Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 48

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12.16

Abgeordneter Fritz Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Lassen Sie mich vor Eingang in meine eigentliche Rede noch eine andere Feststellung treffen. Frau Abgeordnete Petrovic hat gemeint, der Herr Bundeskanzler reagiere wie ein Beleidigter auf die ihn betreffende Veröffentlichung in einem Wochenmagazin. Das sehe ich völlig anders: Es geht hierbei nicht um die Reaktion eines Beleidigten, sondern es geht dabei in Wirklichkeit in unser aller Interesse – auch in Ihrem – darum, daß die Würde des Menschen durch einen solchen Journalismus nicht verletzt werden darf. (Abg. Dr. Petrovic: Bei den Frauen hat niemand reagiert!) Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Warum hast du nicht reagiert, als mir dasselbe passiert ist? In der "Wochenpresse"! Das war euch Wurscht, das war lustig!)

Meine Damen und Herren! Wir haben vor rund 16 Monaten über die letzte Regierungserklärung debattiert. Seither haben in unserem Land viele Debatten über die Zukunft stattgefunden. Viele Programme der politischen Parteien, der Interessenvertretungen wurden einer kritischen Prüfung unterzogen. Ich bin froh, daß einige dieser Programme nicht Realität geworden sind, wie zum Beispiel das Vorhaben, Gratisschulbücher abzuschaffen, die Absicht, das zweite Karenzjahr zu streichen, die Forderung nach Reduktion des Urlaubsanspruchs oder des Arbeitslosengeldes, der Vorschlag, daß Beamte ohne Bezahlung eine Stunde länger arbeiten sollen, die Idee, daß gewisse Feiertage auf einen Sonntag verlegt werden sollen. Das waren alles Forderungen der Freiheitlichen Partei! Heute wurde neuerlich die Forderung erhoben, daß ohne Mitwirkung der betroffenen Handelsangestellten Öffnungszeiten verändert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß diese Programme nicht die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher hinter sich gefunden haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin auch nicht der Auffassung von gewissen Siemens-Managern – darin wird die neue Linie gesehen –, die sagen, die Österreicherinnen und Österreicher, die bei Siemens arbeiten, sollten in Wirklichkeit ein halbes Jahr lang rund um die Uhr der Firma zur Verfügung stehen, wenn dies notwendig ist. Aber dennoch möchte ich klarstellen: Die Firma Siemens hat zum Beispiel im letzten Jahr 100 Beschäftigte mehr im Bereich der Software-Entwicklung angestellt, und das soll man, glaube ich, als positive Meldung weitergeben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch froh darüber, daß sich jene Programme nicht durchgesetzt haben, die wir im Vorjahr und im Vorvorjahr sehr deutlich auch immer wieder zu hören bekamen, nämlich: Das Arbeitsmarktproblem, die Wirtschaftsprobleme lösen wir, indem wir Sozialleistungen kürzen, indem wir soziale Rechte herunterschrauben, dann wird sich der Arbeitsmarkt schon regulieren.

Nein, wir haben es jetzt mit einer neuen Qualität zu tun, mit einem Weg, der in Österreich schon seit Jahrzehnten gegangen wird, ein anderer Weg als jener, den ich gerade beschrieben habe.

Wenn wir die Jahre 1992/1993 Revue passieren lassen, dann sehen wir, daß wir auch damals einen anderen Weg als den internationalen beschritten haben. Wir haben in Österreich nicht die Arbeitslosenzahl ansteigen lassen, sondern durch gemeinsame Aktionen der Bundesregierung und der Sozialpartner letztendlich dazu beigetragen, daß im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten die Beschäftigung in Österreich gesichert werden konnte. (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Tichy-Schreder. ) Das kostet Geld, das kostet sogar sehr viel Geld, das kostete auch im Budget sehr viel Geld.

Meine Damen und Herren! Wenn wir zum Beispiel die aktuelle Debatte über die Frage der Beschäftigung ausländischer Bauarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, wo man jetzt, nach langen politischen Debatten, endlich eine Entsenderichtlinie beschlossen, aber gleichzeitig gesagt hat: Wirksam wird sie nur, wenn sich die Sozialpartner über eine Lohnhöhe einigen!, dann halte ich dem entgegen, daß wir hier in Österreich rechtzeitig gehandelt haben und durch das zwar unaussprechliche AVRAG – Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – in


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