Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 130

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reagiert. Ich frage Sie: Wie anders als durch Kartellabsprachen bei der Bundesinnung wäre es möglich, daß die meisten Heilbehelfe und Heilmittel in Deutschland nur die Hälfte kosten?

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß vom 1. Juli 1998 an Selbständige, Bauern sowie die Menschen in Niederösterreich, im Burgenland und in der Steiermark ihre Hilfsmittel aus der eigenen Tasche vorfinanzieren müssen und dann nur noch maximal 80 Prozent des geleisteten Betrages zurückbekommen, da die Bundesinnungen der Augenoptiker, Orthopädietechniker, Bandagisten und Hörgeräte-Akustiker ihre Verträge mit den Krankenkassen bereits gekündigt haben. Doch was geschieht nach dieser Kündigung? – Herr Präsident Sallmutter vom Hauptverband zeigt sich "überrascht". Dabei waren die Streitthemen gar nicht so substantiell, daß sie den Boden dieses ganzen Dickichts berührt hätten.

Ich weise heute die Frau Ministerin darauf hin, daß im Interesse der betroffenen Patientinnen und Patienten dringend Handlungsbedarf besteht, und ich fordere Sie zu einer Aufhebung der sogenannten Reichsliste auf, zu einer völligen Neukonzeption in der Frage des Wettbewerbs und zu staatlichen, ebenfalls notwendigen Regulierungsinstrumenten. Sie weiß genau oder müßte es zumindest genauso wissen wie ich, daß die staatlichen Preiskontrollen zu immer mehr Parallelimporten führen werden. Davor haben die Innungen natürlich Angst, das ist klar. Und sie wehren sich dagegen, wo sie nur können. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Die Lösung kann doch nicht sein, Gesundheitskosten künstlich hoch zu halten, um ein marodes und ineffizientes System weiterhin zu stützen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.01

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß sich die ARGE Orthopädie und die Sozialversicherungsträger gegenseitig nicht weh tun wollen, steht, wie ich meine, außer Streit. Daß im Gesundheitsbereich und speziell im Hilfsmittel- und Heilbehelfsbereich in den letzten Jahren hohe Einsparungen erzielt werden konnten beziehungsweise zumindest keine Kostenerhöhungen mehr verursacht wurden, geschieht ausschließlich und alleine auf Kosten der Betroffenen, die Hilfsmittel und Heilbehelfe brauchen oder brauchen würden. Das ist die Realität, und ich erlebe diese regelmäßig.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß Menschen mit Querschnittslähmung im Bett eine Einlage brauchen, um nicht wundzuliegen. Die Bezahlung dieser Einlagen wurde jetzt von den Krankenkassen gestrichen, und zwar mit der Begründung – das muß man sich einmal anhören! –, daß diese Einlage nicht dem Schutz des Körpers, sondern ausschließlich dem "Schutz des Leintuches" diene. – Das sind "Argumente", die die Krankenkassen den behinderten Menschen jetzt schreiben, wenn es darum geht, daß sie Hilfsmittel oder Heilbehelfe brauchen.

Aber nicht nur der Kostenersatz für die Betteinlagen wurde gestrichen, sondern das Ganze wurde inzwischen sogar soweit getrieben – und ich sage bewußt "getrieben", Herr Feurstein –, daß Menschen, die heute aufgrund von Querschnittslähmungen oder aufgrund von Inkontinenz Windeln brauchen, beweisen müssen, wofür sie diese Windeln gebraucht haben, wenn sie mit ihrem Monatskontingent nicht auskommen. Dann müssen diese Menschen zum Chefarzt und dort glaubhaft machen, warum sie vielleicht noch 20 oder 30 Windeln in diesem Quartal zusätzlich brauchen. – Das ist die Realität.

Und wenn einer von Ihnen meint, daß behinderte Menschen diese Windeln vielleicht zum Tapezieren der Wohnung nehmen, dann muß ich ihm sagen: So schön sind sie wirklich nicht! Wofür sonst sollen die Menschen diese Windeln brauchen als zur Körperpflege und damit sie nicht naß sind? – Aber mit solchen Dingen müssen wir uns herumschlagen.


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