Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 90

beispiel dafür. Da schätze ich die sachgerechte Begründung für geringer ein als die ideologische Befangenheit, die dahinter gestanden ist, und ich werde nicht müde, das bei jeder Gelegenheit zu erwähnen.

Ich halte es für notwendig, daß dem Bestellungsvorgang ein Hearing vorausgeht, so wie das Parlament bereits eines macht. Auch wenn das Ergebnis nicht immer eines ist, mit dem die Opposition oder die Liberalen einverstanden sind, so halte ich das für einen richtigen Schritt. Wir hätten es notwendig gehabt, die Regierung dazu zu verpflichten, und wir werden einen Entschließungsantrag einbringen mit der Forderung, die Regierung dazu zu verpflichten, ein Hearing durchzuführen, bevor der Präsident oder der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes bestellt wird.

Außerdem sehe ich überhaupt nicht ein, warum das Vorschlagsrecht für den Präsidenten und Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofes ein Privileg der Regierung sein soll. Wieso ist das nicht Sache der Parlamentarier? Gerade darüber, wie die Aufteilung dieses Bestellungsvorganges und all das miteinander in Einklang zu bringen ist, sollten wir auch einmal diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sehen, daß ich mit der Zeit gar nicht auskomme, ich hätte noch viele Punkte gehabt, die ich in diesem Zusammenhang hätte relevieren wollen. Sie haben eine Diskussion nicht zugelassen, und das ist offensichtlich Ihr Demokratieverständnis! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

14.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin, da keine Anträge eingebracht wurden, ist Frau Abgeordnete Dr. Cordula Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.20

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Ich werde Sie nicht enttäuschen, Herr Kollege Wabl! – Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz zur Novelle zur Bundespräsidentenwahlordnung und auch zur Änderung des Volksbegehrengesetzes äußern. Ehe ich aber auf die Bundespräsidentenwahlordnung eingehe, möchte ich vorweg aus einem Artikel von Erwin Zankl vom 13. März 1998 zitieren, und zwar deshalb, weil mir gerade die Situation, die wir damals hatten, besonders schmerzlich und demokratiepolitisch besonders bedenklich erschien. Erwin Zankl schrieb damals – ich zitiere –:

Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich, heißt es in der Verfassung. Wenn es jedoch um das höchste Amt im Staat geht, gibt es gleichere Bürger. Die Normalsterblichen müssen Schikanen auf sich nehmen, wenn sie einen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten unterstützen wollen. Sie müssen persönlich vor der Gemeindebehörde erscheinen, um ihre Unterschrift beglaubigen und ihre Eintragung in der Wählerevidenz bestätigen zu lassen. Sie dürfen nur einen Kandidaten unterstützen, und ihre Unterschrift zählt auch nur einmal. Die Abgeordneten zum Nationalrat sind die Gleicheren. Fünf Unterschriften genügen für eine Kandidatur, während ein Bewerber ohne nationalrätliche Protektion 6 000 Unterschriften sammeln muß. Nicht genug damit. Die Abgeordneten können beliebig oft unterschreiben und ihren Günstlingen jeweils 25 000 Unterstützungen zuschanzen, was für die Reihung auf dem Stimmzettel wichtig ist. – Und so weiter. – Zitatende.

Mit der heutigen Novelle werden wir dieses Relikt des Klassenwahlrechtes abschaffen. Das ist ein Kurienwahlrecht, ein Klassenwahlrecht. (Abg. Wabl: Die Klasse der Abgeordneten?) – Ja, die Klasse der Abgeordneten, die mit einer besonders hohen Wertigkeit, nämlich der von 25 000 Stimmen, ausgezeichnet wird. (Abg. Wabl: Die Klasse wird nur durch die Geburt bestimmt und durch das Kapital! – Abg. Öllinger: Wozu sitzen wir denn da?!)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie noch einmal an die Bundespräsidentenwahl 1998. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP, den Grünen und dem Liberalen Forum.) Es war demokratiepolitisch empörend, daß bei den Unterstützungserklärungen für den Bundespräsidentenkandidaten, wie gesagt, zwei Klassen von Bürgern geschaffen wurden und daß eine Stimme eines Abgeordneten zum Nationalrat so viel zählte wie 25 000 Stimmen von Normalbürgern.


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