Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 114. Sitzung / Seite 15

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dienst des Bundeskanzleramtes, der in etwa ähnliche Bedenken gehabt hat, wie wir, die Oppositionsparteien, sie heute äußern.

Ich bin davon überzeugt, daß es Ihnen nicht gelingen wird, die Auseinandersetzung um dieses Gesetz vor einem europäischen Gerichtshof – sei es der EGMR in Straßburg oder sei es der ebenfalls in Straßburg residierende EuGH – zu gewinnen, weil Sie hier wirklich wider besseres Wissen handeln, was durch das Verhalten der Bundesregierung in dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bewiesen werden kann. Dort sind Sie beziehungsweise die Bundesregierung ja noch mit dem Ersuchen um eine 18monatige Übergangsfrist aufgetreten. Allerdings hätte auch diese Frist eine Lücke hinterlassen, denn mit 18 Monaten, vom heutigen Tag an gerechnet, hätten Sie das Jahr 2000 nicht erreichen können, was sich nach Adam Riese relativ leicht nachrechnen läßt. Sie wären bis hinein in den Herbst 1999 gekommen, aber Sie hätten eine Deckungslücke gehabt. Das heißt, es stellt sich die Frage: Was wollten Sie mit dieser Übergangsfrist eigentlich erreichen?

Ich interpretiere: Es ist Ihnen gar nicht darum gegangen, dort etwas zu erreichen, sondern Sie haben offensichtlich schon zu dem Zeitpunkt, als Sie als Bundesregierung um die 18monatige Frist beim Verfassungsgerichtshof angesucht haben, gewußt, daß Sie, egal, wie der Verfassungsgerichtshof entscheidet – und Sie waren sich relativ sicher, daß er gegen Sie entscheiden wird – eine Adaptierung dieses Gesetzes nach vorne machen wollen. Das heißt, Sie sind gegenüber dem Verfassungsgerichtshof mit Fristen in Vorlage gegangen, die Sie gar nicht ernst genommen haben.

Damit wird das Problem etwas grundsätzlicher, nicht nur in bezug auf die Frage, wie ein Parlament mit einem Spruch des Verfassungsgerichtshofes umgeht, den es nicht kennt, sondern auch im Hinblick darauf, wie eine Regierung mit einem Verfahren beim Verfassungsgerichtshof umgeht, den man offensichtlich so wenig ernst nimmt, daß man ihm ein bißchen Spielmaterial vorwirft und sagt: Na, vielleicht steigst du auf die 18-Monate-Frist ein; wenn nicht, haben wir auch andere Instrumente zur Verfügung, wir wollen das ohnehin so beschließen. Wir werden euch schon noch zeigen, wer der Herr im Hause Österreich ist!

Da fängt das Problem an, meine Damen und Herren, denn über eines können Sie sich nicht hinwegsetzen: Selbstverständlich ist das Parlament der Gesetzgeber, aber an die Verfassungsprinzipien muß sich auch der Gesetzgeber halten. (Abg. Meisinger: Sollte!) Und diese haben Sie mit dem vorliegenden Gesetz aufs gröblichste verletzt! (Beifall bei den Grünen.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Kollegin.

22.23

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der bisherigen Debatte wurde natürlich sehr oft auf die Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes Bezug genommen. Erlauben Sie mir, aus dem gerade aktuellsten Spruch, aus dem gegenständlichen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wörtlich einen Abschnitt zu zitieren, in dem es darum geht, eine Definition der Funktion der Notstandshilfe zu finden. Der Verfassungsgerichtshof bezieht sich in dieser Passage selbstverständlich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Darin heißt es:

"Angesichts dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt, seine bisherige Judikatur zu überdenken. Jedenfalls vorläufig nimmt der Verfassungsgerichtshof mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, daß der Anspruch auf Notstandshilfe als vermögenswertes Recht im Sinne des Artikels 1 (1) des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt ist. Er geht vorläufig davon aus, daß es sich bei den in Rede stehenden Leistungen nicht um solche der Fürsorge, sondern um Sozialversicherungsleistungen handelt."


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