaben unserer Zeit – wie Klimawandel, Migration bis hin zu Sicherheitsfragen – können nicht im Alleingang gelöst werden. Sie erfordern Kooperation und natürlich gemeinsame Antworten. Ein Rückzug, was auch heute schon öfter angesprochen wurde, in nationale Alleingänge, wie von manchen Parteien propagiert, führt ja nicht nach vorne, sondern zurück in eine Zeit der Abgrenzung und der Spannungen. Unsere Antwort ist ja klar: Es braucht ein starkes, handlungsfähiges Europa, das auf Solidarität und gemeinsamer Verantwortung aufbaut, denn nur durch Zusammenarbeit bewahren wir unsere Demokratie. 

Wir haben das heute auch schon gehört: Österreich sollte ja Brückenbauer sein oder ist Brückenbauer. Der Multilateralismus wurde schon öfter angesprochen, die Frau Ministerin hat es ja schon zweimal gesagt, denn gerade Österreich als neutraler Staat hat eine besondere Verantwortung. – In Österreich ist der Sitz von internationalen Organisationen. Wir haben eine lange Tradition des Dialogs, Herr Kollege Himmer, und wir dürfen diese Rolle gerade jetzt nicht kleinreden. 50 Jahre Helsinkischlussakte, 30 Jahre OSZE: Diese Jubiläen erinnern uns daran, was durch Kooperation möglich ist, nämlich: Vertrauen, Abrüstung und eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Modell hat allerdings Risse bekommen – das haben auch Sie vorhin schon angesprochen –, ausgelöst durch Russlands brutalen Angriff auf die Ukraine. Gerade jetzt aber müssen wir an den Ideen des Multilateralismus festhalten, denn Frieden entsteht ja nicht über Nacht. Frieden muss vorbereitet werden – mit klarer Haltung und natürlich auch mit klugen Initiativen. Unser Staatssekretär Jörg Leichtfried hat es auf den Punkt gebracht, ich möchte ihn gerne zitieren: „Sicherheit ist unteilbar!“ – Innere und äußere Sicherheit müssen zusammen gedacht werden. – „Ohne innere und äußere Sicherheit gibt es keine soziale Sicherheit. Und ohne soziale Sicherheit gibt es keinen sozialen Frieden.“ – Ich ergänze: Ohne Frieden in Europa verlieren wir beides. 

Um noch einmal den Fokus auf die Ukraine zu lenken: Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre eigene Freiheit, sie verteidigt auch die europäischen Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Selbstbestimmung. Unsere Solidarität mit der Ukraine ist daher nicht verhandelbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der Westbalkan – darauf möchte ich auch noch ganz kurz blicken – gehört zur europäischen Familie. Wir wollen auch die Erweiterung auf Basis demokratischer Grundprinzipien, denn wer wie Serbien zunehmend autoritäre Wege beschreitet, dem müssen wir als EU klare Grenzen setzen. 

Unsere Unterstützung gilt natürlich all jenen, die sich aktiv für Demokratie, für den Rechtsstaat und für die europäischen Werte einsetzen. Bleiben beziehungsweise werden wir Brückenbauer! Bleiben wir nicht Zuschauer, sondern gestalten wir miteinander! Mit Willy Brandt gesprochen, und damit komme ich zum Schluss: Ohne Frieden ist alles nichts. – Ich sage: Ohne gerechten Frieden gibt es keine Sicherheit und ohne Sicherheit keinen Frieden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.28

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Theuermann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.

RN/13

10.28

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Vertreterin der größten, teuersten und schlechtesten (Rufe bei der ÖVP: Ah!) Bundesregierung aller Zeiten! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Schau in die Geschichte rein!) Es ist wirklich interessant, dass ihr das witzig findet, denn wir finden das überhaupt nicht witzig. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: ... 22 und 23! Und: Geschichte lernen! Mit Lesen! – Ruf bei der FPÖ: Es sind immer die Gleichen, die sich melden aus den Zuschauerrängen!) – So, geht’s weiter? 

Frau Bundesministerin, ich muss zugeben, ich freue mich sehr, dass Sie heute hier bei uns anwesend sind, denn so können Sie wenigstens keinen Schaden anrichten und im Ausland Geld beim Fenster rauswerfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Es ist so schön, beleidigend zu sein, oder? – Ruf bei der ÖVP: Es ist so derartig respektlos! – Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Wenn man beleidigend sein kann, das ist etwas Feines!)

Beim derzeitigen außen- und sicherheitspolitischen Blindflug der schwarz-rot-pinken Bundesregierung verwundert einen die Auswahl dieses Themas fast, aber gut, dann sprechen wir über die Ausrichtung Österreichs in diesem Kontext. Sprechen wir darüber, wie die Verliererampel (Zwischenrufe bei der ÖVP) unsere Neutralität mit Füßen tritt! Sprechen wir darüber, wie Sie unsere Verfassung ignorieren!

„Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen“ (Zwischenruf des Bundesrates Thoma [ÖVP/Vbg.]) „und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“ (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Das sind die ersten Sätze ohne Beleidigung gewesen!) – Kommt Ihnen das vielleicht bekannt vor, Herr Kollege? (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Ja, das waren jetzt die ersten Sätze, wo keine Beleidigung drinnen war!) Das ist die Grundlage unserer Neutralität. Das ist unser Neutralitätsgesetz. (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Warum steht da eigentlich keine Beleidigung drinnen?) Dabei handelt es sich nicht um Folklore, sondern diese Bestimmung sollte an jedem Tag ein leitender Grundsatz in außen- und in sicherheitspolitischen Fragen sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wenn es darum geht, den EU-Eliten zu gefallen, dann vergisst die schwarz-rot-pinke Bundesregierung diesen Leitsatz leider nur allzu oft. Aus blinder EU-Hörigkeit heraus unterstützen Sie Sanktionen, die uns mehr schaden als jenen, für die diese eigentlich gedacht waren. Sie unterstützen mit Ihrer Politik indirekt weitere Waffenlieferungen, und damit machen Sie genau das Gegenteil von dem, was ein neutrales Land eigentlich tun sollte, und Sie machen uns zu einem Teil fremder Kriege. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Daran, was wir stattdessen tatsächlich machen sollten, werden wir immerhin jährlich am 26. Oktober erinnert. Nicht umsonst heißt es im Zusammenhang mit unserem Nationalfeiertag im zugrunde liegenden Gesetz auch, dass wir „als dauernd neutraler Staat einen wertvollen Beitrag zum Frieden in der Welt“ zu leisten haben.

Einen Beitrag zum Frieden in der Welt kann Österreich insbesondere als glaubwürdiges neutrales Land leisten (Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Das wir sind! Das wir sind! Seit 1955!), als Ort der Vermittlung, als Ort des Dialogs, als Ort des Friedensstiftens – und das sollte im Zentrum der Ausrichtung Österreichs in gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Fragen stehen. Genau diese Glaubwürdigkeit als neutraler Vermittler wird von der Bundesregierung aber gefährdet, und das gerade in Zeiten, in denen es nun wieder einmal wirklich darauf ankommen würde; denn gerade in schwierigen Zeiten, mit Krieg nur Hunderte Kilometer von unserer Heimat entfernt, ist unsere Neutralität mehr denn je als absolutes Zukunftsmodell zu sehen.

Für uns Freiheitliche ist klar, dass es eine Wiederherstellung einer gelebten Neutralität braucht, einer glaubwürdigen und aktiven Neutralität; und natürlich braucht es eine Außen- und Sicherheitspolitik, die zuallererst die österreichischen Interessen vertritt und unser Land schützt. Diese Bundesregierung ist dazu leider nicht in der Lage. (Bundesrat Schwindsackl [ÖVP/Stmk.]: Na geh!) – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.33 

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Ich begrüße bei uns im Bundesrat Frau Staatssekretärin Eibinger-Miedl recht herzlich. – Willkommen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm. 

RN/14

10.33

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Ganz kurz – da können Sie jetzt gar nichts dafür, Frau Ministerin – zur Präsidiale, an die Mitglieder der Präsidiale, die hier im Raum sind: Findet ihr das wirklich gescheit, das bei der Aktuellen Stunde so umzudrehen? (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Ja, ... gescheit!) Bis jetzt waren wir selbstbewusste Parlamentarier und Parlamentarierinnen, haben gesagt, was uns wichtig ist, und ein Minister, eine Ministerin konnte auf uns replizieren. Das ist jetzt vorbei. Warum habt ihr das gemacht? Ich kann jetzt Wünsche äußern, aber es gibt keine Rede mehr. – Sie können gar nichts dafür, Frau Ministerin. Wir kennen uns eh schon lange genug, dass wir uns austauschen können; aber ich finde das für den Parlamentarismus grundfalsch. Ihr habt den Parlamentarismus weiter ausgehöhlt. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Tosender Applaus!)

