Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 126

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Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ich erteile es ihr.

18.23

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Koalitionsübereinkommen der Bundesregierung zeigt ganz deutlich auf, was wir behinderte Menschen in den letzten Monaten bereits befürchtet haben: Ganze zweimal sind wir im Koalitionsübereinkommen in Erscheinung getreten, nämlich dort, wo es darum geht, das Behinderteneinstellungsgesetz zu ändern, und dort, wo es darum geht, schulische Integration zu fördern. Alle anderen Maßnahmen, die zeigen, daß man sich zu behinderten Menschen bekennt, sind zur Gänze herausgefallen.

Von diesen zwei Passagen, bei denen es um die Behinderteneinstellung und um die schulische Integration geht, wissen wir alle seit langem ganz genau, daß das leere Worthülsen sind und daß sich in den letzten Jahren in dieser Richtung so gut wie nichts zum Positiven verändert hat. Wenn Sie, Herr Höchtl, heute sagen: Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel!, dann frage ich Sie, warum Sie meinen Antrag zur Erhöhung der Ausgleichstaxe, um für behinderte Menschen Arbeitsplätze zu schaffen, den ich immer und immer wieder einbringe, generell ablehnen. Wie können Sie das ablehnen, wenn es dabei um Arbeitsplätze für behinderte Menschen geht? Sie sind unglaubwürdig. Sie bemühen sich vielleicht, für sogenannte nichtbehinderte Menschen Arbeitsplätze zu finden, wobei Sie auch diesbezüglich noch nicht wissen, wie es gehen soll. Aber mit behinderten Menschen haben Sie schon lange nichts mehr am Hut. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Auch im Bereich der schulischen Integration kann man Ihnen schon seit Jahren nicht mehr glauben. Alle sprechen von schulischer Integration und sagen, daß schulische Integration gefördert werden muß. Ich zeige Ihnen ein Papier der ÖVP (die Rednerin zeigt eine Broschüre: Die "Erfolgsbilanz der ÖVP"), in dem die Erfolgsbilanz der XVIII. Gesetzgebungsperiode drinnen steht. Ich möchte Ihnen daraus etwas vorlesen: "Der Erfolg der ÖVP: keine Integration geistig behinderter Kinder in der AHS." – Das ist Ihre Schulintegration! Sie verbuchen es als Erfolg, daß Sie verhindern konnten, daß behinderte Menschen in die Regelschule kommen.

Wir glauben Ihnen schon lange nicht mehr. Und Sie haben für uns behinderte Menschen mit Ihrer sogenannten sozialen Treffsicherheit nur eines erreicht: daß Sie uns noch mehr schwächen, als wir es bereits sind.

Sie wollen uns wieder weghaben aus der Gesellschaft. Die Zukunftsorientierung und Zukunftssicherung, die Sie in Ihrem Koalitionsübereinkommen festgeschrieben haben, zielen für Behinderte und pflegebedürftige Menschen genau in Richtung zurück ins Pflegeheim, zurück zur Almosenversorgung, weg vom selbstbestimmten Leben.

Sie haben es in der Frauenpolitik wieder nicht geschafft, pflegende Angehörige sozialversicherungsrechtlich abzusichern, obwohl die SPÖ uns seit Jahren versichert hat, daß es ein ganz, ganz dringendes Anliegen ist, diese Personen endlich sozialversicherungsrechtlich abzusichern. – Nichts ist passiert!

Da frage ich mich: Wieviel sind Ihnen Frauen denn inzwischen wirklich noch wert, wenn Sie in all diesen Jahren nicht einmal erreichen konnten, pflegende Angehörige auch nur mit einem Minimum abzusichern?

Im universitären und schulischen Bereich haben Sie behinderte Menschen geschwächt wie noch nie. Sie alle wissen, daß behinderte Menschen länger brauchen, um ein Studium zu absolvieren, weil einfach die Rahmenbedingungen fehlen, die behinderte Menschen auch an den Unis brauchen. Es gibt keine Gebärdendolmetscher an den Unis. Es gibt auch keine entsprechenden Lesegeräte für sehbehinderte Menschen an den Unis. Es besteht keine Chancengleichheit für behinderte Menschen an den Unis. Und trotzdem sehen Sie für behinderte Menschen dasselbe Label vor wie für nicht behinderte Menschen. Sie machen es damit behinderten Menschen unmöglich, jemals zu studieren.


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