Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 134

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zeitig davor warnen. Wir wollen alles tun, um derartige Erscheinungen nicht nach Österreich zu bringen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die dritte Behauptung lautete: Sie machen ein Gesetz, weil Sie ganz einfach schnell etwas machen wollen, um alles, was ein Problem der Sekten ist, zu lösen. – Wir wissen, Kollege Öllinger und Kollege Kier, daß das nur ein Aspekt des gesamten Spektrums ist. Wir wissen, daß zweifellos sehr viel an Wertauseinandersetzung notwendig ist, um die Menschen zu gewinnen, damit sie nicht in die Hände der Sekten gelangen.

Aber wir machen mit diesem Gesetz eines: Wir nehmen erstmals seit dem Jahre 1874 eine substantielle Neuregelung vor, die überhaupt die Chance gibt, eine Art Zwischenstufe für derartige Kategorien vorzusehen, womit die Möglichkeit gegeben ist, wenn gewisse Kriterien erfüllt werden, daß diese Rechtspersönlichkeit sui generis erworben wird. Das ist es, was wir mit diesem Gesetz erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei und sicherlich auch die Sozialdemokratische Partei sind bereit, jederzeit wiederum über neue Aspekte, die dieses Sektenproblem aufwirft, zu diskutieren. Wir haben auch das Angebot gemacht, eine Enquete über die Gefahren von Sekten im Parlament abzuhalten. Es ist möglich, solches zu beschließen.

Wir sind überzeugt davon, daß wir mit diesem Gesetz eine gute Arbeitsgrundlage schaffen, und wir sind der Frau Bundesministerin dankbar, daß sie den Mut aufgebracht hat, nach Jahrzehnten dieses Gesetz ins Hohe Haus zu bringen. Denn es ist notwendig, es ist wünschenswert, und ich glaube, es ist eine gute Grundlage für die nächsten Jahre, um mit all den religiösen Gruppierungen umzugehen. – Wir stimmen mit Überzeugung zu. (Beifall bei der ÖVP.)

20.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.04

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Problematik, was eine Sekte ist, was eine pseudoreligiöse Gemeinschaft ist, was eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist, wurde gerade in den letzten Jahren heftig diskutiert. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, und es wurde in diesen Gesprächen immer wieder der Wunsch geäußert, es solle doch die Möglichkeit geben, kleineren Bekenntnisgemeinschaften, religiösen Bekenntnisgemeinschaften eine Rechtspersönlichkeit zu geben.

Diese Diskussion wurde auch vor dem Hintergrund des Vereinsrechtes geführt. Wir haben all das sehr genau geprüft und gesehen, daß das im Vereinsrecht eben nicht möglich ist. Nach einer jahrelangen Diskussion haben wir uns dann entschlossen, dieses Gesetz zur Möglichkeit einer Rechtspersönlichkeit für religiöse Bekenntnisgemeinschaften vorzulegen.

Es hat niemand behauptet, daß damit die Sektenproblematik absolut gelöst ist, daß es damit nicht mehr passieren kann, daß es pseudoreligiöse Gruppierungen gibt. Es ist aber so, daß durch dieses Gesetz eine gewisse Orientierungshilfe gegeben werden kann. Wenn ich mir anschaue, warum eine Rechtspersönlichkeit gemäß § 5, der schon mehrfach erwähnt wurde, versagt wird, so bezieht sich die Untersagung auf Artikel 9 der Menschenrechtskonvention. Im Anschluß daran gibt es Erläuterungen, welche Gründe es dafür gibt. Diese Erläuterungen wurden vorgenommen, um den Empfehlungen aus dem Begutachtungsverfahren zu entsprechen.

Ich möchte einmal zur Kenntnis bringen, was hier steht. Artikel 9 der Menschenrechtskonvention: Zu versagen ist es, wenn dies im Hinblick auf die Lehre oder deren Anwendung zum Schutz der in einer demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheit anderer notwendig ist.


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