Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 123. Sitzung / Seite 103

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.23

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was in dieser zweifellos sehr schwierigen und ernsthaften Situation als klares Signal des österreichischen Gesetzgebers und der österreichischen Regierung erforderlich ist, ist ein gemeinsames, geschlossenes Auftreten und ein Appell an die slowakische Politik, an die slowakische Regierung, an die slowakischen Behörden, die Sicherheitsbedenken der Experten ernst zu nehmen und keine Aktivierung vorzunehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Moser! Ich bedauere es ein bißchen, daß Sie nicht der Versuchung widerstanden haben, hier ein politisches Hick-Hack zwischen Regierung und Opposition zu demonstrieren. Damit zeigen Sie der slowakischen Bevölkerung, der slowakischen Regierung, aber auch der internationalen Staatengemeinschaft eine österreichische Zersplitterung.

Ich glaube, daß das, was Sie hier behauptet haben, daß sich die österreichische Atompolitik vom Ziel, von der Perspektive, von der Vision eines atomkraftfreien Mitteleuropa verabschiedet habe, einfach nicht richtig ist. Ich hatte zuletzt am 13. März hier im Nationalrat Gelegenheit, sehr klar und deutlich zu sagen, daß wir dieses Ziel, diese Perspektive aufrechterhalten. Die Österreicherinnen und Österreicher müssen auf der anderen Seite – und das haben Sie auch angeführt – beim Kernkraftwerk Mochove tatsächlich schon eine sehr, sehr lange Geschichte miterleben. Dieses Projekt, das Kernkraftwerk Mochovce, und der Widerstand gegen dieses Projekt haben, wie ich glaube, tatsächlich schon eine Geschichte, die auch das unermüdliche Bemühen der österreichischen Bundesregierung zeigt, dieses Kraftwerk zu verhindern und dafür zu sorgen, daß Österreich weiterhin in Richtung atomkraftfreies Mitteleuropa tätig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen jedoch zur Kenntnis nehmen – und das bitte ich Sie gerade auch in dieser Stunde zu tun –, daß die Errichtung und der Betrieb von Kernkraftwerken nach wie vor international grundsätzlich eine zulässige Aktivität ist. Und wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß Entscheidungen über die Errichtung und den Betrieb von Kernkraftwerken nach wie vor weitgehend der nationalen Souveränität unterliegen. Was Österreich für sich und für Mitteleuropa als Ziel definiert – nämlich die Nichtnutzung der Kernenergie –, müssen wir anderen Staaten wohl auch zugestehen.

Das bedeutet nun nicht – und das sage ich mit Nachdruck –, daß wir den Entwicklungen in unseren Nachbarstaaten oder anderswo tatenlos zugesehen hätten. Wir haben bereits 1994 und 1995 das damalige Fertigstellungsprojekt massiv kritisiert und auch auf die inneren Widersprüche dieses Projektes hingewiesen. Österreichs Verdienst ist es – und damit meine ich die Bundesregierung, das Hohe Haus, aber auch jene 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die damals mit ihrer Unterschrift ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht haben –, daß diese Widersprüche auch aufgezeigt wurden. Es ist wohl nicht vermessen, davon auszugehen, daß das auch dazu beigetragen hat, daß der Projektbetreiber seine Kreditanträge bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London sowie bei EURATOM zurückgezogen hat.

Nicht zuletzt angesichts der ökonomisch fragwürdigen Fertigstellung dieses Kernkraftwerkes hat die Bundesregierung damals bereits der Slowakischen Republik massive Unterstützung und Hilfe bei der Entwicklung einer nichtnuklearen Alternative angeboten. Dieses Angebot – und das wissen Sie – wurde zu unserem größten Bedauern von der slowakischen Regierung nicht angenommen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nochmals betonen, daß die Erarbeitung energiewirtschaftlicher Konzepte natürlich nur gemeinsam mit dem jeweils betroffenen Land sinnvoll erfolgen kann, und daß einseitige Aktionen – und seien sie auch noch so gutgemeint – kein Ergebnis bringen.


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