So, jetzt aber zur Sache, zur Außenpolitik: Wir stehen ja wirklich vor einer kritischen Phase in der Welt, die Eingewöhnungsphase – wir haben kurz darüber geredet – war natürlich kaum vorhanden. In diesem Augenblick stehen die Herausforderungen, egal in welchem europäischen Land man Außenminister oder Außenministerin wird, haushoch vor der Tür. Das ist eine enorme Aufgabe. Die Kernfrage, die entscheidende Frage, die wir als Österreich uns stellen müssen, ist: Wer sind wir in der Welt, welche Rolle hat Österreich in der Welt? Diesbezüglich habe ich in diesem Raum schon auch eine gewisse Dissonanz in dieser Koalition wahrgenommen, zum Beispiel wenn es um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geht. Diesbezüglich teile ich die Ansicht von Herrn Stefan Schennach, und ich würde mir tatsächlich wünschen, auch vonseiten der Außenministerin, dass es da ein ganz klares Bekenntnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt. 

Es gibt aber auch andere Punkte, und es ist halt unsere Aufgabe als Opposition, jene Punkte zu sagen oder zu benennen, wo wir uns eine andere Politik wünschen würden – neben vielen Dingen, die gut gemacht werden, das möchte ich hier natürlich auch betonen und sagen; wir haben bei der Rede vorhin gehört, welche andere Außenpolitik möglich wäre, die kein Mensch haben wollen kann, nämlich die der Freiheitlichen (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]–: die Kürzungen, die Österreich derzeit bei der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit und dem Auslandskatastrophenfonds macht. Das sind 70 Millionen Euro weniger. Eines muss man schon auch sagen, weil das dann hier auch in den Reden gesagt wird: Wenn man kürzt, kürzt man damit auch bei einem globalen Sicherheitsfaktor. Österreich ist gerade in diesem Bereich – beim Auslandskatastrophenfonds, bei der Entwicklungszusammenarbeit – für viele Partnerländer ein verlässlicher Partner. Diese Verlässlichkeit aufs Spiel zu setzen, bedeutet dann am Ende für diese Länder weniger Solidarität, weniger Stabilität, weniger Verantwortung, die wir übernehmen, weniger Ansehen und weniger Verlässlichkeit. Das halte ich für nicht sehr gescheit. 

In einer Zeit, in der die Konflikte und die sogenannte Nachkriegsordnung absolut über den Haufen geworfen werden, müssen wir uns natürlich auch die Frage stellen, welche Rolle Österreich in dieser Welt spielt. Welche Rolle spielt die Neutralität in dieser Welt? Welche Rolle kann Österreich im Rahmen einer Architektur, die Europa ja eindeutig braucht, spielen? 

Europa braucht ja eindeutig eine Architektur, die uns als Europa auch absichert, denn eines darf man nicht vergessen – das haben wir vielleicht in den letzten Jahrzehnten übersehen –: Es gibt außer Europa niemanden, der die Europäische Union haben will. Die Kräfte, die die Europäische Union zerstören wollen, sind enorm. Niemand auf der Welt will die Europäische Union. Wir – wir! – sind dafür zuständig, ob wir diese Architektur und dieses größte Friedensprojekt aller Zeiten, das es jemals auf diesem Planeten gegeben hat, absichern oder nicht. Das ist nämlich unsere Aufgabe. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schwindsackl [ÖVP/Stmk.] und Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Neutralität kann auf gar keinen Fall das bedeuten oder so zu verstehen sein, wie die Freiheitliche Partei es definiert – zwei von drei Affen, sage ich immer (beide Hände zunächst über die Augen, danach über die Ohren legend) –: nichts sehen wollen, nichts hören wollen, aber halt leider viel reden wollen, nämlich viel reden wollen ohne irgendein Lösungsprojekt. 

Schon Kreisky hat gesagt, dass Neutralität nicht bedeuten kann, dass man bei internationalen Verbrechen wegschaut. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Österreich hat immer hingeschaut. Österreich hat immer gesagt – wenn Völkerrecht verletzt wird, wenn humanitär auf der Welt etwas schiefläuft –: Das ist unsere Aufgabe, auch in einer gemeinsamen europäischen Architektur! Ich sehe da einen Platz für Österreich, und wir sollten diesen Platz selbstbewusst einnehmen, wir sollten diesen Platz stark einnehmen.

Ein Thema muss ich zum Schluss natürlich noch ansprechen: Auch die Klimapolitik ist eines der wichtigsten politischen Themen unserer Zeit. Kein Klimaschutz ist das Teuerste, was wir machen können. Wir müssen gemeinsam in einer globalisierten Welt den Klimaschutz angehen. Das ist die größte ...

10.38

Vizepräsident Michael Wanner: Herr Bundesrat, ich weise darauf hin, dass die 5 Minuten zu Ende sind. (Bundesrat Schreuder [Grüne/W]: Ich bin auch zu Ende, danke schön! – Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrät:innen Himmer [ÖVP/W], Mertel [SPÖ/Ktn.] und Sumah-Vospernik [NEOS/W] für den das Redner:innenpult verlassenden Bundesrat Schreuder [Grüne/W].)

Danke schön. 

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.